Im heutigen Stadtderby läuft Hertha BSC mit dem Logo der im Frühjahr ins Leben gerufenen „Aktion Herthakneipe“ auf. Was steckt dahinter? Wir sprachen mit Steven Redetzki, einem der Organisatoren.
Steven Redetzki, haben Sie eigentlich einen Lieblings-Trikotsponsor in der Hertha-Historie?
Das „Continentale“-Trikot hat absoluten Kult-Status, vor allem gemessen am sportlichen Erfolg damals mit Bundesliga-Aufstieg und Champions League-Teilnahme. Die Älteren hätten jetzt wahrscheinlich „Blub“ oder „Mampe“ gesagt. Dass „Tedi“ jetzt nicht mein Favorit ist, ist auch klar. Das war optisch eine Katastrophe. Die karitativen Sponsorings würde ich jetzt hier mal ausklammern: Also die Trikots mit „für Pauline“, „AHA“ und auch das mit uns – die sind für mich noch einmal darüber anzusiedeln. Dass „Herthakneipe“ für mich auf Platz 1 steht, dürfte jetzt auch keinen überraschen.
Ist es ein Glücksfall für Eure Initiative, dass Hertha gerade keinen Hauptsponsor hat, der dauerhaft die Brust ziert?
Grundsätzlich wäre es mir am liebsten, wenn wir so eine Aktion dauerhaft machen könnten. Auch wenn ich weiß, dass das illusorisch ist, schließlich braucht der Verein die Einnahmen. Aber es ist ja nicht ohne Grund so, dass die Trikots von dieser Saison die bestverkauften seit was-weiß-ich-wievielen Jahren sind. Ich habe mir das auch gekauft! Ein blau-weißes Trikot nur mit Hertha-Fahne drauf! Für unsere Aktion ist es natürlich gut, dass es im Moment keinen Hauptsponsor gibt. Man muss aber auch sagen, dass es eben einen Verein braucht, der zu solchen Aktionen bereit ist und die Zeit nutzt, um solchen sozialen Initiativen Aufmerksamkeit zu geben. Angesichts der Resonanz ist das nicht nur für uns ein Gewinn, sondern auch für Hertha echt eine gute Situation.
Inwiefern?
Gerade jetzt zum Derby hat man mit „Herthakneipe“ gegen „Aroundtown“(Trikotsponsor von Union, d. Red.) natürlich etwas, was bei genauerem Hinsehen nicht so in das Bild passt, was in der Öffentlichkeit von den beiden existiert. Auf der einen Seite Hertha, der arrogante Big City Club aus Westend, der seinen Ansprüchen hinterher hinkt und auf der anderen Seite die grundsympathischen und ach so beliebten Kiez-Köpenicker. Die laufen dann aber mit einer Immobilien-Butze auf der Brust rum, die mit als Erste gegen den Mietendeckel geklagt haben. Die Aktion zeigt auch noch einmal, wie glaubwürdig Hertha sich sozial und gesellschaftlich engagiert, auch in den letzten Jahren: Die Aktionen, die es gegen Rassismus gab, für Vielfalt – da ist eine ganze Menge passiert.
Wie kam es eigentlich überhaupt zu der „Aktion Herthakneipe“?
Wir machen auch die Initiative „Blau-Weißes-Stadion“, in der wir uns für ein eigenes Hertha-Stadion in Berlin einsetzen. Ein Mitglied dort ist Wirt einer Kneipe im Wedding. Er musste während des Lockdowns seinen Laden zumachen. Das ist ja nicht nur sein Job, sondern auch sein Lebensinhalt, die Anerkennung, seine sozialen Kontakte, die damit weggenommen wurden. Da wollten wir helfen, aber wir dachten auch: Da helfen wir jetzt nicht nur einem, sondern wir nutzen unsere Möglichkeiten und machen das ein bisschen größer. Da hatten wir die Idee, die virtuelle Kneipe zu machen. Wir haben uns an Tagen, an denen ein Bundesliga-Spiel gewesen wäre – die Liga wurde ja damals ausgesetzt – virtuell getroffen und den Erlös von dem, was wir vertrunken haben, gespendet.
Hattet Ihr damals schon Kontakt zum Verein?
Durch Social Media ist der Verein auf uns aufmerksam geworden. Auch ein paar Mitarbeiter von Hertha haben gespendet. Später sind wir dann an den Verein herangetreten, ob wir nicht etwas gemeinsam machen könnten. Dann waren auf einmal „Zecke“ Neuendorf bei uns in der Kneipe, Andreas Thom, Axel Kruse, Malik Fathi und auch Mitglieder aus dem Präsidium. Manche sind auch zu Stammgästen geworden. Zudem hat Hertha Merchandise zur Verfügung gestellt, das wir verkaufen konnten, also Bierkrüge, Fahnen, Schals und Trikots.
Und wie kam es konkret dazu, dass ihr nun auf dem Trikot gelandet seid?
