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Hin­weis: Dies ist ein Text aus unserem Archiv. Im Januar dieses Jahres grün­dete der 1. FC Mag­de­burg einen Arbeits­kreis, um die Rolle Heinz Krü­gers im Natio­nal­so­zia­lismus zu unter­su­chen. Seit 2014 ist bekannt, dass Krügel Mit­glied der Waffen-SS war.

Um 22.15 Uhr fla­ckern im Sta­dion De Kuip“ in Rot­terdam die rot-schwarzen Fahnen, ver­brannt von ent­täuschten Anhän­gern des AC Milan, wäh­rend unten auf dem Rasen die Spieler des 1. FC Mag­de­burg mit dem Euro­pa­pokal der Pokal­sieger auf eine Ehren­runde gehen. Ent­rückte Gesichter, Umar­mungen, der sil­berne Hen­kel­topf und strah­lend weiße Malimo-Bade­mäntel aus Lim­bach-Ober­frohna, die ihnen die Mann­schafts­be­treuer nach dem Schluss­pfiff über­ge­worfen haben.

Es war ein Tri­umph in einem merk­wür­digen Spiel. Nicht mal 5000 Zuschauer waren zugegen, weil die Fans des 1. FC Mag­de­burg nicht reisen durften, weil die Hol­länder sich nicht für das Finale inter­es­sierten und weil die Tifosi die Partie schon vor dem Anpfiff ent­schieden wähnten. Hier die Welt­stars aus Mai­land um Gianni Rivera und Karl-Heinz Schnell­inger, dort eine Mag­de­burger Regio­nal­aus­wahl. Inter­na­tional unbe­kannte Bur­schen: Man­fred Zapf, Jürgen Spar­wasser, Axel Tyll und Wolf­gang Paule“ Seguin, dazwi­schen ein Junge aus der Bezirks­liga-Reserve, Helmut Gaube, den Trainer Heinz Krügel für den gesperrten Klaus Decker in die Mann­schaft genommen hatte. Er ver­folgte Welt­star Rivera über neunzig Minuten auf Schritt und Tritt.

Gegen ein Bier­chen hatte Krügel nichts ein­zu­wenden

Sie alle stammten aus Mag­de­burg und Umge­bung, aus Wege­leben, Sta­pel­burg, aus Dar­lin­ge­rode und Gom­mern. Junge Kerle, die meisten Anfang Zwanzig. Viele von ihnen waren beim SKET beschäf­tigt, dem Schwer­ma­schinen-Kom­binat Ernst Thäl­mann“. Trai­niert wurde abends, mit dem Fahrrad fuhren sie zum Ver­eins­ge­lände im Stadt­teil Cracau. Die Kar­riere als Fuß­baller ver­schaffte ihnen die Mehr­raum­woh­nung im Neubau. Aber wie lange es wohl noch dauern würde, bis der bestellte Tra­bant aus­ge­lie­fert wird, dar­über rissen sie nur noch Witze.

Über­haupt waren sie eine Truppe, die für ihre Kame­rad­schaft berühmt war. Was auch an Trainer Krügel lag, der nichts gegen ein Bier­chen ein­zu­wenden hatte, solange die Jungs nach dem Trai­ning den Ball alle einmal ins O“ auf der Ban­den­wer­bung für die Mag­de­burger Volks­stimme“ gezir­kelt hatten.

Wenn er zu dir sagte, du bist Welt­klasse, dann hast du auch so gespielt“

Wolfgang Seguin über Heinz Krügel

Krügel war neben Georg Buschner der wohl beste Trainer in der Geschichte des DDR-Fuß­balls. Seit 1951 betreute der Sachse aus Ober-Pla­nitz Mann­schaften im gesamten Staats­ge­biet, zwi­schen­durch für zwei Jahre auch die Natio­nalelf. Doch ein Appa­rat­schik, ein Mann der Par­tei­füh­rung, wurde er nie. Im Gegen­teil: Immer wieder legte er sich mit den Genossen vom Fuß­ball­ver­band DFV an. Einige Wich­tel­männer der Bezirks­lei­tung haben ver­sucht, sich ein­zu­mi­schen“, grollte er öffent­lich. Ich habe zu ihnen gesagt: Ihr seid Poli­tiker, ihr habt dafür zu sorgen, dass es den Leuten gut geht. Fuß­ball­trainer bin ich.“ Und das mit Leib und Seele. Ein Moti­vator, eine Vater­figur, ein Lehrer. Beim FCM hatte er sein Mate­rial gefunden, form­bare Spieler am Anfang ihrer Kar­riere. Wenn Heinz Krügel mit dir sprach“, erin­nert sich Mit­tel­feld­mann Wolf­gang Seguin, dann hast du ihm alles geglaubt. Wenn er zu dir sagte, du bist Welt­klasse, dann hast du auch so gespielt.“ Krügel hatte den 1. FC Mag­de­burg 1966 über­nommen und zum direkten Wie­der­auf­stieg in die Ober­liga geführt. 1969 der Gewinn des FDGB-Pokals, 1972 die Meis­ter­schaft, 1973 ein wei­terer Pokal­sieg – und nun stand er mit seinen Jungs im End­spiel des Euro­pa­po­kals der Pokal­sieger.

Der Weg dorthin war lang gewesen, über die wider­spens­tigen Hol­länder von NAC Breda, Banik Ostrau und Beroe Stara Zagore bis zum Halb­fi­nale gegen den Top­klub Sporting Lis­sabon im rie­sigen Stadio José Alvalade“. Auf den Rängen waren 55 000 Zuschauer“, erin­nert sich Wolf­gang Seguin, und wenn man da unten spielt und man ist noch jung, da hat man doch das Flat­tern.“ Tor­wart Uli Schulze behielt die Nerven und sicherte mit spin­nen­ar­tigen Paraden ein 1:1. Auch das Rück­spiel war hart umkämpft, am Ende siegte der FCM durch Tore von Pom­me­renke und Spar­wasser mit 2:1. Die stra­pa­ziö­seste Euro­pa­po­kal­partie for­derte den DDR-Meister zur Her­gabe aller phy­si­schen Potenzen“, drech­selte Die neue Fuß­ball­woche“. Trainer Krügel drückte sich bei der Ansprache in der schweiß­trie­fenden Kabine des Ernst-Grube-Sta­dions gerad­li­niger aus: Ich danke euch, Freunde!“