Das Projekt Goal Click verschickt Einwegkameras an Fußballer in der ganzen Welt, damit sie zeigen können, was ihnen der Sport bedeutet. Gründer Matthew Barrett über Bilder, die kein professioneller Fotograf und auch keine Handykamera einfangen kann.
Matthew Barrett, worum geht es bei Goal Click genau?
Goal Click ist ein globales Projekt über Geschichten rund um den Fußball. Wir suchen Menschen aus der ganzen Welt und lassen sie von ihrem Leben und ihren Mannschaften berichten. Das Projekt gibt den Teilnehmern dabei die Freiheit, selber über ihre Erlebnisse zu erzählen, anstatt es einem Außenstehenden zu überlassen. Dabei ist es egal, ob hinter der Kamera ein professioneller Fußballer oder ein Geflüchteter steht. Uns ist einfach wichtig, dass wir die Welt anderer Menschen durch ihre Augen sehen. Deswegen verschicken wir Einwegkameras an Leute, die mitmachen wollen. Die Kamera ist aber nur der erste Schritt, um ihre Geschichte zu erzählen. Neben den Bildern verfassen die Teilnehmer auch eigene Texte. Es gibt somit mehrere Elemente bei Goal Click. Wir organisieren außerdem noch Ausstellungen, um unsere gesammelten Geschichten in einem anderen Rahmen zeigen zu können.
Wie kam die Idee zustande?
Ein Freund und ich arbeiteten vor sieben Jahren noch bei einer Sportmarketing-Agentur. Er kam damals auf die Idee, analoge Einwegkameras an Fußballfans zu schicken, um ihre Reisen während der Weltmeisterschaft 2014 zu dokumentieren. Ich war begeistert von der Idee. Aber sie kam nie zustande, weil wir anstatt dessen Goal Click gründeten und unser Projekt starteten. Es gab uns die Möglichkeit, im gewissen Sinne selber um die Welt zu reisen und verschiedene Kulturen und Gesellschaften aus einer inneren Perspektive zu sehen.
Was waren dann die ersten Bilder und Geschichten, die Sie zurückbekommen haben?
Unsere erste Geschichte kam vom Fußballverband der Amputierten aus Sierra Leone. Für mich bleiben die Fotos eigentlich bis heute mit die Besten, die wir je zurückbekommen haben. Der Pastor und gleichzeitig auch Trainer Abraham Bangura, der selber einige Finger aufgrund einer explodierenden Handgranate im Bürgerkrieg verloren hat, ließ uns durch die Bilder sehr tief mit in seine Mannschaft eintauchen. In dem Moment, in dem wir die Fotos gesehen und seine Geschichte gehört haben, wussten wir: Das bietet mehr, als wir selber gedacht hatten. Aus unserer zunächst banalen Idee: „Lass uns ein spaßiges Fotoprojekt zusammen machen!“ entstand etwas viel Tiefsinnigeres. Dieses Erlebnis machte uns letztendlich erst zu der Organisation, die wir jetzt sind.
Haben Sie weitere Lieblingsbilder?
Ich habe verschiedene Lieblingsfotos aus verschiedenen Gründen. Die Bilder aus Sierra Leone werden emotional betrachtet natürlich immer unsere Lieblingsbilder bleiben, weil es die ersten Fotos von Goal Click waren. Aus rein ästhetischer Sicht fand ich aber auch die Aufnahmen von David Vujanic toll. Er hat das Derby zwischen Roter Stern und Partisan Belgrad in Serbien fotografiert. Das Bild des vom Nebel umhüllten Torwarts sticht für mich besonders hervor. Also auch im Vergleich mit allen anderen existierenden Fußballfotos.
Ein Bild, was Sam Mewis von der Frauennationalmannschaft der USA aufgenommen hat, zeigt ihre Kolleginnen Alex Morgan und Rose Lavelle im Eisbad während des Trainingslagers vor der Weltmeisterschaft. Ein tolles Foto, weil es professionelle Superstars in einem ganz natürlichen, ungeschützten Moment zeigt. Das ist meiner Meinung nach auch die die Besonderheit an Goal Click. Wir bekommen Ausschnitte zu sehen, die kein professioneller Fotograf und auch keine Handykamera hätte einfangen können.
Erwähnenswerte Bilderserien sind auch die aus Pakistan und Nepal über den Frauenfußball dort. Der Himalaja und die umliegende Landschaft erschaffen ein wirklich unglaubliches Setting. Aber die Bilder sind auch deswegen so wichtig, weil sie junge Frauen beim Fußballspielen zeigen und verdeutlichen, dass auch immer mehr Frauen die Chance haben sollten, Fußball zu spielen.
Was unterscheidet denn ein schönes von einem nicht so schönen Foto?
Ein gutes Foto macht meiner Meinung nach aus, dass es nur von jemandem geschossen werden kann, der aus dem inneren Kreis der Gemeinschaft oder des Teams kommt. In den heutigen Zeiten ist es viel schwieriger geworden, nah an die Menschen heranzukommen. In den Fotos, die für uns herausstechen, fühlen sich die abgebildeten Personen sicher, weil jemand hinter der Kamera steht, dem sie vertrauen. Das gewährt meist sehr intime Einblicke. Natürlich ist die rein ästhetische Perspektive und der Kontext ebenfalls wichtig für ein gutes Foto. Kontext ist alles und die besten Bilder gehen weit über die eigentliche Aufnahme hinaus. In Pakistan war es zum Beispiel die Gebirgslandschaft im Hintergrund. Diese unglaublichen Berge haben den Kontext des Fotos sofort von selbst erklärt. Genauso wie bei Ablichtungen von Fans: Flaggen, Lichter, Leidenschaft – das alles erschafft Kontext. Wenn wir sofort verstehen, was sich zu der Zeit auf dem Bild abspielt, dann hat der Fotograf alles richtig gemacht.
Analogfotografie macht dabei ja einen erheblichen Mehraufwand aus. Warum haben Sie sich trotzdem dafür entschieden?
Wir benutzen Analogkameras aus drei Gründen. Der erste davon ist die Chancengleichheit. Egal ob ein Geflüchteter aus Jordanien oder ein professioneller Fußballer aus Großbritannien eine Einwegkamera benutzt: das Werkzeug bleibt immer das selbe und erlaubt es somit jedem, sich auf die Geschichte hinter den Bildern zu fokussieren. Der zweite Grund ist wahrscheinlich der Wichtigste: man hat nur eine begrenzte Anzahl an Aufnahmen. 27 Fotos passen auf eine Bildrolle. Dadurch ist man gezwungen, aufmerksamer zu sein, was man wann ablichten möchte. Klar, wir lieben unsere Smartphones, mit denen wir überall tausende Fotos von jeder Gelegenheit machen können, aber die meisten dieser Bilder schauen wir uns nie wieder an. Der Moment zählt nicht mehr so viel.
Und der dritte Grund?
Analoge Fotos sehen einfach toll aus. (Lacht.) Jedes Bild ist ein Unikat und auf eine gewisse Art auch fehlerhaft, aber genau das mögen wir. Außerdem haben wir mitbekommen, dass auch unsere Teilnehmer analoge Kameras lieben. Wir hatten der Frauenmannschaft der USA ursprünglich nur eine Kamera zugesendet, an eben erwähnte Sam Mewis. Doch dann wollten auch Kolleginnen von ihr eine haben. Die Menschen lieben dieses nostalgische Gefühl und haben in den meisten Fällen noch nie selber so ein Gerät in der Hand gehalten.