Jürgen Rank ist Chefdesigner bei adidas und verantwortlich für das neue Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Im Interview erklärt er, wie die Idee zu den Pinselstrichen entstand und welche Rolle die deutsche Flagge spielte.
Das EM-Trikot für Deutschland ist mit Pinselstrichen versehen.
Da haben wir viel ausprobiert, weil wir kein schlichtes weißes Trikot machen wollten. Und es ist wirklich auffällig, wie oft die deutsche Mannschaft Querstreifen getragen hat.
Ach ja?
Na klar! Das rot-schwarze Trikot 2014, als Deutschland 7:1 gegen Brasilien gewonnen hat. Das grüne Trikot 2016. In den 80er-Jahren wurde ein matt-glänzender Effekt eingesetzt, der ebenfalls quer verlief.
Wieso haben Sie sich letztlich für die Pinselstriche entschieden?
Anfangs habe ich mit einem Fat Marker schwarze Streifen auf ein weißes Blatt Papier gemalt. Dann haben wir verschiedene Stärken und Abstände ausprobiert. Und weil wir einen neuen Schnitt verwenden, kann man die Striche nun von jeder Seite sofort erkennen. Wenn es jemand in der Kneipe trägt, wird er auch aus der Ferne am Trikot erkannt.
Querstreifen, machen die nicht eigentlich dick?
Dann macht mehr Sport! (lacht.) Ernsthaft, es ist einfach ein modisches Element. Feine Querstreifen sind gerade angesagt. Und ich glaube, wenn man es in der richtigen Größe trägt, wirkt es total sportlich und hebt eher eine breite Brust hervor.
Wie hat der DFB auf das Trikot reagiert?
Wir hatten eine überragende Zusammenarbeit mit dem DFB, dem es wichtig war, dass den Fans das Trikot gefällt. Auch Oliver Bierhoff hat sich sehr engagiert.
Der dann mit dem Edding vor Ihnen saß, um seine eigenen Entwürfe zu präsentieren?
(lacht.) Nein, keine Sorge. Es gibt tatsächlich Manager, die am liebsten die Trikots selbst entwerfen würden. Aber der DFB hat den Experten, also in dem Fall uns, vertraut.
An den Ärmeln des Trikots ist großflächig die deutsche Flagge zu erkennen.
Aber eine moderne Interpretation! Das ist mir wichtig, weil wir nicht das klassische Schwarz-Rot-Gold zeigen wollten, sondern eine frische Version, die für das weltoffene Deutschland steht. Uns ist wichtig, zu zeigen, dass Deutschland divers ist. Dass die Spieler und auch Fans ganz unterschiedliche Hintergründe haben, und dass das gut ist.
Wie viele Designs lagen von Beginn bis Ende auf Ihrem Schreibtisch?
Es sind unzählige. Zu Beginn hatten wir 30 – 50 Entwürfe vorliegen, aber sobald man sich für eine Basis entschieden hat, geht es an die Feinarbeit: Die exakte Position des DFB-Logos, die Spielernummern, der Schnitt von Kinder- und Erwachsenengrößen. Gleichzeitig soll bei der Produktion möglichst wenig Abfall entstehen. Das alles muss bedacht werden. Und immer wieder folgen Updates.
Trikots polarisieren – welches EM-Trikot ist Ihr liebstes?
Ich antworte da meistens politisch korrekt, dass ich an jedem Tag ein anderes trage. Ein bisschen Patriotismus trage ich aber auch in mir, also: Das deutsche Trikot ist schon gut gelungen. Ganz ehrlich, ich glaube, die Trikots sind diesmal gewöhnungsbedürftig. Aber genau das war uns wichtig! Wir wollten keine Kopien, sondern etwas Neues erschaffen.