Für knapp 20 Millionen Euro hat sich Borussia Dortmund die Dienste des italienischen Torjägers Ciro Immobile gesichert. Wer ist der Mann mit dem undankbaren Namen?
Als Fußballer ist ein guter Name nicht von Nachteil. Uwe Seeler sinnierte einst in einem Interview darüber, wie es wohl gewesen wäre, wenn ihn seine Eltern Hans-Peter genannt hätten: „Ob ich dann bei den Fans so beliebt geworden wäre? ›Uwe! Uwe!‹ klingt eben deutlich besser als ›Hans-Peter! Hans-Peter!‹.“
Für Stürmer gilt das ganz besonders. Schließlich sind sie noch immer die populärsten Spieler auf dem Platz. Es gibt Menschen, die einfach Stürmer werden müssen: Weil allein der Name schon verpflichtet. Wie der Norweger Tore André Flo oder der Cottbusser Toralf Konetzke.
Ciro Unbeweglich
Borussia Dortmund hat sich jetzt einen neuen Stürmer gekauft. Er kommt aus Italien, ist 24 Jahre alt, 1,85 Meter groß und war in der vergangenen Saison Torschützenkönig der Serie A. In 33 Ligaspielen gelangen ihm 22 Tore und drei Torvorlagen. Das war dem BVB knapp 20 Millionen Euro wert, teurer waren in der Vereinsgeschichte nur Henrikh Mkhitaryan (26 Millionen) und Marcio Amoroso (25 Millionen). Dortmunds Neuzugang heißt Ciro Immobile. Ciro Unbeweglich. Der arme Kerl.
Witze auf seine Kosten ist Immobile gewohnt. Als er 2011 zum Serie-B-Klub Delfino Pescara wechselte, begrüßte ihn sein neuer Trainer Zdenek Zeman mit den Worten: „Mit deinem Nachnamen wirst du in meiner Mannschaft niemals Mittelstürmer.“ Immobile verstand den Spaß – und schoss seinen Arbeitgeber mit 28 Toren in die Serie A. „Sagen wir es so“, erklärte sich der Torjäger jüngst in der italienischen Tageszeitung „Corriere della Serra“, „ich bin das absolute Gegenteil von meinem Nachnamen. Ausdauernd, schnell und vor allem: sehr beweglich.“
„Der beste junge Angreifer Italiens!“
Qualitäten, die Dortmunds Trainer Jürgen Klopp bei seiner Suche nach einem adäquaten Ersatz für Robert Lewandowski überzeugten. „Das ist eine schöne Kante, er hat die perfekten Maße. Ein richtiges Kraftpaket, einer, der Tore aus allen Lagen macht“, schwärmte Klopp bei der Begrüßung seines Neulings und fügte hinzu: „Er ist es gewohnt, hohen Aufwand zu betreiben.“ Luca Toni, inzwischen für Hellas Verona aktiv und mit 20 Toren Zweiter in der italienischen Torschützenliste der abgelaufenen Saison, stimmte gegenüber „Bild“ in das Loblied ein: „Immobile ist der beste junge Angreifer Italiens. Er passt perfekt zu Dortmund und in die Bundesliga. Er ist schnell, stark – und er läuft mehr als ich.“ Ciro Immobile hat bereits geschickt auf die Aussagen reagiert: „Dortmund ist ein großer Klub und dass ich dafür vorgesehen bin, einen Stürmer wie Lewandowski gleichwertig zu ersetzen, spornt mich nur an.“ Der BVB und Immobile scheinen bereit füreinander zu sein.
Zumal der 24-Jährige, abgesehen von seinem Nachnamen, gute Voraussetzungen für eine große Stürmer-Karriere mitbringt. 1990, wenige Monate vor der WM in Italien, kam Immobile in Torre Annunziata, einer Gemeinde südöstlich von Neapel, zur Welt. Die englische Zeitung „The Telegraph“ wurde in einem kürzlich veröffentlichten Portrait über Immobile nicht müde, Gemeinsamkeiten zwischen ihm und dem 1990er-WM-Helden Toto Schillaci hinzuweisen. Auch Schillaci wurde in der Region Neapel geboren und verdiente sich seine ersten Sporen in der zweiten Liga. Und wie Schillaci schaffte Immobile in nur einer Saison den Sprung vom Nobody zum Nationalspieler. Schillaci wurde damals in letzter Minute für die Squadra Azzurra nominiert und schließlich Torschützenkönig der Weltmeisterschaft. Immobile war noch „vor zehn Monaten sicher kein Kandidat für die National-Elf“, wie es Italiens Auswahlcoach Cesare Prandelli erklärte. Jetzt hat er ihn statt des 30-fachen Nationalspielers Guiseppe Rossi in sein Brasilien-Aufgebot berufen. „Ich hoffe, Ciro kann all die großartigen Dinge erleben, die ich 1990 erfahren durfte“, hat Toto Schillaci dazu gesagt.
Immobile gehörte in Italien gleich zwei Vereinen
Der Transfer zum BVB und die Teilnahme an der WM sind der vorläufige Höhepunkt in Immobiles Karriere. Mit 14 kam er in das Nachwuchsinternat von Juventus Turin, am 14. März 2009 feierte er sein Profi-Debüt für die „Alte Dame“: Als Einwechselspieler für einen anderen großen italienischen Stürmer – Alessandro del Piero. Wirklich glücklich wurde Immobile bei Juve allerdings nicht: In insgesamt sechs Jahren für den Rekordmeister kam er auf gerade mal 40 Einsatzminuten. 2010 lieh ihn Juve erstmals aus. Auf den AC Siena folgte US Grosseto und Delfino Pescara, ehe sich CFC Genua 2012 für vier Millionen Euro 50 Prozent von Immobiles Transferrechten erkaufte. Es wird noch komplizierter: 2013 kaufte Juventus die 50 Prozent für 2,75 Millionen Euro zurück und verkaufte diese für den gleichen Betrag an den Stadtrivalen AC Turin. Weil er dort eine so fantastische Saison spielte, seinen Marktwert drastisch erhöhte und sich auf die Einkaufszettel von diversen europäischen Klubs katapultierte, muss Borussia Dortmund nun jeweils 50 Prozent der Ablösesumme auf die Konten von Juventus und des AC Turin überweisen. Ein Vorgang, so grotesk, dass der italienische Verband jüngst entschied, diese Art von Transferrechte-Aufteilung künftig zu verbieten.
Ciro Immobile hat sich mit einem Abschiedsbrief von seinen Fans in Turin verabschiedet. „Jedes mal, wenn ich euer Trikot trug, fühlte ich mich unbesiegbar“, steht darin. Ein Satz, der den Verantwortlichen von Borussia Dortmund gefallen dürfte. „Er ist ein richtiger Krieger“, hat Jürgen Klopp über seinen Neuzugang geurteilt. Bevor er seine Qualitäten in der Bundesliga unter Beweis stellen kann, fährt Immobile mit Italien zur WM. Auf die deutsche Nationalmannschaft könnte er frühestens im Halbfinale treffen. Bleibt zu hoffen, dass er dann wenigstens einmal seinem Namen alle Ehre macht.