Für Pal Dardai hat es in Deutschland immer nur Hertha BSC gegeben. Jetzt hält er als Trainer das Team und den Verein zusammen. Auch, weil er die vielleicht letzte Verbindung zu den entnervten Ultras ist.
Dass die Verwerfungen nicht noch dramatischer ausfallen, ist vor allem Pal Dardai zu verdanken. Nicht nur weil er für den sportlichen Aufschwung des Vereins steht, für die Aussicht, nach sieben Jahren mal wieder im Europapokal vertreten zu sein; Dardai kontert mit seiner demonstrativen Gelassenheit die latente Aufgeregtheit des Vereins. Er steht mit beiden Beinen auf dem Boden, während Hertha in einer virtuellen Cloud unterwegs ist. Pal Dardai ist der Verbindungsmann zwischen Tradition und Moderne.
Im Grunde ist der Ungar selbst ein bisschen Ultra. Bei den Spielen steht er breitbeinig an der Seitenlinie, die Arme meist vor der Brust verschränkt. Es ist das Bild eines Kraftprotzes, der sich nicht so einfach umpusten lässt. Im Januar 1997 ist Dardai, knapp 21 Jahre alt, aus seiner Heimatstadt Pecs nach Berlin gekommen. Inzwischen hat er ziemlich genau die Hälfte seines Lebens in Berlin verbracht. Einen anderen Klub als Hertha hat es für ihn nie gegeben. So wie es für einen Ultra nie einen anderen Klub geben würde.
Dardai war der Handwerker
Dardai selbst nennt sich „herthabekloppt“. Manager Michael Preetz sagt, er könne sich nicht vorstellen, dass Dardai „jemals einen anderen Verein in der Bundesliga trainieren wird“. Niemand hat mehr Spiele für Hertha bestritten als der Ungar, keiner identifiziert sich so mit dem Verein wie Dardai, der als Spieler ein Angebot der Bayern ausgeschlagen hat. Schon während seiner aktiven Karriere hat er sich beschwert, wenn seine neuen Kollegen nur von Berlin und den fantastischen Möglichkeiten der Stadt schwärmten – und nicht von den hervorragenden Trainingsbedingungen bei Hertha.
Eine solche Biografie stößt bei den Fans naturgemäß auf großen Anklang, aber seitdem Dardai Herthas Profis trainiert, sind seine Popularitätswerte noch einmal deutlich gestiegen. Als Spieler stand er im Schatten der Stars, die sich der Berliner Bundesligist damals noch gönnte. Die großen Individualisten und Publikumslieblinge hießen Sebastian Deisler und Marcelinho. Dardai war eher der Handwerker, der die Leinwand grundieren durfte, auf der dann die Künstler ihre Pässe wie Pinselstriche warfen und sich verewigten.
„Viele kleine Diener“
Dardai war defensiver Mittelfeldspieler. Auf dieser Position benötigt man eine tiefere Einsicht in die Funktionsweise des Spiels. Ohne seine Erfahrung als Spieler wäre der Trainer Dardai undenkbar. Das, was seine Spieler erleben, hat er selbst auch erlebt. Dadurch besitzt er eine hohe Glaubwürdigkeit. „Er trifft die Worte, die wichtig sind – und auch den richtigen Ton“, sagt Rainer Widmayer. „Er hat ein sehr gutes Bauchgefühl.“
So wird Dardai auch von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Als Bauchmensch und Mann der Praxis, während Widmayer eher für den theoretischen Überbau zuständig ist. Aber so klar getrennt sind die Dinge nicht. Dardai weiß genau, was er will. Bevor er Widmayer vor zwei Jahren zu seinem Co-Trainer machte, hat er zu ihm gesagt, er solle sich erst einmal ein paar Tage lang anschauen, wie und mit welchen Methoden er, Dardai, arbeite. Wenn das für ihn nicht okay sei, werde es keine Zusammenarbeit geben können. Und nun hält Dardai auch Hertha zusammen, auf dass der Klub bei aller Transformation nicht aus der Balance kippt. Dabei hat er eine Mannschaft nach klassischen Tugenden geformt. Künstler und große Individualisten kann der Verein sich nicht leisten, das Kollektiv soll’s richten. „Wir haben viele kleine Diener“, sagt Dardai, „jeder erledigt seine Aufgabe mit Fleiß.“