Noussair Mazraoui wechselt zum FC Bayern München. Der Rechtsverteidiger gilt als neuer Hoffnungsträger in der Bayern-Defensive. Doch Moment: Wer?
Manchmal kommt ein Wendepunkt ganz unverhofft und unerwartet. Bei Harry Potter zum Beispiel, wo sich gegen Ende der Reihe herausstellt, dass Severus Snape doch einer von den Guten ist. Oder beim Engländer Michael Smith, der sich bei einem Radfahrunfall beide Beine brach, deshalb mit dem Darts begann und in diesem Sport heute zu den Besten der Welt zählt. Oder eben bei Noussair Mazraoui, der einst als mittelmäßig begabter Spieler der zweiten Mannschaft von Ajax Amsterdam galt, bis ihm urplötzlich ein Spiel gegen den großen FC Bayern zum Durchbruch verhalf. Und in diesem Fall ist auch das inflationär verwendete Wort „ausgerechnet“ angemessen: Ausgerechnet gegen den Verein, dem sich Mazraoui im kommenden Transferfenster anschließt. Er gilt als fehlendes Puzzleteil in der Bayern-Defensive und absoluter Wunschspieler Julian Nagelsmanns. Doch warum?
Seit 2006 spielt Mazraoui, der 1997 im niederländischen Leiderdorp geboren wurde und dessen Eltern einst aus Marokko eingewandert waren, in den Jugendmannschaften von Ajax Amsterdam. In der ruhmreichen Akademie ist er umgeben von Supertalenten, spielt beispielsweise in einem Jahrgang mit Barcelonas Frenkie De Jong, und schafft es Jahr für Jahr aufs Neue, nicht durch das Raster zu fallen. In der Ajax-Akademie hat er vor allem mit körperlichen Defiziten zu kämpfen, in spielerischer Hinsicht steht er den Hochbegabten um sich herum allerdings in Nichts nach. Doch je näher der Profibereich rückt, desto mehr scheint Mazraoui abzufallen und den Anschluss zu verlieren. Im Alter von 17 Jahren steht seine Zukunft bei Ajax Amsterdam erstmals auf der Kippe, doch Jugendtrainer Marcel Keizer setzt sich für seinen Schützling ein, sodass er doch noch das letzte Jugendjahr in der Akademie bestreiten darf. Eine Weltkarriere scheint in diesem Moment allerdings nur schwer vorstellbar. In diese Kerbe schlägt auch der niederländische Journalist Chris Meijer in einem Interview mit „Goal Deutschland“: „Im Vergleich zu Spielern wie Donny van de Beek, Matthijs de Light oder Frankie de Jong war Mazraoui nicht das größte Talent in der Jugend. Er konnte zwar als Außenverteidiger, Flügelspieler und auch als zentraler Mittelfeldspieler spielen, war aber auf keiner dieser Positionen unumstritten.“
Auch der Übergang in den Profibereich gestaltet sich bei Mazraoui schleppend. 2016 erhält er als einziger Spieler der zweiten Mannschaft keinen neuen Vertrag. Laut Meijer sei er lediglich Teil der Mannschaft geblieben, da die Ajax-Reserve noch mehr Spieler benötigte. Das ändert sich, als Marcel Keizer die Mannschaft übernimmt. Er baut auf Mazraoui, und der zahlt es ihm mit starken Leistungen zurück. Keizer etabliert ihn fest auf der Rechtsverteidigerposition, das ständige Hin und her hat für den damals 19-Jährigen ein Ende. Im Sommer 2017 folgt dann der nächste Schritt für Mazraoui: Keizer wird kurzzeitig Cheftrainer der Profimannschaft – und nimmt seinen Schützling mit. Auch deshalb sagt Mazraoui heute über seinen Förderer: „Ich bin ihm sehr dankbar. Wegen seiner Unterstützung habe ich die Mauer aus Zweifeln durchbrochen. Er hat immer an mich geglaubt.“ Als Dank schenkt der Außenverteidiger seinem Trainer nach seinem Profi-Debüt einen Kuchen – ein Symbol einer engen Trainer-Spielerbeziehung. Im Sommer 2018 ist Keizer als Ajax-Trainer Geschichte, Erik Ten Hag hat das Ruder übernommen. Und Mazraoui steht mal wieder auf dem Abstellgleis. Bis zu jenem Tag im Oktober 2018: dem Spiel gegen den FC Bayern.