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Jens Nowotny, hat Sie der Zeit­punkt der Ent­las­sung von Robin Dutt über­rascht?
Jens Nowotny: Nein, kei­nes­falls. Im Umfeld wurde doch schon seit geraumer Zeit über eine Tren­nung spe­ku­liert.

Wolf­gang Holz­häuser sagte im Februar Wir sind vom Trainer über­zeugt, auch wenn das nicht jedem Fan gefällt.“ Es gebe keinen Grund, die Zusam­men­ar­beit zu beenden, man denke lang­fristig.
Jens Nowotny: Ich habe sogar gelesen, dass es am ver­gan­genen Don­nerstag eine ähn­liche Aus­sage gegeben haben soll. 

Zu diesem Zeit­punkt hatte die Bayer-Füh­rung ver­mut­lich bereits große Zweifel. Haben Sie eine Erklä­rung für der­ar­tige Aus­sagen?
Jens Nowotny: Ich muss zu Holz­häu­sers Ehren­ret­tung sagen, dass er es bereits einmal genau umge­kehrt aus­ge­drückt hatte. Als Jupp Heyn­ckes noch Bayer-Trainer war, hat Holz­häuser gesagt Ein Trainer ist eine tem­po­räre Ent­schei­dung“ – damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen! Aber was pas­sierte damals? Er wurde heftig kri­ti­siert, seine Aus­sage wurde regel­recht zer­rissen.

Aber wes­halb lesen und hören wir immer wieder Sätze wie Der Trainer steht nicht zur Dis­po­si­tion“?
Jens Nowotny: Solche State­ments gehören zum Geschäft. Klar ist aber auch: Nie­mand, kein Medi­en­ver­treter und kein Fan, nimmt jemandem der­ar­tige Erklä­rungen heut­zu­tage noch ab. Aber, wel­cher Klub- Ver­ant­wort­liche sagt schon gern: Ja, wir denken zur­zeit über einen Trai­ner­wechsel nach“?

Man könnte ja auch nichts sagen.
Jens Nowotny: Keine gute Option. Ein anderen Bei­spiel: Wird ein Spieler mit einem Verein in Ver­bin­dung gebracht, und beide Seiten sagen Dazu äußern wir uns nicht!“, kommen die Spe­ku­la­tionen doch erst richtig in Schwung. Man muss sich irgendwie posi­tio­nieren.

Wie bewerten Sie die höh­ni­schen Gesänge der Bayer-Fans im Spiel gegen Frei­burg?
Jens Nowotny: Häme und Spott hat es immer schon gegeben. Auch ich habe in meiner Kar­riere merk­wür­dige Dinge erlebt. Ich kann mich bei­spiels­weis an jene Situa­tion erin­nern, in der unser Haupt­sponsor eine Zei­tungs­an­zeige schal­tete, in der wir, die Spieler, ver­spottet wurden. Ich wie­der­hole: Der eigene Haupt­sponsor! Die Aktion hatte nur ein Ziel: Auf­merk­sam­keit. In der heu­tigen Zeit redet jeder über Moral, letzt­end­lich macht aber jeder, was er will – auch die Zuschauer. Jene Leute, die Dutt am Wochen­ende ver­höhnt haben, sollten sich ein­fach mal fragen, ob das in Ord­nung war, und wie man selbst unter sol­chen Angriffen leiden würde.

Schaut man sich in den Inter­net­foren um, so bekommt man den Ein­druck, viele Fans fühlen sich eher bestä­tigt. Man liest Sätze wie Ziel erreicht – Dutt ist weg“. Hat sich die Bayer-Füh­rung treiben lassen?
Jens Nowotny: Die dras­ti­schen Reak­tionen der Fans haben bei der Ent­schei­dungs­fin­dung sicher­lich den Aus­schlag gegeben. Ver­mut­lich ist der Druck der Fans und Medien derart groß geworden, dass sich die Ver­ant­wort­li­chen gezwungen fühlten, die Reiß­leine zu ziehen. Ver­mut­lich spielt auch der Kon­zern eine Rolle, nach dem Motto Jetzt wird das Image von Bayer beschä­digt – Stopp!“

Darf der Ein­fluss der Anhänger derart groß werden?
Jens Nowotny: Sowas ist zumin­dest bedenk­lich. Wie weit soll das noch gehen? Wir sollten uns dar­über im Klaren sein, dass Belei­di­gungen Folgen haben können – es gibt Leute, die daran zer­bre­chen.

Sie haben das Image erwähnt, Bayer Lever­kusen kämpft seit vielen Jahren um ein bes­seres, zum Teil sehr erfolg­reich. Aller­dings haben die Bayer-Fans bun­des­weit noch immer ein schlechtes Image. Nach den Dutt-Gesängen“ des Wochen­endes fühlen sich viele Leute bestä­tigt.
Jens Nowotny: Das ist sicher­lich ein Pro­blem. Für so man­chen Bayer-Fan ist die Aktion jedoch ver­mut­lich eher ein Tri­umph gewesen. Einige sagen sich jetzt Hey, liebe Leute, wir Fans in Lever­kusen haben es geschafft, den Trainer los zu werden, ihr in Köln schafft das nicht.“ Einige wollen sich damit pro­fi­lieren. Schaut man sich die benannten Kom­men­tare im Internet an, so stellt man fest, dass es eine gewisse Gruppe gibt, der man ein­deutig eine Pro­fil­neu­rose attes­tieren kann. Glück­li­cher­weise gibt es bei Bayer auch andere Anhänger!

