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Wir trafen Joel Matip für die aktu­elle Aus­gabe #221. Das kom­plette Inter­view lest ihr im Heft, überall am Kiosk erhält­lich und natür­lich auch in unserem Online-Shop.

Die Fahr­rad­fahrer springen fast über den Lenker. Als Joel Matip Anfang März im Liver­pooler Viertel Baltic Tri­angle“ vom Park­platz schlen­dert, steht ein junger Typ auf seinen Pedalen und ruft: Joel, I can’t wait to see you with the medal!“ Ich kann es kaum erwarten, dich mit der Medaille zu sehen. Gemeint ist jene für den Meister in der eng­li­schen Pre­mier League. Auch der zweite Fahr­rad­fahrer ballt die Faust und springt kurz auf. Matip lächelt ver­legen; er ist es gewohnt, als Spieler von Liver­pool überall in der Stadt auf die bevor­ste­hende Meis­ter­schaft ange­spro­chen zu werden. 30 lange Jahre musste der Klub auf diesen Moment warten, der nun zum Greifen nah erscheint.

Liver­pool mag zwar die Cham­pions League gewonnen haben, aber der Tri­umph in der Pre­mier League setzt noch einmal andere Emo­tionen frei. Zu oft waren sie nur nah dran gewesen. So in der ver­gan­genen Saison, als selbst ein über­ra­gender Punk­te­schnitt nicht aus­reichte, um Man­chester City zu stoppen. Aber auch 2014, als die Ikone Steven Ger­rard aus­rutschte und Liver­pool des­wegen gegen Chelsea ent­schei­dende Punkte im Titel­kampf liegen ließ. Die Fans des Erz­ri­valen Man United haben seither nicht mit Spott gespart, jedes titel­lose Jahr war ein Nadel­stich. Für Liver­pool ist diese Meis­ter­schaft 2020 also auch der Tri­umph über ein Trauma, über 30 years of hope, wie der Guar­dian es beschrieb.

Wie gerne würde ich in diesen Zeiten ein­fach nur Fakten über Kokos­nüsse von Joel Matip hören.“

Ich glaube, dieser Titel hat in der Stadt einen noch grö­ßeren Stel­len­wert als der Gewinn der Cham­pions League, weil alle so lange darauf warten“, sagt Matip dann wäh­rend des Inter­views in der Bar Peaky blin­ders“, die sich voll­kommen der gleich­na­migen bri­ti­schen Serie ver­schrieben hat. Der Bar­mann trägt dann auch Hosen­träger und Tweed­mütze und klärt auf: Wenn ihr die Parade zum Cham­pions-League-Sieg schon krass fandet, dann wartet ab, was dieses Jahr abgeht.“ Ein Hotel­zimmer am Tag der Meis­ter­schaft soll bereits über 1200 Pfund kosten, sagt der Mann. Und an diesem milden Nach­mittag Anfang März, mit 25 Punkten Vor­sprung für Liver­pool, glaubte keiner ernst­haft daran, dass diese Meis­ter­party aus­fallen würde. Nicht wir, wohl nicht Joel Matip und schon gar nicht der Peaky-Blin­ders-Bar­mann.

Nur zwei Wochen später wirkt der Gedanke absurd und weit weg, in ein Flug­zeug zu steigen und in einer Stadt zu landen, die nur darauf wartet, eine Parade mit Hun­dert­tau­senden abzu­halten und die größte Party seit Jahr­zehnten zu ver­an­stalten. Allein schon ein mehr­stün­diges Gespräch, ohne auch nur einmal das Wort Corona“ zu benutzen, erscheint Ewig­keiten her. Mitt­ler­weile rollt kein Ball mehr und es ist frag­lich, ob Liver­pool dieses Jahr über­haupt noch als Meister gekrönt werden wird. Ein Fan hat es auf Twitter so for­mu­liert: Wie gerne würde ich in diesen Zeiten ein­fach nur Fakten über Kokos­nüsse von Joel Matip hören.“ Der Hin­ter­grund: In einem Gaga-Video des Ver­eins hatten sich meh­rere Spieler als Schau­spieler betä­tigt und Matip fiel die Rolle zu, aus einem Buch Inter­es­santes (oder eben weniger Inter­es­santes) über Kokos­nüsse vor­zu­tragen.

Joel Matip 0155

Der kurze Auf­tritt wäre als nette Epi­sode abge­hakt worden, wenn es nicht um Joel Matip gegangen wäre. Liver­pool-Fans feiern seinen Auf­tritt und for­dern auf Twitter wei­tere Fakten über Kokos­nüsse. Jürgen Klopp meinte in der Pres­se­kon­fe­renz: Dieses Video war so lustig. Manche haben Joel Matip zum ersten Mal reden gehört.“ Schon zuvor war ein beson­derer Jubel von Matip viral gegangen, bei dem er ein­fach die Arme rhyth­misch nach oben hob. Daraus resul­tierte der Twitter-Account No Con­text Joel Matip“ mit der­zeit 27 000 Fol­lo­wern.

Matip wird zum Phä­nomen, weil er sich selbst so rar macht. Er hat als ein­ziger Profi in Liver­pool keinen Account in den sozialen Medien. Sucht man die Pres­se­da­ten­banken ab, hat er in den zehn Jahren als Profi viel­leicht drei län­gere Inter­views gegeben. In den Bild­ar­chiven zum Cham­pions-League-Sieg und den Videos ist er kaum zu finden. Als wäre Joel Matip gar nicht dabei gewesen. Doch wie er dabei war! Gegen Bar­ce­lona hatte er Lionel Messi abge­kocht und ein Son­derlob von Klopp erhalten. Im Finale gegen Tot­tenham gab er die Vor­lage zum ent­schei­denden 2:0 und wurde vom kicker zum Mann des Spiels“ gekürt. Noch im ver­gan­genen Sep­tember wählte ihn die Pre­mier League zum Spieler des Monats, danach fiel er wegen einer Ver­let­zung länger aus. DFB-Pokal­sieger, Cham­pions-League-Sieger, eng­li­scher Meister. Warum redet keiner über Joel Matip und am wenigsten er selbst?