Als Kind feuerte er Everton auf der Tribüne an, dann spielte er 26 Jahre für den Klub: Tony Hibbert erzählt von seiner ewigen Treue und den Tagen mit Gazza, Rooney und Gerrard.
In Deutschland gibt es das Sprichwort: „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land.“ Glauben Sie, dass die Funktionäre bei Everton beispielsweise bei Vertragsgesprächen gedacht haben: „Ach, Tony, der bleibt sowieso hier.“
Nein, ich habe Everton immer respektiert – und Everton mich. Ich glaube nicht, dass sie mich bei Vertragsgesprächen mal hochgenommen haben. Sie haben mich und meinen Einsatz nie als selbstverständlich angesehen. (Lacht.) Das glaube ich zumindest.
Kennen Sie nach all den Jahren im Verein eigentlich auch den Postboten beim Namen?
Es heißt, ich wäre ein Teil der Möbel bei Everton, aber seinen Namen kenne ich leider nicht.
Wie würden Sie den Klub einem Fremden erklären?
Zunächst einmal würde ich von den Fans erzählen. Es ist hart, sie für sich zu gewinnen. Du kannst alle Tricks dieser Welt beherrschen, der schnellste Spieler sein, das bringt dir erst einmal nicht viel. Solange du ihnen nicht zeigen kannst, dass du für sie arbeitest und ihr Trikot mit Stolz trägst, machen sie dich runter, sie buhen dich aus. Du musst alles geben, nicht mehr und nicht weniger. Dann erst würde ich in die Historie gehen und darüber erzählen, was Everton alles erreicht und gewonnen hat. Aber noch mal: Das Wichtigste hier sind die Fans.
Wann haben Sie persönlich die Fans für sich gewonnen?
Ich weiß nicht so recht. Eigentlich musste ich mich jedes Spiel aufs Neue beweisen. Die Leute hier halten mit ihrer Kritik nicht hinter dem Berg zurück. Wenn du schlecht gespielt hast, sagen sie dir das ins Gesicht – das war auch bei mir so. Da spielt es keine Rolle, dass ich von hier stamme. Die Fans zahlen einen großen Preis dafür, die Spiele zu sehen. Sie haben also jedes Recht dazu, dir auf die Finger zu hauen.
Sie spielten über eine Dekade lang für Everton. Wer war der beste Spieler, den Sie hier erlebt haben?
Es war großartig, mit Paul Gascoigne zusammen zu spielen. Auch wenn er damals schon seinen Höhepunkt hinter sich hatte. Er war immer noch ein Genie am Ball, einfach unglaublich. Und vor allem außerhalb des Platzes der netteste Typ, den du dir vorstellen kannst. Die Leute verstehen einfach nicht, wie nett er tatsächlich war. Vielleicht hat diese Eigenschaft zu seinem tiefen Fall beigetragen, weil er zu gutmütig und gutgläubig war. Er hätte dir alles geschenkt, was er hat, um dir eine Freude zu machen. Außerdem war Big Fergie (Duncan Ferguson, die Red.) unglaublich am Ball, David Ginola, Wayne Rooney – diese Jungs habe ich gesehen und war vom ersten Moment an von den Socken.
Haben Sie echte Freundschaften während Ihrer Karriere geschlossen?
Leon Osman und ich sind zusammen aufgewachsen und haben gemeinsam den Durchbruch geschafft – also sind wir immer in Kontakt geblieben. Unsere Familien kennen sich gut. Wir sind schon echte Freunde. Doch im Fußball gibt es ein ständiges Kommen und Gehen, deswegen ist diese besondere Verbindung zueinander sehr selten.
Ihr Ende bei Everton soll nicht gerade angenehm verlaufen sein. Sie und Osman erfuhren von Ihrem Vertragsende angeblich durch eine Meldung auf der Homepage.
Roberto Martinez war damals der Trainer. Er wollte sich um alle Verträge im Sommer kümmern, er verschob es immer wieder – und wurde dann entlassen. Also gab es in dieser Zeit eine Lücke im Verantwortungsbereich, um es mal so zu sagen. Niemand vom Klub sprach mit mir und Osman. Meine Frau rief mich an und erzählte mir von dieser Meldung im Internet. Ich muss sagen: Das hat mich sehr traurig gemacht. Keiner konnte mir eine Antwort geben, was mit mir passieren würde. Ende Juni fand ich also heraus, dass mich niemand mehr wollte. Ich hatte nicht mal mehr die Chance, mich zu verabschieden. Wenn man mir sechs Wochen vorher gesagt hätte, dass mein Vertrag nicht verlängert werden würde, dann hätte ich gesagt: „Ok, das war’s.“ Und hätte jedem im Verein die Hand geschüttelt.
Gab es danach Pläne, dass Sie noch einmal für den Klub arbeiten?
Nein, auch darüber hat niemand mit mir gesprochen.
Heute fischen Sie also nur noch?
Ja, ich habe ein altes Haus an einem See in Frankreich gepachtet. Dort kann ich wunderbar angeln. Leider war ich seit dem vergangenen Sommer nicht mehr drüben. In Deutschland ist das Fischen auch beliebt, oder?
Oh ja, sehr.
Ich muss mal nach Deutschland kommen zum Fischen. Bei euch soll man wunderbar Karpfen fangen können. Dann habe ich noch etwas vor.
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