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Arthur Seaton hat als Fabrik­ar­beiter eine harte Woche hinter sich. Einzig die Wochen­enden ver­schaffen ihm Flucht in eine andere Welt. Frau­en­af­fären, Sauf­ge­lage und Fuß­ball natür­lich. Eine Geschichte, wie sie oft in den Fünf­ziger Jahren nie­der­ge­schrieben wurde.



Auch Arthur Seaton ist so eine Roman­figur, er tritt im Buch »Sams­tag­nacht und Sonn­tag­morgen« von Alan Silitoe auf. Was die Geschichte aus heu­tiger Sicht noch einmal beson­ders her­vor­hebt, ist der Verein, dem der Autor seiner Haupt­figur auf den Leib geschrieben hat: Not­tingham County, den ältesten Fuß­ball­club der Welt.

So wie der Prot­ago­nist zwi­schen süßem Leben und Aus­schwei­fungen auf der einen und bit­terer, harter Rea­lität auf der anderen Seite pen­delt, so kann man auch die jün­gere Geschichte von Not­tingham County zusam­men­fassen. Es ist gerade einmal sieben Monate her, da wähnte sich der mitt­ler­weile viert­klas­sige Club an den Fleisch­töpfen des eng­li­schen Fuß­balls. In Not­tingham sollte eine Sage neu geschrieben werden, nicht von Helden in Strumpf­hosen, son­dern in schwarz-weiß gestreiften Tri­kots. Der Club war von der Vision getragen, binnen kür­zester Zeit von der vierten in die erste Liga zurück­zu­kehren. Dahin, wo man zuletzt in der Saison 1991/92 gespielt hatte. Die Hoff­nung trug einen Namen: Sven-Göran Eriksson. Eng­lands ehe­ma­liger Natio­nal­trainer wurde tat­säch­lich über­zeugt, bei Notts County anzu­heuern.


Undurch­sich­tiges Netz

Am ver­gan­genen Freitag gab Eriksson seinen Rück­tritt bekannt. Kein ein­ziger Son­nen­strahl liegt mehr über der Medow Lane. Meh­rere eng­li­sche Zei­tungen sehen den Schul­den­stand des Ver­eins im sie­ben­stel­ligen Bereich. In der letzten Woche wurde der Klub zum zweiten Mal inner­halb weniger Monate ver­kauft – für die sym­bo­li­sche Summe von einem Euro. Was sich um den ältesten Club Eng­lands abspielte, zeigt, welche Risiken die Auf­wei­chung der 50+1‑Regel birgt. Um den Verein herum wurde ein undurch­sich­tiges Netz von Unter­nehmen gewoben, das Notts County nun zum Ver­hängnis wurde. Und Eriksson letzt­end­lich zum Rück­tritt bewegte.

Not­ting­hams Geschäfts­führer Peter Willet ist gleich­zeitig Ver­wal­tungs­rat­mit­glied bei einem Berg­bau­un­ter­nehmen, das in der Schweiz ansässig ist. Bei den Sen­sa­ti­ons­coups des ver­gan­genen Som­mers, als Notts County Eriksson und Sol Camp­bell holte, war das Unter­nehmen betei­ligt.

Camp­bell sollte laut meh­rerer Berichte eng­li­scher Tages­zei­tungen »Bot­schafter« des Unter­neh­mens in Süd­afrika werden. Dort inter­es­siert sich die Firma für einige Koh­le­kraft­werke. Eriksson wie­derum wurde mit Akti­en­an­teilen gekö­dert. Genau diese dop­pel­bö­digen Deals gerieten in den Fokus des eng­li­schen Ver­bandes, der durch das »salary-cost pro­tocol« regelt, dass Trans­fers in den unter­klas­sigen Ligen nicht durch Dritte finan­ziert werden dürfen.



Jeder tappt im Dun­keln

Doch die Betei­li­gung der Schweizer Firma ist nur ein Ast in dem Dickicht aus Firmen rund um Not­tingham County. Was Eriksson zual­ler­erst zur Unter­schrift bewegte, war die Zusage eines Kon­sor­tiums aus dem Mitt­leren Osten, den Club zu über­nehmen. Der Name »Munto Finance« ist genauso undurch­sichtig wie die Geschichte und die Geld­an­leger dahinter. Es soll sich hierbei um ein Inves­to­ren­ge­flecht aus Katar, Abu Dhabi, Bah­rain und Kuwait han­deln, gewiss ist aber nichts. Jeder, der sich mit »Munto Finance«, der Grund­lage des Fort­be­stands eines ganzen Clubs, beschäf­tigt, tappt im Dun­keln.

Einzig zwei Namen tau­chen auf. Der eine ist Rus­sell King und gilt als Schlüs­sel­figur des Deals zwi­schen »Munto Finance« und Notts County. Der andere wurde vom Club selbst als Investor genannt: Anwar Shafi. Doch sowohl King, der in den neun­ziger Jahren wegen Steu­er­be­trugs ins Gefängnis musste und dessen Gelder auf­grund lau­fender Ermitt­lungen der­zeit sowieso ein­ge­froren sind, als auch Shafi demen­tierten umge­hend jeg­liche Gerüchte. Sie haben nie Inter­esse an der Über­nahme des Clubs gehegt, ließen sie uni­sono ver­lauten.


