Weil er in Zivil auf den Platz stürmte und seinen alten Widersacher schubste, wurde Osnabrücks Tom Merkens von diversen Medien der „Rache“ bezichtigt. VfL-Geschäftsführer Jürgen Wehlend sagt: „Das war nicht der Fall.“
Jürgen Wehlend, was ist am Mittwochabend Ihrer Meinung nach genau passiert?
Ich hatte jetzt den ganzen Tag lang Zeit, verschiedene Bewegtbilder und Fotos auszuwerten (das Interview fand am Donnerstag-Nachmittag statt, d. Red.) und denke, dass ich mir damit eine sehr gute Übersicht verschaffen konnte. Dazu muss man wissen, dass sich unsere verletzten Spieler bei Heimspielen auf Sitzplätzen direkt hinter der Trainerbank aufhalten. Sie haben einen Ausweis, der sie dazu berechtigt, den Rasen betreten zu dürfen, damit sie nach dem Schlusspfiff zum obligatorischen Mannschaftskreis kommen können.
Dort saß dann sicherlich auch der immer noch verletzte Tom Merkens?
Exakt. Tom wagt gerade seinen zweiten Comebackversuch, dem Jungen geht es nicht wirklich gut. Nach dem 1:0 durch Marcos Alvarez in der siebten Minute rannten die Spieler vor die Tribüne, hielten ein Trikot von Tom in die Höhe und widmeten ihm den Treffer. Nach unserem Eigentor durch Tobias Willers zum 1:2 in der 90. Minute sieht man auf den Bildern, wie Münsters Amaury Bischoff vor unsere Kurve rennt, mit seinen Daumen auf seinen Namen zeigt und anschließend die Finger Richtung Himmel streckt. Das gibt normalerweise die Gelbe Karte wegen Unsportlichkeit.
Werten Sie das als Provokation von Bischoff?
Nötig war es in dieser Situation und mit dieser Vorgeschichte jedenfalls nicht.
Was passierte nach dem späten Ausgleich durch Halil Savran?
Schiedsrichter Dankert pfiff direkt ab, Halil war da schon auf dem Weg über die Bande in die Fankurve. Als er gerade wieder auf den Rasen sprang, sieht man auf den TV-Bildern, wie Tom an der Seitenlinie auf ihn zuläuft, um mit ihm zu feiern. Weil Halil aber den Weg Richtung Amaury Bischoff sucht, um ihm ein paar Takte wegen seiner Aktion nach dem 1:2 zu sagen, kürzt Tom seinen Laufweg über den Rasen ab, was er ja im Grunde genommen darf, schließlich hat die besagte offizielle Erlaubnis dafür, und das Spiel ist beendet.
Auf den Bildern sieht man, wie Merkens direkt auf Bischoff zustürmt und ihn heftig schubst. Ihr Trainer Joe Enochs sagte dazu kurz nach der Partie: „Spieler, die nicht im Kader stehen, haben auf dem Platz nichts verloren.“ Was hatte Merkens dort also verloren?
Eigentlich wollte er ja mit seinem Kollegen jubeln, dann veränderte sich die Lage. Und da haben wir eine typische Situation im Fußball: Hochemotionale Phase, Spieler redet auf Gegenspieler ein, es entsteht ein kleines Rudel, ein Spieler – in diesem Fall Tom – schubst einen Konkurrenten.
Ein Racheakt?
Nein. Das war nicht der Fall. Das glauben wir nicht, und das hat uns Tom auch sehr überzeugend bestätigt. Wir glauben ihm. Was nichts daran ändert, dass er in der Tat in dieser Situation nicht auf dem Rasen hätte sein sollen und schon gar nicht Amaury Bischoff schubsen müssen.
Bischoff wurde anschließend auf dem Rasen behandelt.
Vielleicht ist er unglücklich gestürzt, das weiß ich nicht. An diesem Schubser kann es nicht gelegen haben.
Muss Tom Merkens jetzt mit einer Strafe rechnen?
Vom Verein wird es eine disziplinarische Maßnahme geben, das hat er auch akzeptiert.
Wie wird diese Maßnahme aussehen?
Dazu geben wir generell keine Auskunft.
Der DFB hat aufgrund dieser Szene Ermittlungen eingeleitet. Befürchten Sie eine Strafe?
Ich gehe davon aus, dass der DFB Tom sperren wird. Aber eine Strafe für den Verein kann ich mir nicht vorstellen.
Die Polizei hat Ermittlungen gegen Tom Merkens wegen Körperverletzung aufgenommen. Muss er auch von dieser Seit aus mit einer Strafe rechnen?
Ich denke nein. Dabei geht es um den Anfangsverdacht der Körperverletzung, dem die Polizei aufgrund des sogenannten öffentlichen Interesses nachgehen muss. Was folgt, ist die Anhörung beider Parteien. Da keine Körperverletzung vorliegt, wird das Ermittlungsverfahren sehr wahrscheinlich eingestellt bzw. die Anzeige der Polizei fallengelassen wird. Dennoch muss sie so agieren.