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Seite 2: Sogar das Spiel war altmodisch

Gut, das Ergebnis natür­lich nicht. Aber die heiße Nacht von Köpe­nick war auch eine Erin­ne­rung daran, was für ein Erlebnis Fuß­ball an bestimmten Tagen und Orten immer noch sein kann. Die Bier­stube mit den haus­ge­machten Fri­ka­dellen, von der aus man am Wasser ent­lang zum Sta­dion laufen kann und durch die Bäume schon die alt­mo­di­schen Flut­licht­masten sieht – das ist natür­lich totales Union-Berlin-Kli­schee, aber es ist eben auch Rea­lität und erzeugt eine ganz andere Art von Grund­stim­mung als eine Fahrt mit dem Shuttle vor die Tore der Stadt, in diese neuen Indus­trie­ge­biete, in denen heute Fuß­ball her­ge­stellt wird.

Das nächste Kli­schee ist die Alte Förs­terei selbst, aber auch sie ist ja Rea­lität. Man hat sich daran gewöhnt, dass Sta­dien nach Wein­gummi oder Wett­an­bie­tern heißen, dass Ecken und Gelbe Karten auf fla­ckernden Lein­wänden von Spon­soren prä­sen­tiert werden und dass man nach Toren der Heim­mann­schaft keinen Jubel hören kann, weil sofort ein infer­na­li­sches Getöse aus den Laut­spre­chern wum­mert, das ent­fernt an Musik erin­nert. Aber es geht auch ohne all das. Man muss nur ab und zu mal daran erin­nert werden.

Folk­lore und Tra­di­tion

Selbst die fünf­mi­nü­tige Kon­fu­sion Mitte der ersten Hälfte war fast so etwas wie eine Reise in die Ver­gan­gen­heit. Wie sich später her­aus­stellte, ent­stand sie durch die fast schon folk­lo­ris­tisch tra­di­tio­nelle Kom­bi­na­tion von schlechter Pla­nung (für ein paar Union-Fans, die auf dem Dach der Heim­tri­büne bei einer Choreo geholfen hatten, gab es nur nur einen Weg herab: hinter der Gäs­te­tri­büne), hys­te­ri­scher Gerüchte und über­zo­gener Poli­zei­ar­beit (die Ord­nungs­kräfte nahmen offenbar einige Gäs­te­fans fest, die sich von den paar Unio­nern pro­vo­ziert fühlten oder pro­vo­ziert fühlen wollten, und setzten dabei recht unkon­trol­liert Reizgas ein). Bedroh­lich war das Ganze bei uns jeden­falls nicht. Viel­leicht würde ich das anders sehen, wenn mein Sohn noch klein wäre. Aber das ist er eben nicht, also nahmen wir das Alpha­tier­ge­habe aller Uni­for­mierten (in Gelb, in Rot und in Anthrazit) ebenso gelassen hin wie das Feu­er­werk.

Und sogar das Spiel war in gewissem Sinn alt­mo­disch. Ein mit viel Geld zusam­men­ge­stelltes Team glaubte, das Geschehen zu kon­trol­lieren, und war­tete auf Fehler – die es dann selbst machte. Der mutige Außen­seiter glaubte an sich und sein Publikum und nutzte die Gunst der Stunde. Guar­diola-Teams gewinnen solche Spiele trotzdem, wir nicht. Das hatte fast etwas Tröst­li­ches. Fast könnte man sagen, wir haben ver­loren, aber der Fuß­ball hat gewonnen. 

Hat er viel­leicht auch. Trotzdem wäre ich lieber in ein kaltes, funk­tio­nales Sta­dion in einer gesichts­losen Vor­stadt gefahren und hätte gewonnen. Oder nicht? Hm, da muss ich kurz drüber nach­denken.