Hansi Flick hat die Nationalmannschaft wieder auf Kurs gebracht. Das ganze Team hat gewonnen, aber einige Spieler ganz besonders. Andere hingegen sind abgefallen. Ein Blick auf die Gewinner und Verlierer.
Sieben Spiele, sieben Siege, 31:2 Tore. So sieht die Bilanz der deutschen Fußball-Nationalmannschaft unter dem neuen Bundestrainer Hansi Flick aus. Der Trainerwechsel nach der enttäuschenden Europameisterschaft hat sich also bezahlt gemacht. Das liegt nicht nur an den Resultaten, die angesichts der eher zweitklassigen Gegnerschaft nicht überbewertet werden sollten; es liegt vor allem an der Einstellung des Teams. „Die Mannschaft hat enorm viel Spaß“, hat Flick nach dem 4:1‑Erfolg in Armenien am Sonntagabend gesagt.
Es war das letzte Spiel der WM-Qualifikation und auch das letzte Spiel des Jahres 2021. Ein guter Anlass also, eine erste Bilanz zu ziehen. „Es hat ganz klar eine neue Zeitrechnung begonnen“, hat Thomas Müller über Flicks Amtsantritt im Sommer gesagt. Gewonnen hat die ganze Mannschaft, aber davon abgesehen gibt es Spieler, die ein bisschen mehr von Flick profitiert haben, und einige, für die das eher weniger gilt.
Der Münchner ist der Nationalspieler, der 2021 die meisten Länderspiele bestritten hat. In 15 der 16 Begegnungen stand er auf dem Platz. Ein bisschen paradox ist allerdings, dass er nicht etwa unter Joachim Löw einmal außen vor geblieben ist, sondern unter Flick. Trotzdem ist der 25-Jährige der wohl größte Gewinner des Trainerwechsels.
Während Sané sich seiner Position bei Löw nie richtig sicher sein konnte und bei der Europameisterschaft im Sommer allenfalls Edelreservist war, darf er sich seit dem Sommer als echte Stammkraft fühlen. Wenn er bei Flick gespielt hat, dann immer von Anfang an. Mit vier Treffern ist Sané zudem zweitbester Torschütze hinter Timo Werner (fünf).
Sané braucht Wertschätzung und Vertrauen. Die bekommt er nun sowohl von Julian Nagelsmann, seinem Trainer bei den Bayern, als auch von Flick. „Ich glaube, die letzten Wochen haben einfach gezeigt, was er für ein toller Spieler ist“, sagt der Bundestrainer. Und das nicht nur wegen seiner Qualität im Offensivspiel. „Was mir noch mehr gefällt, ist sein Wille, dem Ball nachzujagen, den Gegner unter Druck zu setzen“, sagt Flick. „Das hat er top gemacht.“
Bei Thilo Kehrer, 25, ist die Diskrepanz zwischen der Zeit v. F. und n. F. sogar noch ein bisschen größer als bei seinem früheren Schalker Mitspieler Sané. Während er unter Löw in diesem Jahr keine einzige Minute gespielt hat und auch nicht dem EM-Kader angehörte, stand der vielseitig verwendbare Defensivspieler von Paris Saint-Germain unter Flick in jedem der sieben Spiele in der Startelf.
Nach dem ersten Lehrgang im September wurde er von Flick sogar explizit und ungefragt gelobt: „Thilo Kehrer möchte ich mal hervorheben“, sagte der Bundestrainer. „Er hat alle Spiele gespielt, auf drei verschiedenen Positionen. Der Junge hat das super gemacht.“ Linker Außenverteidiger, Innenverteidiger, rechter Außenverteidiger: Kehrer ist auf allen Positionen in der letzten Reihe einsetzbar – was gerade mit Blick auf seine Einsatzchancen bei der WM in einem Jahr ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist.
Gewisse Parallelen zwischen Niklas Süle und Leroy Sané sind nicht von der Hand zu weisen. Vor wenigen Monaten noch gab es bei beiden berechtigte Zweifel, ob sie das allerhöchste Niveau, das ihnen einmal zugetraut wurde, wirklich erreichen würden. Inzwischen sind diese Zweifel komplett zerstäubt. Süle ist, wie Sané, sowohl bei den Bayern als auch in der Nationalmannschaft zur unangefochtenen Stammkraft aufgestiegen.
Während es bei der EM nur zu einem Kurzeinsatz reichte, stand Süle unter Flick in jedem Spiel in der Startelf – bis ihn jetzt eine Corona-Infektion stoppte. Niklas Süle und Antonio Rüdiger, das ist das Innenverteidigerpärchen, das derzeit von Flick präferiert wird, weil es die besten Voraussetzungen mitbringt für die extrem hohe Form der Vorwärtsverteidigung.
Bei der EM war der Gladbacher noch ein typischer Adabei: Hat sich über die Nominierung gefreut, hat nicht weiter gestört und sich in jedem Training voll reingehängt, obwohl sich seine Aussichten zu spielen im unteren einstelligen Prozentbereich bewegt haben. Hansi Flick aber hatte mit dem 29-Jährigen einen anderen Plan. Er hat Hofmann, der eigentlich in der Offensive zu Hause ist, vornehmlich als rechten Verteidiger eingesetzt.
Bisher hat Hofmann die ungewohnte Aufgabe zur allgemeinen Zufriedenheit erledigt, auch wenn die Qualität der Gegner noch überschaubar war. „Ich traue es mir auch gegen qualitativ stärkere Gegner zu, in der Viererkette zu verteidigen“, sagt er. Der Beweis steht noch aus. Aber das gilt nach Spielen gegen Liechtenstein, Island und Armenien nicht nur für ihn, sondern für die ganze Nationalmannschaft.
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