Ein kleiner Georgier mit Gold in den Fußspitzen ist bis heute das große Idol vieler Manchester-City-Fans. Selbst 68-Millionen-Euro-Zugänge müssen sich an ihm messen lassen.
Der hielt es ähnlich wie Edel-Fan Gallagher und wusste zunächst nicht, ob er sich ärgern oder freuen sollte, ein solches Talent in den eigenen Reihen zu wissen. Denn Kinkladse war ohne Zweifel ein viel zu guter Fußballer für diese Liga und diese Mitspieler, gleichzeitig aber auch niemand, den man in Gummistiefel auf den Acker schicken konnte, um den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen. Aber genau solche Leute brauchte City im Frühjahr 1998.
„Der falsche Mann am falschen Ort“
„Kinky“ hingegen hatte es trotz des miesen Saisonverlaufs ziemlich krachen lassen. Seit seiner Vertragsverlängerung bestbezahlter Spieler in der Geschichte von Manchester City, gönnte sich der eigentlich so introvertierte Georgier bisweilen branchentypische Aussetzer. Im November 1997 setzte der Mittelfeldstar seinen Ferrari gegen einen Baum, musste mit 30 Stichen genäht werden und zwei Spiele aussetzen. Kaum das Joe Royle das Sagen an der Maine Road hatte, war Kinkladses Zeit eigentlich abgelaufen. Royle: „Für die Fans war er immer das einzig Positive in dieser dunklen Zeit. Für mich war dagegen der falsche Mann am falschen Ort.“ Royles Meinung nach hatte der Personen-Kult um Manchesters Nummer Zehn dazu geführt, dass sich Kinkladses Mitspieler und damit das Team nicht weiter entwickeln konnten. Schlimmer noch: sogar immer schlechter wurden. Royles Reaktion darauf: er degradierte Kinkladse zum Bankdrücker.
Im entscheidenden Spiel der Saison wollte der neue Trainer dann aber doch nicht auf seinen Spielmacher verzichten. Die Queens Park Rangers, angeführt von Vinnie Jones, versprachen City einen knüppelharten Kampf – schon im Kabinengang versuchte Jones Kinkladse einzuschüchtern. Der antwortete auf seine Art und schoss ein Freistoßtor. Das 2:2 war trotzdem zu wenig – obwohl Manchester das letzte Saisonspiel gegen Stoke mit 5:2 gewinnen konnte, war der Klub abgestiegen.
Giorgi Kinkladze machte nie wieder ein Spiel für City. Nach der Saison wechselte er für fünf Millionen Pfund zu Ajax Amsterdam, blieb dort nur kurz, ließ sich zu Derby County ausleihen, von Derby County kaufen, hängte noch ein Jahr bei Anorthosis Famagusta ran und beendete seine Karriere schließlich 2006 bei Rubin Kasan.
Wie eine Orchidee auf dem Acker
Was bleibt sind 119 Einsätze und 22 Tore für Manchester City. Davon einige so schön, dass sie bis heute Platz finden, wenn mal jemand wieder ein „Greatest City-Goals of all time“ bei Youtube einstellt. Und die Erinnerung daran, dass dieser Wunderknabe doch tatsächlich seine Schuhe für den Klub schnürte, als jener eigentlich kein Platz hatte für solche Künstler. Mag sein, dass Kinkladse auf Dauer nicht gemacht war, den Verein wieder an die Spitze des englischen Fußballs zu befördern – das schafften andere in den Jahren danach. Aber für die Fans aus Manchester war es Balsam auf die geschundenen Seelen, einen so außergewöhnlichen Kicker in den eigenen Reihen zu wissen. Eine schöne bunte Orchidee auf dem Acker der Zweitklassigkeit. Vielleicht unnütz, vielleicht sogar hinderlich. Aber einfach herrlich anzusehen.
Wo sich Giorgi Kinkladse heute aufhält, ist nicht ganz klar. Vermutlich hat er irgendwo den Ball am Fuß und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein. Bei den Citizens lebt er in der Erinnerung weiter. Als jüngst für sagenhafte 68 Millionen Euro der junge Brite Raheem Sterling verpflichtet wurde, diskutierten im Netz und in den Pubs die City-Fans eine zentrale Frage: Kann Sterling der neue Giorgi Kinkladse werden? Nicht der neue Mario Balotelli, nicht der neue Carlos Tevez. Wenn der erst 20-jährige Sterling auch nur ein wenig Ahnung hat von der jüngeren Geschichte Citys, dann wird er wissen, dass seine neuen Anhänger ihm damit viel Ehre erweisen. Größere Fußstapfen als die die 1,73 Meter großen „Kinky“ Kinkladze gibt es an der Maine Road nämlich nicht.