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Fabian Schröder, wofür steht Sport Pride im Jahr 2020?
Bei der Sport Pride han­delt es sich um einen Ableger der Global Pride, einer Social Media-Kam­pagne, in der les­bi­sche, schwule, bise­xu­elle, trans- und inter­ge­schlecht­liche Sportler_​innen eine Bühne bekommen sollen. Es soll auf die Wich­tig­keit von Tole­ranz, Viel­falt und Diver­sität in unserer Gesell­schaft und ins­be­son­dere im Sport auf­merksam gemacht werden. Am Samstag nehme ich in diesem Rahmen an einer Podi­ums­dis­kus­sion teil. Mit dem Hashtag #SportPride2020 können alle Men­schen ihre dies­be­züg­li­chen Bot­schaften und Erleb­nisse in den sozialen Netz­werken teilen.

Sie sind bio­lo­gisch gesehen als weib­liche Person zur Welt gekommen. Wann kam der Moment, in dem Sie wussten, dass Sie eigent­lich ein Mann sein möchten?
Seit Kin­des­tagen wusste ich, dass irgend­etwas nicht stimmt und dass ich mich nicht wohl­fühle als Mäd­chen bezie­hungs­weise als Frau. Über die Mög­lich­keit einer Tran­si­tion (der Begriff Geschlechts­um­wand­lung gilt als ver­altet, d. Red.) war ich mir damals aber noch nicht im Klaren. Und selbst wenn ich dar­über infor­miert gewesen wäre: Ich komme aus einer länd­li­chen Gegend, wo jeder und jede schief ange­schaut wird, wenn er oder sie nicht der Norm ent­spricht. Zudem ent­stamme ich einem sehr kon­ser­va­tiven Eltern­haus, in dem ein klas­si­sches Rol­len­bild von Mann und Frau vor­herrschte. Auf Ver­ständnis wäre ich in diesem eher weniger tole­ranten Umfeld nicht gestoßen. Mein inneres Outing, also die Erkenntnis, dass ich tran­si­dent bin, hatte ich erst 2013. Danach wurde ich durchaus auch mal ange­feindet und gefragt, ob ich auf den Kopf gefallen sei oder ob ich als Kind zu heiß gebadet worden wäre.

Sie haben viele Jahre aktiv Fuß­ball gespielt. Wie haben ihre Mit­spie­le­rinnen und die Leute im Verein darauf reagiert, dass Sie ihr Geschlecht anglei­chen wollen?
Meine Mit­spie­le­rinnen bei Grün-Weiß Eims­büttel haben meine Ent­schei­dung mit einem lachenden und einem wei­nenden Auge auf­ge­fasst. Soll heißen: Sie waren einer­seits froh, dass ich diesen Schritt gehe, um fortan ein für mich glück­li­ches Leben führen zu können. Ande­rer­seits waren sie traurig, weil sie mit mir eine Mann­schafts­ka­me­radin und vor allem ihre Tor­hü­terin ver­lieren sollten (lacht). Wirk­lich nega­tive oder ableh­nende Reak­tionen gab es im Verein über­haupt nicht.

Den­noch mussten Sie den Verein ver­lassen.
Der Fuß­ball kennt nur Männer und Frauen. Wenn du bio­lo­gisch gesehen als Frau geboren wirst und den Weg ein­schlägst, ein Mann zu werden, dann musst du auch mit den Kon­se­quenzen leben und darfst eben nicht mehr bei den Damen mit­spielen. Durch die drei­mo­nat­liche Ver­ab­rei­chung von Sexu­al­hor­monen wäre ich übri­gens sowieso nicht mehr spiel­be­rech­tigt gewesen. Doping‘‘ ist schließ­lich auch im Ama­teur­sport nicht erlaubt. Das sind die Regeln, die erkenne ich an. Ich war daher gezwungen, meine Kar­riere in der Damen­mann­schaft zu beenden.

Sie bekamen Tes­to­steron gespritzt, damit ihr äußeres Erschei­nungs­bild männ­li­cher‘‘ wird?
Genau. Dadurch hat eine spe­zi­fi­sche Gesichts- und Kör­per­be­haa­rung ein­ge­setzt. Ich habe quasi eine zweite Pubertät durch­ma­chen müssen. Eines kann ich sagen: Die Pubertät ist die Hölle! Es reicht eigent­lich, sie einmal durch­leben zu müssen (lacht). Doch im End­ef­fekt war es mir das wert – ganz ohne Zweifel.

