Während Kaiserslautern zur WM 2006 noch alle Hebel in Bewegung setzte, um Ausrichterstadt zu sein, zogen die Pfälzer diesmal vorzeitig die Reißleine. Die Stadtverwaltung winkte mit der Begründung ab, eine aussagefähige Kostenaufstellung sei nicht darstellbar, da nicht alle Anforderungen der UEFA bekannt und in Kosten auszudrücken seien. Im Beschluss vom 10. Mai 2017 heißt es: „Festzuhalten ist aber bereits zum jetzigen Zeitpunkt, dass im städtischen Haushalt ein größeres Defizit verbleiben würde.“ Grob geht die Stadtverwaltung von etwa zwei Millionen Euro Unterdeckung durch „temporäre Kosten“ aus, weil erst 2018 der europäische Verband mit allen Details herausrückt. Hinzu kämen Kosten für die Durchführung von Public Viewing und sonstigen Rahmenveranstaltungen. Bereits bei der höchst einträglichen WM mussten in Kaiserslautern 3,8 Millionen in diesem Bereich zugeschossen werden. Nun geht die Stadt bei einer verkleinerten Fanmeile von einem Zuschussbedarf bis zu vier Millionen Euro aus. In einer der deutschen Städte mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung „ein unverantwortliches finanzielles Risiko“, so SPD-Bürgermeister Klaus Weichel.
So viel ist klar: Wer Gastgeber von Europameisterschaftsfußball sein will, muss Geld in die Hand nehmen. Besonders schwer kalkulierbar machen die Kosten aber offenbar vor allem die Anforderungen in Sachen Fanzone, Infrastruktur, Sicherheit, Medien- und Stadionrichtlinien. Die Welt hat sich seit 2006 weitergedreht und sie wird es weiter tun. Zu Zeiten des „Sommermärchens“ gab es noch keine Schuldenbremse für Länder und Kommunen. Damals bekam zuerst Deutschland den Zuschlag fürs Turnier und wählte anschließend seine Host Citys aus. Heute reicht der DFB seine Bewerbung gebündelt mit den Unterlagen der zehn ausgewählten Spielorte ein.
„Wir zahlen, die kassieren. Wenn wir ja sagen, kaufen wir die Katze im Sack“
Seit der Love-Parade-Katastrophe in Duisburg 2010, bei der 21 Menschen starben und 541 Besucher teils schwer verletzt wurden, haben sich die Sicherheitsbestimmungen für Großevents verschärft. Die Gefahr von Terroranschlägen sorgt für eine ständige Überprüfung und Veränderung der Lage – und der damit verbundenen Auflagen. Kurz: Niemand kann absehen, was die UEFA bis zum Turnier noch von Partnerstädten einfordert, um ihr Produkt makellos zu präsentieren. In Kaiserslautern wundern sich die Gremien der Stadt noch heute, wie detailversessen und rigide FIFA-Offizielle noch in den Tagen vor Beginn der WM 2006 auf Umsetzung marginalster Vertragsbestandteile pochten.
Das Finanzmodell (Abschnitt 12 Organisatorische und finanzielle Fragen/Punkt 5) in der Turnieranforderung sieht vor, dass alle Einnahmen von Medienrechten über Sponsoring, Ticketverkauf, Hospitality und jede weitere Nutzung von Werberechten bei der UEFA verbleiben. Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau, SPD, bringt es deshalb auf die unmissverständliche Formel: „Wir zahlen, die kassieren. Wenn wir ja sagen, kaufen wir die Katze im Sack.“ In Westfalen ist man sich einig, dass die WM 2006 einen ungeheuren Imagegewinn für die Stadt bedeutet hat. Die Stimmung im Westfalenstadion, die Fußballtradition, Borussia als Großmacht im deutschen Fußball, das DFB-Museum – eine EM 2024 ohne Dortmund ist schwer vorstellbar. Dennoch sind die städtischen Gremien offenbar nicht bereit, die Unterlagen blanko zum nationalen Bewerbungsverfahren einzureichen, dessen Frist vom DFB soeben bis 10. Juli 2017 verlängert wurde.