Borussia Dortmund hat das 18-jährige Toptalent Reinier für zwei Jahre von Real Madrid ausgeliehen. Weshalb sie beim BVB viel Freude an dem Brasilianer haben könnten – und in Madrid vielleicht sogar noch ein bisschen mehr.
Große Investitionen wollte man bei Borussia Dortmund in diesem Sommer nicht mehr tätigen. Um Spieler wie Erling Haaland oder den noch angeschlagenen Marco Reus zu entlasten, hat Sportdirektor Michael Zorc nun den 18-Jährigen Reinier Jesus Carvalho als Neuzugang präsentiert. Der BVB leiht den 1,85 Meter großen und robusten Brasilianer für zwei Jahre von Real Madrid aus. Erst im vergangenen Winter hatten die Königlichen ihn für 30 Millionen Euro Ablöse aus Brasilien in die spanische Hauptstadt geholt.
Nach einem halben Jahr in Madrid, wo ihm ein Einsatz bei den Profis bisher verwehrt geblieben ist, möchte Reinier in Dortmund den nächsten Schritt machen. Wie man das eben so sagt bei einem, dem nicht zu viel Druck aufgeladen werden soll. Sowohl in Dortmund als auch in Madrid hofft man jedoch, dass er einen ähnlichen Weg wie Achraf Hakimi einschlägt, der als Leihgabe eine rasante Entwicklung zum Stammspieler beim BVB gemacht hatte.
In seiner Heimat gilt Reinier als das größte Talent seines Jahrgangs. Als Kapitän der U16- und später auch U17-Nationalmannschaft machte er früh auf sich aufmerksam. In zahlreichen Spielen im gelben Trikot der Selecao setzte er sich auf der Zehner-Position mit einer robusten und technisch feinen Spielweise oft gleich gegen mehrere Gegenspieler durch. Besonders auffällig ist, dass er nicht nur Tore auflegt, sondern oftmals selbst mit dem Rücken zum Tor Bälle festmacht, um sie dann nach einem schnellen Antritt mit seinem starken rechten Fuß selbst aufs Tor zu bringen.
Mit seinem Jugendverein Flamengo Rio de Janeiro wurde er in seiner ersten Profisaison direkt Brasilianischer Meister und steuerte in 14 Spielen als Spielmacher sechs Treffer und zwei Vorlagen bei. Jorge Jesus, sein ehemaliger Trainer bei Flamengo, sagte über Reinier, dass er „in erster Linie ein Zehner“ sei, der mit „viel Fantasie im Kombinationsspiel“ und „einer für sein Alter starken Physis“ ausgestattet sei. Zusätzlich zur Meisterschaft gewann er mit seiner Mannschaft im November noch den wichtigsten südamerikanischen Vereinswettbwerb – die Copa Libertadores. Dort reichte es für Reinier jedoch nur für einen Kurzeinsatz.
Welche Qualitäten der Teenager bereits in so jungen Jahren auf den Platz bringt, hat auch Filipe Luis überrascht, der damals zusammen mit ihm bei Flamengo spielte. Kurz bevor Reinier zu Real Madrid wechselte, verglich Luis seine Qualitäten in einem Interview mit der spanischen Zeitung Marca sogar mit denen eines ehemaligen Weltfußballers: „Er erinnert mich an Kaká, weil er immer den Kopf oben hatte und im Strafraum eiskalt war. Ich würde sagen, mit dem Rücken zum Tor hat er sogar noch mehr Qualität als Kaká. Er wählt immer die richtige Option, obwohl er erst 17 ist“, so Luis. Kein Wunder also, dass sich im vergangenen Winter zahlreiche Vereine um ihn bemühten. Obwohl Michael Zorc zuletzt betonte, dass er bereits seit zwei Jahren an ihm dran sei, erhielt Real Madrid letztendlich den Zuschlag und stattete ihn sogleich mit einem Sechs-Jahres-Vertrag aus.
Bei seiner Vorstellung im Januar sagte Reinier, dass Real Madrid das „Nonplusultra im Weltfußball“ sei und die Aussicht, mit einem Trainer wie Zinedine Zidane zusammenarbeiten zu können, ihn „vollends überzeugt“ hätte. In Madrid angekommen fand er sich aber erst einmal in der Castilla, der zweiten Mannschaft der Blancos, wieder.
Hier hießen seine Mitspieler nicht Sergio Ramos und Toni Kroos, sondern Antonio Blanco und Marvin Park. Obwohl Reinier bis zum Saisonabbruch nur drei Spiele in der Drittligareserve absolvieren konnte, hinterließ er einen bleibenden Eindruck bei seinem Trainer Señor Raúl: „Es gefällt uns, mit wie viel Leidenschaft und Enthusiasmus er hier vom ersten Tag an bei der Sache ist“, erklärte Raúl. „Er hat sich schnell integriert und sein Potenzial unter Beweis gestellt. Er hat die Mentalität eines Gewinners“, so Raúl weiter. Der ehemalige Weltklasse-Stürmer, der selbst mit 17 Jahren sein Debüt im Profifußball gefeiert hatte, prophezeite seinem Spielmacher eine große Zukunft bei den Königlichen.
Heute, nur sieben Monate später, heißt seine Zukunft jedoch Borussia Dortmund und sein Trainer Lucien Favre. Dortmunds gute Beziehungen zu Real Madrid und die bekannten Entwicklungsmöglichkeiten für junge Spieler gaben letztendlich den Ausschlag pro Borussia Dortmund, nachdem Real sich für eine Leihe entschieden hatte.
Für Michael Zorc, der den jungen Brasilianer in dieser Woche stolz präsentierte, sei Reinier nach einer gewissen Eingewöhnungszeit eine echte Verstärkung für die Offensive. Gerade im Hinblick auf den von Verletzungen geplagten Reus solle Reinier im Titelkampf eine zusätzliche Option sein und die berühmte Gewinnermentalität mitbringen.
Trainer Lucien Favre stellte indes klar, dass Reinier noch „sehr, sehr jung“ sei. „Wir müssen ihm Zeit geben“, sagte er und verwies auf die Entwicklung von Bayern-Stürmer Serge Gnabry: „Er ist heute 25 Jahre alt, war bei Arsenal, Hoffenheim und Bremen. Da lief es auch noch nicht so, aber er hat sich peu a peu entwickelt und verstanden, was es heißt, Profi zu sein. Jetzt ist er einer der besten Spieler.“
Ein wenig hinkt der Vergleich jedoch. Schließlich steht Serge Gnabry immer noch beim FC Bayern unter Vertrag. Sie konnten es sich leisten, den Spieler nach Hoffenheim zu verleihen und dort weitere Spielpraxis in der Bundesliga sammeln lassen. Auch Reinier soll nach zwei Jahren wieder zu Real Madrid zurückkehren. So wie Achraf Hakimi, den sie umgehend für 40 Millionen Euro weiter zu Inter Mailand verkauften. Aber in diesen zwei Jahren könnte er dem BVB viel Freude bereiten.