Das entstand als eine reine Bier-Idee, was für „Aktion Herthakneipe“ natürlich sehr passend ist. Da saßen wir zu dritt an einem sonnigen Herbsttag draußen vor einer Kneipe und haben darüber gesprochen, wie cool es ist, dass Hertha gerade keinen Sponsor hat und man das für soziale Zwecke nutzen könnte. Und da kam die Idee: Die Hertha mit „Aktion Herthakneipe“ auf der Brust im Derby – das wäre die größte Sache! Als klar war, dass im November die Kneipen wieder schließen müssen, haben wir dann auch die Aktion wieder gestartet. Und ich habe mit Paul Keuter (Mitglied der Geschäftsleitung bei Hertha BSC, d. Red.) darüber geredet. Er fand die Idee ganz toll. Dann hat es etwas gedauert, es wurde darüber diskutiert und die DFL musste es letztendlich absegnen. Letzten Freitag habe ich dann erfahren, dass es klappt und musste bis gestern die Klappe halten. Ich bin fast geplatzt. Aus einer Bier-Idee wurde Wirklichkeit!
Wie fielen die ersten Reaktionen aus?
Ich habe damit gerechnet, dass es positives Feedback geben wird. Aber in der Menge, das hat mich schon gerührt.
Wie würde in normalen Zeiten so ein Derby-Tag bei euch ablaufen, wo würdet ihr das Spiel schauen und wieviele Biere würdet ihr trinken?
Es gibt natürlich Leute bei uns, die sind dabei, obwohl die eigentlich gar kein Bier trinken. Die sind natürlich in der Minderheit, die müssen dann fahren (lacht). Auch wenn wir die „Aktion Herthakneipe“ sind wären wir unter normalen Umständen natürlich im Stadion. Aber klar, vorher wären wir wahrscheinlich beim Klaus im „Kugelblitz“ im Wedding und würden zwei bis drei Bier trinken und dann auf zum Stadion. Am „Olympia-Eck“ würden wir vielleicht vor oder nach dem Spiel nochmal stehen bleiben und wo es nach dem Spiel hingeht, hängt natürlich vom Ergebnis ab.
Und wie schaut ihr das Derby heute?
Das ist echt ein großer Wermutstropfen heute: Die Aktion mit vollem Stadion, das wäre von der Emotionalität her noch einmal etwas ganz anderes für uns. Heute ist es so, dass die meisten privat gucken. Ich schaue mit drei weiteren Leuten aus der Aktion mit Beamer; wir sind tatsächlich nur zwei Haushalte, da ist das erlaubt. Natürlich hat auch unsere virtuelle Kneipe geöffnet, da sehen wir uns dann immerhin online vor und nach dem Spiel.
Wieviele Kneipen konnte eure Aktion bisher unterstützen?
Wir haben zehn Kneipen unterstützt. Natürlich gibt es noch deutlich mehr und es ist immer schwierig, daraus eine konkrete Auswahl zu treffen. Auf der anderen Seite bringt es auch nichts, wenn wir dreißig oder vierzig Kneipen mit reinnehmen und am Ende jeder 300 Euro bekommt. Das ist kein Betrag, mit dem ein Wirt die Miete bezahlen kann.
Wie lief das konkret ab?
Wir haben das damals so gemacht, dass wir zu jedem Spieltag gesammelt haben. Der Rekord an einem Bundesligawochenende lag bei 3000 Euro, die wir dann an eine Kneipe geben konnten. Dadurch, dass wir T‑Shirts und Merchandise von Hertha verkaufen konnten, konnten wir aufstocken, sodass jede Kneipe mindestens 1892 Euro bekommen hat. Bisland haben alle zehn Kneipen überlebt. Es ist natürlich die Frage, wie lange das noch gut geht. Das wäre natürlich der Worst Case, wenn sie damals den Lockdown überstanden hätten, aber jetzt trotzdem schließen müssten. Wir sind gerade dabei wieder zu helfen: In unserem Moneypool haben wir aktuell circa 5500 Euro gesammelt, dann kommen noch die Kalender mit dazu, die wir aktuell verkaufen. Vielleicht können wir auch die Trikots versteigern, die heute getragen werden. Da würde sicherlich noch einmal einiges für die Kneipen zusammenkommen.
Wird es das Trikot auch im Fanshop geben? Und bekommt ihr auch ein paar Exemplare davon?
Jetzt könnte ich mal ein bisschen Druck auf Hertha ausüben (lacht). Wir haben jedenfalls gemerkt, dass sich viele Leute diese Trikots wünschen. Ich kann nicht versprechen, dass die in die Fanshops kommen. Klar versuchen wir, an ein paar Exemplare heranzukommen. Ich glaube, dass sich das Trikot in der ein oder anderen Kneipe sehr schön machen würde. Wir reden da noch mit Hertha drüber.
Wenn die Kneipen irgendwann wieder aufmachen: Wieviele Biere werdet ihr dann trinken?
Sicher mehr als zwei oder drei.