Mario Gómez sah sich in seiner Karriere oft unverhältnismäßig scharfer Kritik ausgesetzt. Nun hat der Mittelstürmer, der immer nur Tore schießen wollte, seine Karriere beendet.
Gómez ergreift daraufhin die Flucht aus München und hatte bei seinem neuen Verein, den AC Florenz, mit zahlreichen Verletzungen zu kämpfen. Die hohen Erwartungen der Tifosi, die bei seiner Eröffnung das komplette Florenzer Stadion füllten, konnte er nicht befriedigen. Zudem ist Gómez, der sonst für den DFB jedes Turnier zwischen 2008 und 2018 bestritt, ausgerechnet 2014 kein Teil des deutschen Weltmeister-Kaders. Seinen Torinstinkt findet der Torero dann zur Saison 2015/16 am Bosporus wieder. Für Besiktas Istanbul erzielt er in 33 Spielen 26 Tore und führt die Schwarzen Adler zum Meistertitel in der Türkei.
Die schwierige politische Lage führte dazu, dass Gómez die Türkei nach nur einem Jahr wieder verließ und nach Deutschland, zum VfL Wolfsburg, zurückkehrte. Dort blieb er wohl vor allem wegen der Relegation gegen Braunschweig in Erinnerung. Neben seinem unberechtigt herausgeholten Elfmetertreffer, zeigte Gómez eine Selbstironie, die Profifußballern sonst nur schwer abgeht. Nach dem geschafften Klassenerhalt sang er zusammen mit seinen Mannschaftskollegen: „Mario Gómez ist ein Hurensohn“. Eine Hommage an die Braunschweiger Fans, die ihn so begrüßt hatten.
Auch sonst ist das weichgespülte Image, das Gómez mitunter anhaftet, nicht begründet. Gómez war auf dem Spielfeld nie ein Lautsprecher oder ein Mentalitätsmonster, der eine Mannschaft alleine mitriss. Trotzdem war er meinungsstark und hielt mit seinen Ansichten nicht hinter dem Berg, sobald ihm etwas nicht passte. So bezeichnete er Gegenspieler Maik Franz aufgrund seiner Spielweise als „Arschloch“, kritisierte die eigenen Fans, wenn sie die Mannschaft aus seiner Sicht nur mangelnd unterstützten, oder erklärte den Videobeweis als „Katastrophe für Stürmer“.
Dabei sollte sich Gómez nicht allzu sehr grämen. Dank VAR hat er seinen Rekorden, wie denen für den schnellsten Bundesliga-Auswärtshattrick oder den für die meisten erzielten Tore eines Deutschen in einem Champions-League-Spiel (vier gegen den FC Basel), einen weiteren hinzugefügt. Einen, den wohl so schnell niemand brechen wird. Dem Stuttgarter wurden gegen den SV Sandhausen in nur einem Spiel gleich drei Tore durch den Videoschiedsrichter aberkannt.
Dass Gómez in seiner letzten Profisaison überhaupt noch einmal gegen den SV Sandhausen in der 2. Liga antreten musste, liegt auch daran, dass Gómez sein Wort hielt. Aus Wolfsburg zum VfB Stuttgart zurückgekehrt, verlor er mit den Schwaben in der Saison 2018/19 überraschend in der Relegation gegen Union Berlin. Einen Tag später versprach er, „den sportlichen Schaden zu reparieren“ und „den Verein in dieser Lage nicht zu verlassen“.
Und Gómez half mit den Schaden zu beheben. Er schoss wichtige Tore für den VfB, sodass Stuttgart trotz einer schwierigen Saison die direkte Rückkehr in die Bundesliga gelang. Dabei war der Mittelstürmer nicht nur als Goalgetter sondern auch als Führungsfigur wichtig. Gómez durfte nach dem Re-Start zwar kaum noch spielen, haderte aber nicht mit seiner Rolle. Ganz im Gegenteil. Er stellte sich den Dienst der Mannschaft und unterstützte das Team als Motivator vom Seitenrand.
Am Wochenende durfte Mario Gómez schließlich noch einmal von Anfang an auf den Platz. Und auch diesmal ertönte wieder die legendäre Tor-Musik, die immer nach seinen Toren gespielt wird: „Mario Gómez cha cha cha“. Dem statistisch besten deutschen Stürmer des 21. Jahrhunderts würde es gerecht werden, wenn sich mehr Fußballfans an diese Melodie, anstatt an seine unglückliche Aktion gegen Österreich erinnern würden. Wenn sie sich an einen Stürmer erinnern, der nur eines wollte: Tore schießen. Und das auch wie kaum ein Zweiter tat.