1.
Vitali Eckermann (Preußen Münster)
Der Deutschrusse bändelte erst mit Borussia Dortmund an, ehe er sich 1997 seiner tiefen Liebe zu Preußen Münster bewusst wurde. Der Wechsel an die Hammer Straße war ein mutiger, immerhin gewann der BVB damals als amtierender Meister gerade die Champions League. Münster kämpfte indes in der Regionalliga West ums sportliche Überleben. Eckermann belegte die abgedroschene Weisheit, man könne sich seinen Verein nicht aussuchen. Im Preußenstadion sieht man ihn bis heute – und hört ihn, natürlich. Denn der Rollstuhlfahrer hat einen gewaltigen Wechselgesang geprägt. „Preuuuußen“, schmeißt er immer mal wieder in die Kurve, die dann aus tausend Kehlen echot: „Müüüüüüünster“. Dabei verweigert sich Eckermann dem technischen Standard. Als ihm Präsident Marco de Angelis einst ein Megaphon in die Hand drücken wollte, lehnte der 32-Jährige empört ab.
2.
Lothar Dohr – Der Schreck vom Niederrhein (Rot-Weiß Essen)
Lothar Dohr fing schon im zarten Alter von 15 Jahren an, den Essener Anhang zu beschallen. Im Spiel gegen den FC Bayern München erklomm er einst den rostigen Zaun der Hafenstraße. Weder Vater noch Stimmbruch konnten den halbstarken Filius an der fixen Idee hindern, den eigentlichen Oberfan Dorschi zu ersetzen. Die Aktion hätte auch schief gehen können. Es war einer dieser Fußballmomente, in dem entweder ein kultiger Mythos entsteht oder aber eine Pubertät jäh beendet wird. Lothar Dohr wurde zum Mythos, weil seine fünf Fragen an die rot-weiße Wand mit einem donnernden „Nur der RWE“ beantwortet wurden. Fortan musste der jugendliche Einpeitscher bei jedem Heimspiel auf die Stange. „Lothar, wir bitten dich“, unisonte die Kurve, und Lothar kam dem Gesuch gerne nach. Nicht selten provozierte sein lautes Organ sogar böse Drohungen der gegnerischen Fans, die ihren Weg per Post in den Dohr’schen Briefkasten fanden. Heute ringt „der Schreck vom Niederrhein“ mit hohem Blutdruck und die Fanszene um einen geeigneten Nachfolger.
3.
Manolo (Borussia Mönchengladbach)
Er hieß Ethem Özerenler, aber sie nannten ihn Manolo. Nach dem bekannten, dem größten aller Fantrommler, „Manolo el del Bombo“, aus Spanien. Es war eine Ehrerbietung. Der kleine Gladbacher hätte sonst auch ausreichend Anekdoten für einen eigenen Namen vorzuweisen gehabt. Er brauchte nie eine Eintrittskarte und glaubte den Rhythmus eines Spiels mit seinem Takt beeinflussen zu können. 1968 war Özerenler aus der Türkei als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, neun Jahre später schleppte er zum ersten Mal seine Trommel auf den alten Bökelberg. Das Instrument war in schlichtes Schwarz-Weiß gemustert, ohne Spruch oder Bild auf dem Fellmembran, und deshalb symbolisch, weil wie sein Eigentümer nie um übertriebene Effekthascherei bemüht. Was Manolo an Worten sparte, machte er mit dem Schlägel wett. 25 Jahre ward er am Bökelberg gesehen. Trommelte, als seine Borussia aufstieg. Trommelte, als sie um die Meisterschaft mitspielte und den DFB-Pokal gewann. Trommelte, als sie abstieg. 2002 erkrankte das stille Original an Demenz und Diabetes. Der Hochstuhl, den sie ihm eigens vor die Tribüne gezimmert hatten, blieb in der Folge verwaist. Manolo verstarb 2008.
4.
Catweazle (Schalke 04)
Drei Jahrzehnte heizte Catweazle als wilder Derwisch an der Trommel dem alten Parkstadion ein. Mit seinem Kopfschmuck irgendwo zwischen Wikingerhelm und Wischmob donnerte er in durch die Nordkurve von Schalke 04. Woher sein Kunstname rührte, ist heute nicht mehr zu ergründen. Dass er als Olly Olschewski, so sein bürgerlicher Eintrag, aber nicht weit gekommen wäre, scheint klar. Catweazle erlebte die letzte deutsche Meisterschaft der Knappen anno 1958 in Hannover live und saß nach dem Triumph ein, weil er mit dickem Pinsel den alten Schalker Bahnhof in euphorisches Königblau getaucht hatte. Er war beim „Wunder von Mailand“, dem echten, bei den Eurofightern also, dabei, und auch in der zweiten Liga. Seinem vorauseilendem Ruf zum Trotz wurde der Anheizer einmal nicht erkannt: Zwei Ordner forderten vehement, er solle doch bitte seine Trommel öffnen. Catweazle trat das Fell, das er sonst mit den Armen zertrommelte, mit dem Fuß ein. Seine Liebe zu Schalke ging sogar so weit, dass an seinem Laden einst ein in aller Eile bekritzeltes Schild baumelte: „Geschlossen. Bin 14 Tage mit Schalke weg.“ Heute ist er nicht mehr mit, sondern von Schalke weg. In der neuen Arena machen andere den Lärm. Catweazle hat seine Perücke und die Trommel für einen guten Zweck versteigert.
5.
Jürgen Fischer (FC St. Pauli)
Viel ist nicht bekannt über Jürgen Fischer, und doch kennen alle den rüstigen Zaunfan vom FC St. Pauli. Seit Dekaden schon klammert er sich an die rostigen Streben der Gegengerade und ist den TV-Kameras der Fußballrepublik mit seinen kreativen Kostümen ein beliebtes Ziel. Zum Karneval 2009 turnte er im Clownsgewand durch das winterliche Millerntor. Den letzten Erstligaabstieg des Kiezclubs kommentierte er als Totengräber mit Trauerflor, weißen Blumen und Holzkreuz. Sein Standarddress an Spieltagen ist und bleibt aber der gelbe Fleecepullover unter seiner roten, mit Aufnähern gepflasterten Kutte. Auf dem Kopf liegt eine Schiebermütze und im Mund ein mildes Grinsen. Von Jürgen Fischer ist kein Zitat überliefert. Das ist in diesen Zeiten der bedingungslosen Selbstdarstellung eine nette Ausnahme.