Fabian Schröder hieß früher Cindy und spielte im Tor von Grün-Weiß Eimsbüttel. Anlässlich der Sport Pride 2020 haben wir mit dem 33-Jährigen gesprochen, um zu erfahren, wie die Reaktionen auf seine Transition aussahen und wie er Homo- und Transphobie im Fußball wahrnimmt.
Fabian Schröder, wofür steht Sport Pride im Jahr 2020?
Bei der Sport Pride handelt es sich um einen Ableger der Global Pride, einer Social Media-Kampagne, in der lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Sportler_innen eine Bühne bekommen sollen. Es soll auf die Wichtigkeit von Toleranz, Vielfalt und Diversität in unserer Gesellschaft und insbesondere im Sport aufmerksam gemacht werden. Am Samstag nehme ich in diesem Rahmen an einer Podiumsdiskussion teil. Mit dem Hashtag #SportPride2020 können alle Menschen ihre diesbezüglichen Botschaften und Erlebnisse in den sozialen Netzwerken teilen.
Sie sind biologisch gesehen als weibliche Person zur Welt gekommen. Wann kam der Moment, in dem Sie wussten, dass Sie eigentlich ein Mann sein möchten?
Seit Kindestagen wusste ich, dass irgendetwas nicht stimmt und dass ich mich nicht wohlfühle als Mädchen beziehungsweise als Frau. Über die Möglichkeit einer Transition (der Begriff Geschlechtsumwandlung gilt als veraltet, d. Red.) war ich mir damals aber noch nicht im Klaren. Und selbst wenn ich darüber informiert gewesen wäre: Ich komme aus einer ländlichen Gegend, wo jeder und jede schief angeschaut wird, wenn er oder sie nicht der Norm entspricht. Zudem entstamme ich einem sehr konservativen Elternhaus, in dem ein klassisches Rollenbild von Mann und Frau vorherrschte. Auf Verständnis wäre ich in diesem eher weniger toleranten Umfeld nicht gestoßen. Mein inneres Outing, also die Erkenntnis, dass ich transident bin, hatte ich erst 2013. Danach wurde ich durchaus auch mal angefeindet und gefragt, ob ich auf den Kopf gefallen sei oder ob ich als Kind zu heiß gebadet worden wäre.
Sie haben viele Jahre aktiv Fußball gespielt. Wie haben ihre Mitspielerinnen und die Leute im Verein darauf reagiert, dass Sie ihr Geschlecht angleichen wollen?
Meine Mitspielerinnen bei Grün-Weiß Eimsbüttel haben meine Entscheidung mit einem lachenden und einem weinenden Auge aufgefasst. Soll heißen: Sie waren einerseits froh, dass ich diesen Schritt gehe, um fortan ein für mich glückliches Leben führen zu können. Andererseits waren sie traurig, weil sie mit mir eine Mannschaftskameradin und vor allem ihre Torhüterin verlieren sollten (lacht). Wirklich negative oder ablehnende Reaktionen gab es im Verein überhaupt nicht.
Dennoch mussten Sie den Verein verlassen.
Der Fußball kennt nur Männer und Frauen. Wenn du biologisch gesehen als Frau geboren wirst und den Weg einschlägst, ein Mann zu werden, dann musst du auch mit den Konsequenzen leben und darfst eben nicht mehr bei den Damen mitspielen. Durch die dreimonatliche Verabreichung von Sexualhormonen wäre ich übrigens sowieso nicht mehr spielberechtigt gewesen. „Doping‘‘ ist schließlich auch im Amateursport nicht erlaubt. Das sind die Regeln, die erkenne ich an. Ich war daher gezwungen, meine Karriere in der Damenmannschaft zu beenden.
Sie bekamen Testosteron gespritzt, damit ihr äußeres Erscheinungsbild „männlicher‘‘ wird?
