Im Juli wird Oscar Wendt Borussia Mönchengladbach verlassen – nach zehn Jahren und mehr als 300 Spielen. Wie fühlt sich ein Fußballer als lebende Legende? Der Schwede über unvergessliche Momente, Trainingsweltmeister Juan Arango und pöbelnde Fans.
Im Sommer kehren Sie nach Göteborg zurück. Weil Sie Heimweh bekommen haben?
Heimweh ist nicht das richtige Wort. Meiner Frau und mir war immer klar, dass wir eines Tages nach Schweden zurückziehen. Es ist halt unsere Heimat – unsere Familien wohnen dort, Großeltern, Cousins und Freunde. Wir haben also nicht direkt Heimweh gehabt, es war nur eine Frage der Zeit, wann wir zurückgehen. Nun ist der Moment gekommen, sowohl für mich als auch für meine Familie.
Beim IFK Göteborg werden Sie vielleicht mit Marek Hamšík zusammenspielen.
(Lacht) Ich war wahrscheinlich genau so überrascht wie alle anderen, als die Nachricht kam. Aber da in Schweden aufgrund der klimatischen Bedingungen von Frühling bis Herbst gespielt wird, ist auch das Transferfenster dort länger offen. Und so war Schweden für Hamsik am Ende eine von nur noch zwei Optionen, einen neuen Verein zu finden. So oder so ist es sehr cool für den schwedischen Fußball, dass ein derart starker Spieler für den IFK Göteborg auflaufen wird.
Auch Marcus Berg (früher unter anderem beim HSV, d. Red.) wechselt im Sommer nach Göteborg zurück…
Mackan und ich sind sehr, sehr gute Freunde. Am Anfang unserer Karriere wurden wir gleichzeitig in Göteborgs A‑Mannschaft befördert. Das ist fast 20 Jahre her, wir sind aber seitdem gute Freunde geblieben. Es ist erfreulich, dass wir jetzt noch einmal zusammenspielen dürfen und dass so der Kreis quasi geschlossen wird.
Blicken wir mal zurück auf die vergangenen zehn Jahre: Was war Ihr bester Moment im Gladbach-Trikot?
Wow, davon gibt es viele! Mein Debüt natürlich, mein erstes Heimspiel, als ich vor den Fans im Borussia-Park ran durfte, sind Höhepunkte. Ich würde auch das Spiel, bei dem wir uns das erste Mal für die Champions League qualifiziert haben, erwähnen. Das war auswärts in Bremen, wir gewannen mit 2:0 und haben uns dadurch Platz Drei gesichert, das war ein sehr großer Moment (2014÷15, d. Red.). Dann natürlich auch das erste Champions-League-Heimspiel im Borussia-Park, gegen Manchester City: die Stimmung, ein unbeschreibliches Tor von Lars Stindl zum 1:0 (Gladbach verlor noch mit 1:2, d. Red), das werde ich nie vergessen. Es gibt noch mehr Momente, aber das sind die für mich bedeutendsten.
Wie geht man eigentlich mit dem Druck um, wenn man Champions League spielt?
(Überlegt) Es war und ist bei jedem Heimspiel eine tolle Stimmung im Borussia-Park, aber die Champions-League-Abende sind ohne Zweifel was besonderes. Man ist voller Adrenalin, man hat ja Jahre auf das Ziel hin gearbeitet, es geht alles fast automatisch, man steigert sich völlig rein, man wird von der Stimmung getragen. Deshalb ist es nicht schwer, den Fokus zu behalten, würde ich sagen. Die Gefahr ist eher, dass es in die andere Richtung kippen kann, dass man zu motiviert, zu heiß auf das Spiel ist. Aber wie gesagt: Man hat viel durchgestanden, insofern ist es eigentlich nur schön.
„Dann hat er sich den Ball geschnappt und ihn innerhalb von 15 Sekunden dreimal in den Winkel gehämmert“
Wer war Ihr bester Mitspieler in Gladbach?
Ich hatte die Ehre, mit so vielen guten Spielern zu spielen, da ist es unmöglich, nur einen zu wählen.
Dann probieren wir es anders: Wer hat Ihnen die meisten Probleme im Training bereitet?
Oh, wow, auch fast unmöglich! So viele Mitspieler, so viele unterschiedliche Stärken! Einige sind oder waren gut im Eins-gegen-Eins, dann gab es Jungs wie Juan Arango: Im Training stand er manchmal nur da, hat ein bisschen gelächelt und es ganz entspannt genommen. Und dann hat er plötzlich gedacht: „Jetzt reicht’s mir! Jetzt gewinnen wir!“ Dann hat er sich den Ball geschnappt und ihn innerhalb von 15 Sekunden dreimal in den Winkel gehämmert. Jeder, der Arango mal spielen gesehen hat, weiß ja, wie verdammt gut er mit seinem linken Fuß schießen konnte. Naja, danach war die Einheit in der Regel auch vorbei.
Und wer war Ihr bester Gegenspieler?
Auch das ist schwer zu sagen. In der Saison, in der Bayern München das Tripel gewonnen hat und Arjen Robben und Franck Ribéry auf den Flügeln gespielt und und immer mal wieder die Seiten gewechselt haben, da war es als Außenverteidiger wirklich hart.
Sie sind fast nie verletzt gewesen. Warum?
Gute Frage, keine Ahnung! Etwas Glück, würde ich sagen. Zudem versuche ich alles, was ich tue, so genau wie möglich durchzuführen: Mit Entspannungsübungen und dem Schlafen, mit dem Training und dem Essen. Nichts bleibt dem Zufall überlassen, ich bleibe bei allem professionell.
Sind Sie Veganer oder Vegetarianer?
Nein, das bin ich nicht.