Gut, das Ergebnis natürlich nicht. Aber die heiße Nacht von Köpenick war auch eine Erinnerung daran, was für ein Erlebnis Fußball an bestimmten Tagen und Orten immer noch sein kann. Die Bierstube mit den hausgemachten Frikadellen, von der aus man am Wasser entlang zum Stadion laufen kann und durch die Bäume schon die altmodischen Flutlichtmasten sieht – das ist natürlich totales Union-Berlin-Klischee, aber es ist eben auch Realität und erzeugt eine ganz andere Art von Grundstimmung als eine Fahrt mit dem Shuttle vor die Tore der Stadt, in diese neuen Industriegebiete, in denen heute Fußball hergestellt wird.
Das nächste Klischee ist die Alte Försterei selbst, aber auch sie ist ja Realität. Man hat sich daran gewöhnt, dass Stadien nach Weingummi oder Wettanbietern heißen, dass Ecken und Gelbe Karten auf flackernden Leinwänden von Sponsoren präsentiert werden und dass man nach Toren der Heimmannschaft keinen Jubel hören kann, weil sofort ein infernalisches Getöse aus den Lautsprechern wummert, das entfernt an Musik erinnert. Aber es geht auch ohne all das. Man muss nur ab und zu mal daran erinnert werden.
Folklore und Tradition
Selbst die fünfminütige Konfusion Mitte der ersten Hälfte war fast so etwas wie eine Reise in die Vergangenheit. Wie sich später herausstellte, entstand sie durch die fast schon folkloristisch traditionelle Kombination von schlechter Planung (für ein paar Union-Fans, die auf dem Dach der Heimtribüne bei einer Choreo geholfen hatten, gab es nur nur einen Weg herab: hinter der Gästetribüne), hysterischer Gerüchte und überzogener Polizeiarbeit (die Ordnungskräfte nahmen offenbar einige Gästefans fest, die sich von den paar Unionern provoziert fühlten oder provoziert fühlen wollten, und setzten dabei recht unkontrolliert Reizgas ein). Bedrohlich war das Ganze bei uns jedenfalls nicht. Vielleicht würde ich das anders sehen, wenn mein Sohn noch klein wäre. Aber das ist er eben nicht, also nahmen wir das Alphatiergehabe aller Uniformierten (in Gelb, in Rot und in Anthrazit) ebenso gelassen hin wie das Feuerwerk.
Und sogar das Spiel war in gewissem Sinn altmodisch. Ein mit viel Geld zusammengestelltes Team glaubte, das Geschehen zu kontrollieren, und wartete auf Fehler – die es dann selbst machte. Der mutige Außenseiter glaubte an sich und sein Publikum und nutzte die Gunst der Stunde. Guardiola-Teams gewinnen solche Spiele trotzdem, wir nicht. Das hatte fast etwas Tröstliches. Fast könnte man sagen, wir haben verloren, aber der Fußball hat gewonnen.
Hat er vielleicht auch. Trotzdem wäre ich lieber in ein kaltes, funktionales Stadion in einer gesichtslosen Vorstadt gefahren und hätte gewonnen. Oder nicht? Hm, da muss ich kurz drüber nachdenken.