Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Das Ganze liegt schon zehn Jahre zurück. Henry May war damals erst 24 Jahre alt und gänz­lich uner­fahren auf dem diplo­ma­ti­schen Par­kett. Wir waren in die wun­der­schöne Resi­denz des bri­ti­schen Bot­schaf­ters in Buenos Aires ein­ge­laden und wurden gelobt als gutes Bei­spiel, wie bri­ti­sche und argen­ti­ni­sche Men­schen zusam­men­finden können“, erzählte Henry kürz­lich der Daily Mail. Wir, das waren Henry May und seine Mit­spieler vom Huracan FC, einem Lon­doner Hob­by­liga-Team, das seine Spiele all­sonn­täg­lich auf einer mat­schigen Wiese in einem öffent­li­chen Park aus­trägt. Selten vor mehr als acht Schau­lus­tigen.

Wenige Tage vor dem Bot­schafts-Emp­fang aber waren die Jungs im gewal­tigen Estadio Tomas Adolfo Duco des argen­ti­ni­schen Erst­li­gisten CA Huracan ange­treten – vor 35.000 Zuschauern. Gegner war die 2. Mann­schaft des Pro­fi­klubs, die den Eng­län­dern net­ter­weise einen voll aus­trai­nierten Tor­wart zur Ver­fü­gung gestellt hatte. So ver­loren Henry und die Jungs nur mit 3:0 – und gewannen Zehn­tau­sende argen­ti­ni­scher Herzen. Groß­bri­tan­niens Bot­schafter erwog sogar, die Hob­by­ki­cker auf die Falk­land-Inseln fliegen zu lassen – für ein Freund­schafts­spiel gegen eine argen­ti­ni­sche Mann­schaft, zum Zei­chen der Ver­söh­nung. Das wurde damals wirk­lich dis­ku­tiert“, bestä­tigte Henry.

Ich erzählte meinen künf­tigen Mit­spie­lern die kom­plette Geschichte von Huracan“

Eng­land und Argen­ti­nien sind ver­bunden durch eine bri­sante gemein­same Geschichte. Die bekann­testen Kapitel sind der Falk­land­krieg 1982 und Diego Mara­donas Rache bei der WM 1986 („Die Hand Gottes“). Viele ältere Briten und Argen­ti­nier pflegen bis heute eine herz­liche gegen­sei­tige Abnei­gung, spe­ziell wenn die Falk­land-Frage zur Sprache kommt: Die Insel­gruppe vor der Süd­spitze Argen­ti­niens ist bri­ti­sches Über­see­ge­biet, wird jedoch auch von den Süd­ame­ri­ka­nern bean­sprucht. Als es zum Krieg kam, weil argen­ti­ni­sche Truppen die Inseln besetzt hatten, starben 649 Argen­ti­nier und 258 Briten.

Doch zum Glück gibt es Jungs wie Henry May, der bewiesen hat: Auch eine Schnaps­idee kann einen veri­ta­blen Bei­trag zum Welt­frieden leisten. Der unbe­küm­merte Blond­schopf grün­dete 2009 in einem Pub den Huracan FC London, benannt nach dem großen alten CA Huracan aus Buenos Aires, den Henry im Jahr zuvor wäh­rend eines Stu­di­en­auf­ent­halts in Argen­ti­nien kennen und lieben gelernt hatte. Ich erzählte meinen künf­tigen Mit­spie­lern die kom­plette Geschichte von Huracan und fragte: Warum benennen wir uns nicht ein­fach nach denen?‘ Es klang ein biss­chen exo­tisch, aber die Jungs sagten: Okay.“

