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Es gibt keine Kleinen mehr im Welt­fuß­ball. Bis auf San Marino. Hier leben knapp 33.000 Men­schen. Das diese Nation über­haupt eine Fuß­ball-Natio­nal­mann­schaft stellt, ist eh schon ein kleines Wunder.

Das Wunder aller Wunder

Es gibt keine Wunder mehr. Außer in San Marino. Hier freut man sich noch über die kleinen Erfolge. Wie das erste Län­der­spieltor der Geschichte, geschossen von einem Mann namens Waldes Paso­lini beim 1:3 gegen Rumä­nien am 27. März 1991. Oder das erste nicht-ver­lo­rene Län­der­spiel am 10. März 1993 (0:0 gegen die Türkei). Und natür­lich das Wunder aller san-mari­ne­si­schen Wunder: Jenes bis heute umju­belte 1:0 gegen Liech­ten­stein am 28. April 2004. Schade eigent­lich, dass nur 700 Zuschauer zugegen waren, als Andy Selva damals nach sechs Minuten das gol­dene Tor gelang. Jener Selva ist mit acht Tref­fern übri­gens Rekord­tor­schütze seines Landes.

Andy Selva stand auch ges­tern im Kader seiner Natio­nal­mann­schaft. Er ist inzwi­schen 39, da reicht es selbst in San Marino nicht mehr zum Stamm­platz. 80 Minuten lang saß Selva im Vetra-Sta­dion zu Vil­nius auf der Bank und hatte so immerhin einen tollen Blick auf das nächste Wunder seiner Lands­leute im EM-Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiel gegen Litauen.

Tor­ver­hältnis: 20:561

Das begann, wie solche Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiele für San Marino eben beginnen: mit einem Gegentor. Nach sieben Minuten traf Litauens Fiodor Cer­nych zum 1:0. Das Spiel war damit eigent­lich so gut wie ver­loren. Nicht, weil San Marino schon die drei vor­an­ge­gan­genen Par­tien ver­loren hatte – 0:6 gegen Eng­land, 0:2 gegen Est­land, gar 0:1 gegen Liech­ten­stein. Nein, weil San Marino eigent­lich nie ein Aus­wärtstor erzielt. Das letzte dieser Art fiel am 25. April 2001 im Skonto-Sta­dion, der Heim­spiel­stätte der let­ti­schen Aus­wahl. 1:1 endete das Match damals. Auch so ein Wunder.

Tore, gerade auf aus­wär­tigen Plätzen, sind für das kleine Land also offen­sicht­lich ein rie­siges Pro­blem. Kein Wunder bei einer Nation, die in 131 Län­der­spielen 126 Mal verlor und ein Tor­ver­hältnis von 20:561 vor­zu­weisen hat. Wie soll man dabei das Tore schießen lernen?

In der 55. Minute der Partie gegen Litauen pas­sierte dann aber fol­gendes: die Gast­geber ver­tän­delten leicht­fertig den Ball und ermög­lichten einen über­ra­schenden Konter der Gäste. Den Litauens Tor­wart Gie­drius Arlauskis nur mit einer Not­bremse gegen den her­an­stür­menden Matteo Vitaioli zu stoppen wusste – Rot für den Schluss­mann, Frei­stoß für San Marino.

Der Schütze spielt in der vierten ita­lie­ni­schen Liga

Den legte sich der Gefoulte selbst zurecht. Matteo Vitaioli. Ein 25-jäh­riger Modell­athlet, 1,88 Meter groß und lange Zeit das größte Talent des san-mari­ne­si­schen Fuß­balls. Bei­nahe wäre er für den FC Empoli mal zu einem Ein­satz in der Serie A gekommen. Aber eben nur bei­nahe. Aktuell steht Vitaioli beim AC Samm­au­rese unter Ver­trag. Serie D, vierte Liga.

Eher unter­klassig sah dann auch die Frei­stoß­va­ri­ante aus, die sich San Marino aus­ge­dacht hatte. Linksfuß täuscht kurz an, Rechtsfuß (Vitaioli) haut ein­fach drauf. Eine viel­leicht dann doch nicht so dumme Idee, war doch Ersatz­tor­wart Vytautas Cer­ni­auskas gerade erst ein­ge­wech­selt worden. Matteo Vitaioli zog also ab, Cer­ni­auskas riss die Fäuste nach oben, erwischte den Ball nicht richtig – und, oh Wunder, der Ball lan­dete im Netz. 1:1 nach 55 Minuten. Das erste Aus­wärtstor nach 14 Jahren. Nach 34 Spielen. Nach 3060 Minuten.

Alle durften sich mit­freuen

Die Bilder vom san-mari­ne­si­schen Tor­jubel sind bereits um die Welt gegangen. Sie zeigen eine Mann­schaft samt Trai­ner­stab in Ekstase, schwit­zende glück­liche Männer liegen auf­ein­ander, springen durch­ein­ander, wissen nicht, wohin mit ihren Emo­tionen. Es sind fan­tas­ti­sche Szenen, auch des­halb, weil der geübte Fuß­ballfan auf solche Gefühls­explo­sionen nor­ma­ler­weise bis zum Ende einer span­nenden Saison oder eines End­spiels warten muss. Ges­tern bekam er das bereits nach 55 Minuten in einer Partie zwi­schen dem Vor­letzten (Litauen) und dem Letzten (San Marino) der EM-Quali-Gruppe E geboten. Ein kleines Wunder, und alle durften sich mit­freuen.

Am Ende übri­gens auch die Litauer. Sie gewannen noch mit 2:1 durch ein Tor von Lukas Spalvis in der Nach­spiel­zeit. Armes San Marino? Wohl kaum. Es galt ja ein Wunder zu feiern. Und den dafür not­wen­digen Humor haben sie offenbar auch. Der Twitter-Account des Ver­bandes wies dezent auf einen Vor­teil in einem eigent­lich unglei­chen Duell hin: Tore von San Marino im Sep­tember: 1. Tore von Cris­tiano Ronaldo im Sep­tember: 0“.