Ging es für Sie dann in der Her­ren­mann­schaft weiter?
Grün-Weiß Eims­büttel hat tolle Arbeit geleistet. Sie sind nach meiner voll­stän­digen Tran­si­tion mit offenen Armen auf mich zuge­kommen und haben mir das Angebot unter­breitet, bei den Män­nern zu spielen. Das habe ich aller­dings dan­kend abge­lehnt. Zum einen wegen eines Kreuz­band­risses, zum anderen weil ich mit 1,66 Meter nicht die besten Vor­aus­set­zungen mit­bringe, um bei den Män­nern mit­zu­halten. Beson­ders nicht als Keeper, dafür ist die phy­si­sche Bipo­la­rität ein­fach doch zu stark aus­ge­prägt.

Der Ber­liner Fuß­ball­ver­band geht in die Offen­sive und will ab dem 1. Juli 2020 Trans- und Inter­men­schen, die in ihrem Pass divers‘‘ als Geschlecht ange­geben haben, ermög­li­chen, am orga­ni­sierten Spiel­be­trieb teil­zu­nehmen? Begrüßen Sie diesen Schritt?
Ich finde es genial, dass der Ver­band so pro­gressiv agiert und damit eine Art Vor­rei­ter­rolle ein­nimmt. Der BFV gibt durch diesen Beschluss auch Men­schen, die sich in einer Tran­si­tion befinden, die Mög­lich­keit, ohne Ein­schrän­kungen am Fuß­ball­sport par­ti­zi­pieren zu können. Ob sich das so schnell auch auf natio­naler Ebene im Pro­fi­fuß­ball durch­setzen wird, wage ich aber zu bezwei­feln. Es gibt immer Men­schen, die sich an Neue­rungen stören – gerade wenn es um viel Geld geht.

Nach dem Coming-Out von Thomas Hitzl­sperger kam immer wieder das Thema Homo­se­xua­lität im Män­ner­fuß­ball auf. Was ist Ihrer Mei­nung nach das größte Hin­dernis für schwule Profis, ein nor­males Leben ohne Ver­steck­spiel zu führen?
Fuß­ball gilt noch immer als Män­ner­sport, die Fans for­dern echte Kerle‘‘ auf dem Rasen. Trans­se­xu­elle und homo­se­xu­elle Spieler passen gemäß der weit ver­brei­teten Vor­ur­teile und Kli­schees nicht in dieses Bild. Schwule Fuß­baller haben des­wegen heut­zu­tage noch immer einen schweren Stand und wenden sich folg­lich nicht an die Öffent­lich­keit. Auch um Belei­di­gungen und Dro­hungen zu ent­gehen. Hier sind die Ver­eine und Ver­bände gefor­dert. Ab und an mal eine Trans­pa­rent gegen Dis­kri­mi­nie­rung hoch­zu­halten, reicht nicht aus: In den Ver­einen muss Diver­sität wirk­lich gelebt werden. Homo­se­xu­elle Spieler, die keine Lust mehr auf ein Ver­steck­spiel haben, müssen ermu­tigt und unter­stützt werden.

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Mitt­ler­weile gibt es zumin­dest eine Menge Fan- und Ultra­gruppen, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, Homo- und Trans­phobie aus den Sta­dien zu ver­bannen.
Das war mir so gar nicht bewusst. Ich muss aber auch zugeben, dass ich kein Experte für die deut­sche Fan­szene bin. Wenn sich viele Fans für Tole­ranz und gegen Dis­kri­mi­nie­rung enga­gieren, finde ich das sehr löb­lich und unter­stüt­zens­wert. Sol­chen Leuten wird von den großen Medi­en­an­stalten zu wenig Platz in der Bericht­erstat­tung ein­ge­räumt. Sie kon­zen­trieren sich lieber auf das Nega­tive, das ist medi­en­wirk­samer. Leider. Den­noch bin ich sehr dankbar dar­über, in Deutsch­land geboren worden zu sein. Natür­lich ist hier noch nicht alles per­fekt, was Gleich­be­rech­ti­gung für trans‑, inter- und homo­se­xu­elle Men­schen angeht, den­noch sind wir in der Bun­des­re­pu­blik im Ver­gleich zu anderen Orten dieser Welt deut­lich fort­schritt­li­cher in Sachen Eman­zi­pa­tion. Darauf dürfen wir uns aber nicht aus­ruhen. Die Auf­klä­rung muss wei­ter­gehen.