Genau. Dadurch hat eine spezifische Gesichts- und Körperbehaarung eingesetzt. Ich habe quasi eine zweite Pubertät durchmachen müssen. Eines kann ich sagen: Die Pubertät ist die Hölle! Es reicht eigentlich, sie einmal durchleben zu müssen (lacht). Doch im Endeffekt war es mir das wert – ganz ohne Zweifel.
Ging es für Sie dann in der Herrenmannschaft weiter?
Grün-Weiß Eimsbüttel hat tolle Arbeit geleistet. Sie sind nach meiner vollständigen Transition mit offenen Armen auf mich zugekommen und haben mir das Angebot unterbreitet, bei den Männern zu spielen. Das habe ich allerdings dankend abgelehnt. Zum einen wegen eines Kreuzbandrisses, zum anderen weil ich mit 1,66 Meter nicht die besten Voraussetzungen mitbringe, um bei den Männern mitzuhalten. Besonders nicht als Keeper, dafür ist die physische Bipolarität einfach doch zu stark ausgeprägt.
Der Berliner Fußballverband geht in die Offensive und will ab dem 1. Juli 2020 Trans- und Intermenschen, die in ihrem Pass „divers‘‘ als Geschlecht angegeben haben, ermöglichen, am organisierten Spielbetrieb teilzunehmen? Begrüßen Sie diesen Schritt?
Ich finde es genial, dass der Verband so progressiv agiert und damit eine Art Vorreiterrolle einnimmt. Der BFV gibt durch diesen Beschluss auch Menschen, die sich in einer Transition befinden, die Möglichkeit, ohne Einschränkungen am Fußballsport partizipieren zu können. Ob sich das so schnell auch auf nationaler Ebene im Profifußball durchsetzen wird, wage ich aber zu bezweifeln. Es gibt immer Menschen, die sich an Neuerungen stören – gerade wenn es um viel Geld geht.
Nach dem Coming-Out von Thomas Hitzlsperger kam immer wieder das Thema Homosexualität im Männerfußball auf. Was ist Ihrer Meinung nach das größte Hindernis für schwule Profis, ein normales Leben ohne Versteckspiel zu führen?
Fußball gilt noch immer als Männersport, die Fans fordern „echte Kerle‘‘ auf dem Rasen. Transsexuelle und homosexuelle Spieler passen gemäß der weit verbreiteten Vorurteile und Klischees nicht in dieses Bild. Schwule Fußballer haben deswegen heutzutage noch immer einen schweren Stand und wenden sich folglich nicht an die Öffentlichkeit. Auch um Beleidigungen und Drohungen zu entgehen. Hier sind die Vereine und Verbände gefordert. Ab und an mal eine Transparent gegen Diskriminierung hochzuhalten, reicht nicht aus: In den Vereinen muss Diversität wirklich gelebt werden. Homosexuelle Spieler, die keine Lust mehr auf ein Versteckspiel haben, müssen ermutigt und unterstützt werden.
Mittlerweile gibt es zumindest eine Menge Fan- und Ultragruppen, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, Homo- und Transphobie aus den Stadien zu verbannen.
Das war mir so gar nicht bewusst. Ich muss aber auch zugeben, dass ich kein Experte für die deutsche Fanszene bin. Wenn sich viele Fans für Toleranz und gegen Diskriminierung engagieren, finde ich das sehr löblich und unterstützenswert. Solchen Leuten wird von den großen Medienanstalten zu wenig Platz in der Berichterstattung eingeräumt. Sie konzentrieren sich lieber auf das Negative, das ist medienwirksamer. Leider. Dennoch bin ich sehr dankbar darüber, in Deutschland geboren worden zu sein. Natürlich ist hier noch nicht alles perfekt, was Gleichberechtigung für trans‑, inter- und homosexuelle Menschen angeht, dennoch sind wir in der Bundesrepublik im Vergleich zu anderen Orten dieser Welt deutlich fortschrittlicher in Sachen Emanzipation. Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen. Die Aufklärung muss weitergehen.