Im Juli wird Oscar Wendt Borussia Mönchengladbach verlassen – nach zehn Jahren und mehr als 300 Spielen. Wie fühlt sich ein Fußballer als lebende Legende? Der Schwede über unvergessliche Momente, Trainingsweltmeister Juan Arango und pöbelnde Fans.
Oscar Wendt, Sie haben zehn Jahre für die Borussia gespielt. Eine Ewigkeit im modernen Fußball.
Ich bin sehr froh und stolz darüber, dass ich einen Verein wie Borussia Mönchengladbach so lange repräsentieren durfte und immer noch darf. Hier habe ich mich immer sehr wohl gefühlt. Die Reise der letzten zehn Jahre und die Entwicklung der Mannschaft waren einfach unglaublich. Es war der Hammer.
Was hat sich in den vergangenen Jahren verändert?
Der Kader ist größer geworden – und die Qualität auch. Natürlich spielen wir heute auch eine andere Art vom Fußball als damals. Zudem ist die Erwartungshaltung gestiegen.
In all den Jahren haben Sie auch zig verschiedene Trainer erlebt. Zum Beispiel Lucien Favre, der in Gladbach noch immer verehrt wird. Was lief unter ihm anders als unter Marco Rose?
(Überlegt) Mit der Abwehr stehen wir heute viel höher als unter Lucien. Wir haben eine höhere Ausgangsposition, wir pressen häufiger und früher, wir versuchen den Ball früher zurück zu gewinnen. Offensiv sind die Unterschiede zwar nicht so groß, aber wir spielen etwas vertikaler als damals. Früher haben wir den Ball etwas länger im Team gehalten um die Angriffe aufzubauen, heute attackieren wir direkter und mit mehr Geschwindigkeit und Wucht. Dazu muss ich allerdings eine Sache sagen: Ich finde, dass der Fußball, den wir unter Lucien Favre gespielt haben, voll zu den Spielern passte, die wir damals hatten. Und dass gleichwohl die Art, wie wir heute spielen, voll zu den Spielern passt, die jetzt hier sind.
Wie war es bei André Schubert oder Dieter Hecking?
Meiner Meinung nach waren alle Trainer auf ihrer eigene Art und Weise gut. André Schubert zum Beispiel übernahm die Mannschaft in einer chaotischen Zeit. Damals hatten wir die fünf ersten Saisonspiele verloren – und dann haben wir die nächsten acht gewonnen. Er hat uns schnell seine Spielidee eingeprägt. Bei Dieter Hecking – alle, die den Fußball in Deutschland kennen, wissen, wie erfahren er ist – war es genauso: Wir brauchten Stabilität, um ein paar Sachen wieder unter Kontrolle zu bringen, und genau das hat er auch super gemacht. Meiner Meinung nach haben alle Trainer hier gute Phasen gehabt.
Wie lief es eigentlich ab, als Sie 2011 nach Gladbach kamen? Hatte der Verein schon länger Interesse an Ihnen?
Das ging alles relativ schnell. Ich wusste, dass sie mich auf dem Radar hatten, als ich in Kopenhagen spielte. Während einer Länderspielpause traf ich mich dann mit Max Eberl und Steffen Korell (Gladbachs Sportdirektor und Teamkoordinator, d. Red). Sie erklärten mir, was mich in Gladbach erwarten und wie ich in die Mannschaft passen würde und welche Pläne sie für die Zukunft des Teams hatten. Danach dachte ich: Das fühlt sich genau richtig an, ich möchte dorthin wechseln und Teil dieses Teams werden. Die Entscheidung, zur Borussia zu wechseln, hat sich für mich also von Anfang an richtig angefühlt.
„Das war die Herausforderung, die ich haben wollte“
Wie war die fußballerische Umstellung? Sie hatten zuvor immer in Skandinavien gespielt.
Ich hatte zuvor fünf Jahre beim FC Kopenhagen gespielt, wir hatten damals eine richtig gute Mannschaft. In den fünf Jahren dominierten wir die dänische Liga und spielten stets international. Wir konnten uns also regelmäßig mit den besten messen. Trotzdem war es vom Niveau her ein Unterschied und was anderes, als ich in die Bundesliga kam. Doch das war die Herausforderung, die ich haben wollte: Ich wollte mich als Fußballer und als Mensch weiterentwickeln. In Deutschland konnte ich jede Woche richtig schwere Spiele in ausverkauften Stadien spielen. Danach hatte ich gelechzt und davon hatte ich seit meiner Kindheit geträumt. Von daher war das nur positiv.
Sie hatten also schon als Kind davon geträumt, Profi zu werden?
Ja, das war immer mein Traum und ich habe mein ganzes Leben daraufhin gearbeitet.
Sie kamen früh in die Jugendakademie des IFK Göteborg.
Ach, ganz so früh war es gar nicht. Ich spielte in der schwedischen dritten Liga, bis ich 17 Jahre alt war. Dann wurde ich in die U23-Mannschaft von IFK Göteborg geholt. Da spielte ich aber nur zweieinhalb Monate, ehe ich in die erste Mannschaft befördert wurde. Allein der Schritt war für mich ein Traum, Göteborg war schon immer meine Mannschaft in Schweden.
Ihre Jugendzeit war also stets vom Fußball geprägt?
Ja, mein Leben hat sich immer um den Fußball gedreht. Ich habe immer versucht, so viel wie möglich zu tun, um mich zu verbessern und es so weit zu schaffen. Ich habe meine ganze Zeit und Kraft investiert, um da anzukommen, wo ich heute bin. Mit den Jahren sind dann auch andere, vielleicht sogar wichtigere Sachen dazugekommen – Familie und Kinder usw. – aber der Fußball war für mich lange die Nummer eins.
Wie lässt sich die Rolle als Fußballprofi mit der als Familienvater kombinieren?
Gut, die Kombination ist sehr cool! Natürlich kann es manchmal auch herausfordernd sein, wir sind ja viel unterwegs, vor allem, wenn wir international spielen, dann reisen wir viel und verbringen viele Nächte im Hotel. Aber ich will mich nicht beschweren. Als Fußballprofi habe ich ein wunderbares Leben, für das ich sehr dankbar bin. Gleichzeitig profitieren wir alle davon, also nicht nur ich, sondern auch meine Frau und meine Kinder. Sie finden es – auch wenn es zur Zeit leider nicht mehr möglich ist – immer wunderschön, im Stadion dabei zu sein, die Stimmung im Borussia-Park mitzuerleben, die Lieder zu singen, über die Tribüne zu hüpfen, die Mannschaft anzufeuern. So gesehen ist das nur positiv.