Krampf­hafte Suche nach Inves­toren

Was blieb, war ein Verein ohne Investor mit hor­renden Schulden. Das Finanzamt wurde zum Dau­er­gast, Spie­ler­ge­hälter wurden nicht mehr bezahlt – die Posse um mög­liche Inves­toren wurde zu einer großen Blase, die im letzten Oktober platzte. Da trat Peter Trembling auf den Plan, der Vor­stands­chef des Clubs. Er war vorher schon beim FC Everton tätig und bei ver­schie­denen Banken Geschäfts­führer der Abtei­lung Sport.

Trembling kann also mit dem Kom­binat aus Finanzen und Sport umgehen, er kaufte den Club für den sym­bo­li­schen Preis von einem Euro zurück und machte sich auf die Suche nach Inves­toren. Er gab sich sei­ne­reit opti­mis­tisch: »Die letzten Wochen waren die här­testen meines Arbeits­le­bens. Aber die Unter­stüt­zung rund um den Verein hat mich weiter ange­spornt, unseren Traum zu ver­wirk­li­chen.«

Die Ersten ver­lassen das Schiff

Der Traum heißt Pre­mier League. Doch wäh­rend Trembling für die Inves­to­ren­ak­quise unter anderem nach Taiwan fliegt, wird so man­chem in Eng­land klar, dass der Traum zum Alb­traum wird. Wenn du glaubst, es ist zu schön, um wahr zu sein, dann ist es das meis­tens auch – sagen sie in Eng­land. Sol Camp­bell bemerkt es, nicht einmal einen Monat nach seiner Ver­trags­un­ter­zeich­nung kehrt er Not­tingham den Rücken.

Ihm gleich macht es Eriks­sons Adlatus Hans Backe, der im Dezember hin­schmeißt. Viele denken zu diesem Zeit­punkt, dass auch Eriksson von seinem Plan ablässt. Doch weit gefehlt: »Viele glauben nun, dass ich hin­schmeiße. Aber ich bleibe und freue mich jetzt schon darauf, wenn wir neue Inves­toren hier begrüßen dürfen.«



Eine Falle für Eriksson

Man mag Eriksson vor­halten, jene dama­lige Ent­schei­dung sei auf sein fürst­li­ches Salär zurück­zu­führen. Doch auf der anderen Seite bietet sich für den akri­bi­schen Schweden in Not­tingham nach eigenem Bekunden »die größte Gele­gen­heit, die es im Fuß­ball gibt«.

Man mag hier einen Ver­gleich ziehen zu Ralf Rang­nick, der nach seiner Demis­sion auf Schalke zur TSG Hof­fen­heim in die dritte Liga ging (auch wenn hier die finan­zi­elle Lage trans­pa­renter ist). Eriksson sah nach dem Schei­tern als eng­li­scher Natio­nal­trainer und bei Man­chester City seine große Chance gekommen. Blickt man zurück auf die ver­gan­genen Monate, muss man sagen: Er wurde rein­ge­legt.

Doch die Frage bleibt, warum er das Ganze nicht vorher schon hin­ter­fragt hat. Die Reiß­leine zog Eriksson in der ver­gan­genen Woche. Als Peter Trembling den Club wie­derum für einen Euro ver­äu­ßern musste, weil die Schulden sich häuften und kein Investor zu finden war, hatte Eriksson genug. Doch: Er ver­zichtet auf 2,5 Mil­lionen Euro Gehalt, weil »ich den Club nicht an den Rand der Insol­venz bringen will«.

Denn wie akut die Lage bei Not­tingham ist, belegen Zahlen: 123.000 Pfund stehen für die Platz­miete an, 300.000 Pfund Bonus­zah­lungen an Spieler sind weiter offen und im nächsten Monat werden 324.000 Pfund fürs Finanzamt fällig. Nicht genug, die Zahl 25 Mil­lionen steht weiter im Raum. So viel hätte Eriks­sons Gehalt im Rahmen seiner Ver­trags­lauf­zeit gekostet.


Die Hybris bleibt

Hier wurde also mit Mil­lio­nen­be­trägen wie Spiel­geld han­tiert und keiner wusste kon­kret, wer das Geld auf­bringen sollte. Seit Montag sitzt nun Richard Trew an den Hebeln in Not­tingham. Er ist Chef einer Per­so­nal­ver­mitt­lungs­firma, dessen Wert auf 200 Mil­lionen Pfund taxiert wird und ehe­ma­liger Eigen­tümer von Lin­coln City. Um sich herum hat er ein Kon­sor­tium auf­ge­baut, das nun 90 Pro­zent der Anteile an Not­tingham County hält.

Trew sagte am Montag: »Der Club hat jah­re­lang über seinen Ver­hält­nissen gelebt«. Nur um wenig später nach­zu­schieben: »Wir haben noch genug in der Hin­ter­hand, da können manche Pre­mier League-Clubs nur von träumen.« Die Hybris ist immer noch da in Not­tingham. Und auf jede Sams­tag­nacht folgt ein Sonn­tag­morgen.