Die Nationalmannschaft startet mit zwei Unentschieden in die Nations-League-Saison. Fünf Lehren aus den Spielen gegen Spanien und die Schweiz.
3. Es fehlt Durchschlagskraft – an beiden Enden des Felds
Dass ein hohes, riskantes Pressing zum Erfolg führen kann, bewiesen unlängst die Bayern. Im Vergleich zum Triple-Sieger fällt die deutsche Elf jedoch in einem Bereich ab: der Durchschlagskraft. Selbst wenn das Pressing der Bayern überspielt wird, sichern David Alaba und Jerome Boateng clever ab. Die deutsche Restverteidigung funktioniert nicht annähernd so gut, sodass sowohl die Schweizer als auch die Spanier zu Chancen kamen, sobald die erste Pressingreihe überspielt war.
Aber auch vorne mangelt es der deutschen Mannschaft an Durchschlagskraft – jedoch in gänzlich anderer Hinsicht. Keiner der deutschen Angreifer überzeugt durch Wucht und Körperlichkeit. Deutschland kann zwar das Mittelfeld dominieren mit den Passkünstlern Toni Kroos und Ilkay Gündogan; Beide brachten in beiden Partien über 90 Prozent ihrer Pässe zum Mitspieler.
Doch weder kann die deutsche Mannschaft Bälle in der vordersten Linie halten, noch über Flanken in den Strafraum gelangen. Dadurch kann Deutschland das Spiel weniger gut diktieren als die Bayern, sie verlieren häufiger den Ball in vorderster Linie. Entsprechend häufiger muss das deutsche Team dem Gegner hinterherlaufen – etwas, das angesichts des Spiels Mann-gegen-Mann Kraft raubt.
4. Gosens könnte eine wichtige Ergänzung werden
Robin Gosens war ein großer Gewinner der Länderspiel-Woche. Dadurch dass sich Löw für Kontinuität entschied, kam der Debütant gleich zweimal zum Einsatz. Defensiv überzeugte er nicht auf ganzer Linie. Sowohl gegen Spanien als auch gegen die Schweiz war er am Gegentreffer beteiligt; Gegen Spanien ließ er eine Flanke zu und löste anschließend das Abseits auf (auch wenn er das mangels Regelkenntnis nach dem Spiel leugnete). Gegen die Schweiz verlor er den Anschluss an seinen direkten Gegenspieler.
Zugleich bewies er, was für eine wichtige Ergänzung er sein kann: Er beherrscht die Position des Linksverteidigers einer Fünferkette aus dem Effeff. Gerade offensiv kann er Akzente setzen. Er hat ein gutes Gespür dafür, sich in der Breite zu positionieren und rechtzeitig in die Tiefe zu starten. Gosens erste Länderspiele dürften nicht seine letzten gewesen sein.
5. Es bleiben viele Fragezeichen
Am Ende hinterlässt diese Länderspiel-Woche mehr Frage- als Ausrufezeichen. Noch immer weiß der deutsche Fan nicht, wie die Nations League einzuordnen ist. Ist es ein ernstzunehmender Wettbewerb – oder sind es bessere Testspiele? Die deutsche Mannschaft wirkte trotz zweier verspielter Führungen nicht sonderlich unglücklich.
Hinzu kommt, dass die Spieler in dieser Phase der Vorbereitung körperlich noch nicht fit sind. Das spürte man in beiden Partien, als die deutsche Mannschaft nach der Pause klar nachließ. Ob die deutsche Mannschaft ihr Mann-gegen-Mann-Pressing mit mehr Kondition und Spritzigkeit länger ausführen kann? Und hätte Löw gegen Spanien derart defensiv gewechselt, hätten die Spieler auf dem Feld mehr Kraft gehabt?
Zugleich fehlten wichtige Säulen der deutschen Mannschaft. Wird Löw auch auf das 5 – 2‑3-System setzen, wenn Joshua Kimmich und Leon Goretzka im Mittelfeld zur Verfügung stehen? Der Bundestrainer wird die Antwort in den kommenden Länderspielen liefern müssen, beim Freundschaftsspiel gegen die Türkei und beim Nations-League-Duell mit der Ukraine. Angesetzt sind die Partien für Anfang Oktober. Löw wird hoffen, dass Corona ihn nicht wieder 258 Tage warten lässt.
-