Der FC Bayern München ist Deutscher Meister. Glückwunsch dazu. Doch was war das denn für eine Meisterfeier? Eine Stilkritik.
Der FC Bayern ist Deutscher Meister. Früher, dominanter, vielleicht sogar verdienter als jemals eine andere Mannschaft in der Geschichte der Bundesliga. Glückwunsch dazu! Und pünktlich zum Abpfiff des 28. Spieltags am Samstag sammelten die Fieldreporter von Bremen bis Dortmund artig Glückwünsche der Konkurrenz an den neuen Meister ein. In Frankfurt, wo der FC Bayern soeben diesen historischen Triumph erreicht hatte, stopften zu diesem Zeitpunkt eifrige Platzwarte bereits wieder die Löcher auf dem Rasen zu. Leere Weißbiergläser mussten sie nicht einsammeln. Die hatte Bayern-Coach Jupp Heynckes sich vorab verbeten. Auch glücksbesoffene Meisterspieler suchten die Greenkeeper am Main vergebens. Die waren längst unter der Dusche, im Bus oder auf der Massagebank.
Nun gut, Trainer Heynckes sprang kurz nach dem Abpfiff erfreut seinem Trainerstab in die Arme, Kapitän Bastian Schweinsteiger führte derweil auf dem Rasen ein Zehn-Sekunden-Lasso-Tänzchen mit den Kollegen auf, dann gab es einen Diver vor der Fankurve, anschließend warfen alle pflichtbewusst ein bisschen ihren Trainer in die Luft. Philipp Lahm sagte dann im Interview noch ein paar Philipp-Lahm-Sätze („Wir wollten das Spiel natürlich gewinnen“ / „Wir haben uns natürlich gefreut“ / „Wir hatten natürlich eine Serie“), versicherte dann noch, dass die Mannschaft auf der Rückfahrt nach München natürlich das ein oder andere Bier trinken werde. Natürlich. Keine enthemmten Fans, keine Freudentränen. Weniger Meisterfeier gab es wohl noch nie.
Ein Titel wie Omas Stricksocken
Kein Wunder, immerhin war das Bayerns Meistertitel Nummer 23. Da ist eine gewisse Ernüchterung doch nur menschlich. Oder werfen wir etwa den emotionalen Turbo an, wenn Oma uns wie jedes Jahr selbstgestrickte Socken zum Geburtstag schickt? Außerdem hatten alle Beteiligten ausreichend Zeit sich auf diesen Moment vorzubereiten. Im Grunde seit dem 10. Spieltag. Zudem stehen für die Bayern noch höhere Aufgaben auf dem Plan, schließlich muss noch das verkorkste Finale dahoam aus dem Vereinsgedächtnis gelöscht werden. Und dennoch, als neutraler Beobachter war man ein wenig enttäuscht von der nicht vorhandenen Meisterfeier.
Vielleicht, weil der FC Bayern mit dieser Art der Party-Abstinenz auch den Mythos Deutsche Meisterschaft ein Stück weit entweiht hat. Der Titel, so die unterschwellige Botschaft aus München, ist zwar schön und gut, aber noch lange kein Grund vollkommen auszurasten. Millionen Menschen, die in den Jahren zuvor in Dortmund, Bremen, Stuttgart (und sogar für ein paar Minuten in Gelsenkirchen) vor Freude regelrecht ihre Stadt abgerissen hatten, bekamen mit der Münchener Sachlichkeit vorgezeigt, wie klein eine Deutsche Meisterschaft doch eigentlich ist. Wie klein man im Grunde sogar selbst ist, dass einem der Gewinn einer hässlichen Salatschüssel dermaßen euphorisiert. Zumindest gemessen an den Maßstäben des Rekordmeisters. Da hilft es auch nicht, dass Matthias Sammer in der Folge die Ochsentour durch jede Fußballsendung machte und Präsident Hoeneß via Presse von seinen Meistertränen berichten ließ.
Niemand nimmt dem FC Bayern so recht ab, dass dieser Titel mehr ist als nur ein weiterer Staubfänger in der Pokalvitrine. Das ist eine Ohrfeige für die ganze Liga. Und ein breites Grinsen, das einen endlich aufweckt aus einem Zustand innerer Verwirrung. Denn irgendwie bekam man mitunter das Gefühl, es habe sich im Laufe der Saison so etwas wie flächendeckende Sympathie für den Branchenprimus entwickelt.
So aber ist die bajuwarische Meisterfeier von Frankfurt vor allem Ansporn für alle, es dem FC Bayern in Zukunft nie wieder so leicht zu machen wie in dieser Saison.