Wes­halb gelingt es dem Klub nicht, auf der Trai­ner­po­si­tion Kon­ti­nuität zu schaffen?
Jens Nowotny: Es gibt in der Liga ein paar Ver­eine, bei denen der Trainer keine Zeit bekommt, lang­fristig etwas auf­zu­bauen, das ist ein­fach so. In Lever­kusen ist die Kon­stel­la­tion schon sehr spe­ziell. Im Hin­ter­grund steht ein Kon­zern, und an der Ver­eins­spitze stehen mit Wolf­gang Holz­häuser und Rudi Völler zwei sehr starke Per­sön­lich­keiten. Ein Trainer kann es sich hier nicht erlauben, in Ruhe zu arbeiten und womög­lich zwei Spiel­runden hin­ter­ein­ander die Euro­pa­po­kal­ränge zu ver­passen. Es geht, wie bei jedem Top­klub, stets um kurz­fris­tigen Erfolg.

Robin Dutt sprach vor der Saison offen von der Meis­ter­schaft – hat er die Wir­kung seiner Aus­sagen unter­schätzt?

Jens Nowotny: Auch das ist eine psy­cho­lo­gi­sche Sache. Hätte er gesagt, unser Ziel ist die Europa League, hätten ihn die Medien scharf kri­ti­siert; und die Fans hätten sich eben­falls gewun­dert – schließ­lich befand man sich wenige Monate zuvor noch im Titel­kampf. Die Marsch­route Europa-League-Platz wäre nicht gut ange­kommen.

Kurz: Es gibt immer Kritik, egal wel­ches Ziel zuvor benannt wurde?

Jens Nowotny: Ich würde mir fol­gende Aus­sage wün­schen. Ok, wir haben eine tolle Mann­schaft, wir haben aber auch einen neuen Trainer, der logi­scher­weise andere Schwer­punkte setzt. Unser Ziel ist es daher, das inter­na­tio­nale Geschäft zu errei­chen.“ Damit könnte jeder gut leben. Es geht ja schließ­lich auch darum, den Druck von der Mann­schaft zu nehmen. Wer sich auf der einen oder anderen Seite zu weit aus dem Fenster lehnt, bekommt irgend­wann auto­ma­tisch Pro­bleme.

Genügt die Qua­lität des Kaders über­haupt höheren Ansprü­chen?
Jens Nowotny: Inter­na­tio­nales Geschäft: ja. Cham­pions League: nein. Für die Königs­klasse ist die Mann­schaft nicht auf allen Posi­tionen aus­rei­chend gut besetzt.

Haben Sie Robin Dutts Abschluss­pres­se­kon­fe­renz gesehen?
Ja, natür­lich.

Er übte Selbst­kritik und lobte die Bayer-Ver­ant­wort­li­chen. Viele Zei­tungs­kom­men­ta­toren spra­chen von einem unge­wöhn­li­chen und bemer­kens­werten Auf­tritt“.
Jens Nowotny: Die PK war unge­wöhn­lich, ja. Aber das ist die Art von Pro­fes­sio­na­lität eines Robin Dutts. Es brächte ja auch nichts, wenn er auf dem Park­platz des Ver­eins­ge­ländes bedröp­pelt Rich­tung Auto laufen würde, und anschlie­ßend Schuld­zu­wei­sungen öffent­lich macht. Robin Dutt ist ein pro­fes­sio­neller Typ. Er weiß genau, dass man sich im Leben immer zweimal trifft. Außerdem wurde er ja nicht ent­lassen, son­dern frei­ge­stellt. Die Gehalts­zah­lungen laufen meines Wis­sens weiter, wie üblich in sol­chen Fällen. Bayer Lever­kusen ist also wei­terhin Dutts Arbeit­geber. Und er wäre schön blöd, wenn er es sich jetzt wegen öffent­li­cher Atta­cken mit den Ver­ant­wort­li­chen ver­scherzen würde. Aber für derlei Angriffe ist er sowieso nicht der Typ.

Als Dutts Nach­folger wird bereits Ralf Rang­nick gehan­delt.
Jens Nowotny: Ich finde Rang­nicks Art zum Teil zu ver­bissen, spe­ziell wenn es um die Umset­zung seines Spiel­kon­zeptes geht, kurz gesagt: zu ana­ly­tisch und zu akri­bisch. Ein Trainer kann mit seiner Mann­schaft sicher­lich viele Dinge erar­beiten, vieles ein­stu­dieren, aber man kann den Fuß­ball nicht ver­wis­sen­schaft­li­chen.

Sie halten ihn also nicht für geeignet?
Jens Nowotny: Das will ich damit nicht sagen. Rang­nick würde ver­mut­lich gut ins Anfor­de­rungs­profil passen. Mög­li­cher­weise hat er sich auch ein wenig ver­än­dert, er hat ja bereits erklärt, dass er nach seinem Burn-Out einen gewissen Abstand gewonnen hat. Viel­leicht hat er inzwi­schen eine gewisse Locker­heit hin­zu­ge­wonnen, um in kürze den nächsten Schritt zu machen. Den per­fekten Trainer gibt es sowieso nicht. Und jeder Trainer lernt stets weiter dazu, auch Jupp Heyn­ckes oder Otto Reh­hagel. Rang­nick sollte sich im Klaren dar­über sein, dass Bayer Lever­kusen für einen Trainer kein leichtes Pflaster ist. Im Hin­ter­grund steht ein Kon­zern – und ich weiß nicht, wie sich die Herren ein­mi­schen, wenn es mal nicht so gut läuft.