Die Uefa hat im Alleingang die Durchführung der Nations League beschlossen. Das sorgt für viel Skepsis und deutliche Kritik. Wie sinnvoll ist dieses Projekt wirklich?
Man kann Uefa-Präsident Michel Platini sicherlich eine ganze Menge vorwerfen. Aber dass dem Mann die Ideen ausgehen, ganz sicher nicht. 2016 werden 24, statt der bislang üblichen 16 Teams an der Europameisterschaft teilnehmen. Vier Jahre später wird das kontinentale Turnier erstmals in verschiedenen Metropolen ausgetragen. Und jüngst hat der Verband eine Resolution gegen Spielmanipulation durchgesetzt. Jetzt hat Platini samt Gefolge ein weiteres Großprojekt durchgeboxt: die Nations League.
„Ohne Vorankündigung beschlossen“
2018 soll die Nationenliga erstmals ausgetragen werden. Es ist eine Mischung aus Qualifikation und Turnier. Die Mitgliedsländer der Uefa werden in die Divisionen A bis D aufgeteilt, in Division A spielen die Teams mit dem besten Länderkoeffizienten, in Division D die mit dem schlechtesten Ergebnis. Jede Division soll drei oder vier Untergruppen haben, in vier bis sechs Partien ermitteln die Mannschaften zwischen September und November 2018 ihre Gruppensieger. Der Nations-League-Sieger soll dann bei einem Final-Four-Turnier 2019 ermittelt werden. Dafür qualifiziert sind lediglich die vier Gruppensieger aus Division A. In den anderen Divisionen geht es um Ab- bzw. Aufstieg.
Der Clou: Der Sieger jeder Division qualifiziert sich direkt für die Europameisterschaft 2020. Die 20 übrigen Startplätze werden weiterhin durch die zusätzlich durchgeführte EM-Qualifikation ermittelt werden. Ist der jeweilige Divisionssieger bereits für die Euro qualifiziert, rückt der Zweitplatzierte nach und so weiter.
Ein relativ komplexes Konstrukt, das in Deutschland Vorrang Skepsis und Kritik erntet. Liga-Präsident Reinhard Rauball zeigte sich irritiert, ob des Alleingangs des Verbandes: „Wir sind sehr überrascht, dass dieses Thema ohne Vorankündigung auf die Tagesordnung gekommen ist und ein so weitreichender Beschluss gefasst wurde.“ Im Klartext: Warum hat uns eigentlich keiner gefragt? Ein berechtigter Einwand, leiden unter zusätzlichen Abstellungen für die Nationalmannschaften vorrangig die Vereine. „Zusätzliche Belastungen seien Spielern und Vereinen nicht zumutbar“, betonte auch Rauball. Allerdings, so hat die Uefa bereits beschwichtigt, sollen im Gegenzug nahezu alle Freundschaftsländerspiele wegfallen, einer erhöhte Belastung sei daher nicht zu erwarten.
Wie ist die Nations League, abgesehen von der mangelhaften Kommunikation zwischen Uefa und den Verbänden, zu bewerten? Für Michel Platini gibt es, wenig überraschend, nur Gewinner. Die Top-Teams in Europa würden regelmäßig Spiele gegen attraktive Gegner bestreiten, was nicht nur wettbewerbsverstärkend sei, sondern sich auch noch wunderbar vermarkten lasse. Schwächere Nationen hätten durch das Gruppensiegerprinzip eine bessere Chance, sich für die Europameisterschaft zu qualifizieren.
Das mag alles stimmen. Gründe für eine kritische Betrachtung gibt es allerdings zu Genüge. Wenn die Partien innerhalb der Nations League in Zukunft Freundschaftsspiele ablösen sollen, was wird dann aus Test-Begegnungen zwischen Mannschaften verschiedener Kontinentalverbände? Ein Freundschaftsspiel wie das der Deutschen gegen Chile wird es dann vermutlich allein aus Zeitgründen nicht mehr geben. Bayern-Präsident Karl-Heinz Rummenigge hat sich zwar bereits positiv dazu geäußert, weil „unsere Spieler nicht mehr für Freundschaftsspiele um die Welt reisen müssen“, dem Zuschauer bleiben solch interessante Paarungen aber versagt.
Die Mehrfachbelastung wird es geben
Gleichzeitig erhöht sich – trotz der Uefa-Beschwichtigung – die Belastung für die Spieler. Wenn Freundschaftsspiele plötzlich zu einem Wettbewerb ummodelliert werden, hat das Folgen für die Fußballer. Bislang konnte sich ein Bastian Schweinsteiger erlauben, wegen einer vergleichsweise harmlosen Verletzung auf ein Testspiel zu verzichten, um sich zu schonen. Wenn es in Zukunft um Qualifikation und Abstieg geht, ist die Schonzeit vorbei. Ein Spitzenspieler wie Schweinsteiger spielt dann zu Höchstzeiten in fünf verschiedenen Wettbewerben: Nationale Liga, nationaler Pokal, Europapokal, EM-Qualifikation und Nations League. Bleibt nur zu hoffen, dass die Spieler bei dieser Flut an Punktspielen nicht irgendwann die Übersicht verlieren.
Und zu guter Letzt darf die Frage erlaubt sein, welche Rolle die Nations League in Bezug auf die Bewerbung Platinis zum Fifa-Präsidenten 2015 spielt. Zwar hat der Uefa-Boss verlautbaren lassen, die Entscheidung über eine mögliche Kandidatur erst im Sommer bekannt zu geben, seine Bewerbung gilt aber als so gut wie sicher. „Eine starke Nachricht an die gesamte Fußballerfamilie“, hat Michel Platini sein neuestes Werk zusammengefasst. So spricht ein zukünftiges Familienoberhaupt.