-

Dass der kleine Huracan FC auch in Argen­ti­nien bekannt wurde, ist einem gewal­tigen Zufall zu ver­danken. 2010 war Henry wieder einmal nach Buenos Aires geflogen, um den großen CA Huracan im Derby gegen den Erz­ri­valen San Lorenzo zu unter­stützen. Im Sta­dion traf er auf den argen­ti­ni­schen Jour­na­listen Ariel Schv­artzbard, der sich Henrys Geschichte notierte und dem Gast aus Groß­bri­tan­nien emp­fahl, seiner Hob­by­truppe einen Social-Media-Auf­tritt zu gönnen – viel­leicht gäbe es ja den einen oder anderen Argen­ti­nier, der sich für den Huracan FC London inter­es­siere. Zwei Wochen später zählte die neue Face­book-Seite der Hob­by­ki­cker 2.500 Likes aus dem Groß­raum Buenos Aires.

Heute pil­gern all­jähr­lich Dut­zende argen­ti­ni­scher Huracan-Fans in den meist mat­schigen Park in Süd-London, wo die eng­li­schen Hob­by­ki­cker – in der Regel voll­ver­ka­tert – ihre Spiele aus­tragen. Henry konnte das Inter­esse anfangs kaum fassen: Immer wieder schrieben mir die Leute: Hey, ich bin gerade in Europa und habe meine Rei­se­pläne geän­dert, damit ich mir am Sonntag euer Spiel gegen die Mel­fort Eagles anschauen kann.‘ Ich ent­geg­nete: Okay, aber weißt du auch, dass wir nur auf einer Wiese spielen?‘ Sie ant­wor­teten: Ja klar, wir lieben euch trotzdem. Wir kommen auf jeden Fall!‘“

Elf­me­ter­schießen? Nichts für den eng­li­schen Huracan-Ableger

Und so ent­wi­ckelte sich buch­stäb­lich eine trans­at­lan­ti­sche Bewe­gung, ange­trieben durch immer mehr Freund­schaften und Bekannt­schaften – und durch die gemein­same Liebe zum Fuß­ball: Bis heute reist der Huracan FC London alle paar Jahre zu einer Freund­schafts­spiel-Tournee nach Argen­ti­nien, wo man meist gegen CA-Huracan-Fan­clubs antritt. Einmal, im Jahr 2013, trafen Henry und seine Jungs auch auf eine Aus­wahl argen­ti­ni­scher Richter. Die Partie endete 1:1. Im anschlie­ßenden Elf­me­ter­schießen unter­lagen, natür­lich, die Eng­länder. 

Zwei Tage später stand Henry mit zitt­rigen Knien auf einem Podest hinter einem Mikrofon. Vor ihm: 10.000 Zuhörer auf einem rie­sigen Platz, mitten in der argen­ti­ni­schen Haupt­stadt. Zum Glück hatte der Blond­schopf aus London noch etwas Rest­al­kohol im Blut. Und irgendwo da unten, in dieser gewal­tigen Men­schen­menge, standen schließ­lich seine Lads“ aus London. Bloß nicht bla­mieren. Also holte Henry einmal kurz Luft und begann zu reden. Über Argen­ti­nien, über Groß­bri­tan­nien, über den Frieden, die Freund­schaft, den Fuß­ball. Und natür­lich über seine Liebe zu CA Huracan. Das Publikum johlte, schließ­lich bestand es zu 100 Pro­zent aus Huracan-Fans, die sich all­jähr­lich – immer am 1. November – ver­sam­meln, um den Geburtstag ihres Klubs zu feiern.

Henry May lebt heute übri­gens in Kolum­bien. Das hat vor­rangig beruf­liche Gründe, passt ihm aber auch sonst gut in den Kram, ist er doch näher bei seiner großen Liebe. Und wer weiß, viel­leicht lässt sich die Bezie­hung zu CA Huracan ja noch etwas inten­si­vieren: In mir schlum­mert diese ver­rückte Idee, dass ich in 20 Jahren für das Amt des Ver­eins­prä­si­denten kan­di­diere“, so Henry. Das wäre für mich das per­fekte Ende dieser Geschichte.“

-