Mathias Mehling organisiert mit Mitgliedern der aktiven Fanszene von Dynamo Dresden Hilfeleistungen für die Ukraine und war selbst vor Ort. Er spricht über die Situation an der polnisch-ukrainischen Grenze, die Hilfe der Dynamo-Fans und besondere Bilder aus dem Kriegsgebiet.
Mathias Mehling, vor einer Woche waren Sie noch an der polnisch-ukrainischen Grenze. Wie ist es dort?
Ich war das erste Mal am Samstag nach dem offiziellen Kriegsbeginn vor Ort. Da war die Situation bereits sehr unübersichtlich. Tag für Tag kommen mehr Menschen hinzu. Man ist mitten in einem Kriegsgebiet, erlebt hautnah mit, wie die Situation für die Menschen vor Ort ist. Das nimmt einen emotional schon enorm mit. Das sind schreckliche Bilder. Eines ist mir davon besonders im Kopf geblieben: Ich stand unmittelbar daneben, als ein Kind mit seiner Mutter die Grenze überquerte. Voller Erwartung, dass auf der anderen Seite der Vater warten würde, um sie in Empfang zu nehmen. Doch der war nicht da. Man sieht, wie das Kind weint und schreit, wie die Mutter weint. Danach musste ich mich erstmal kurz sammeln.
Sie organisieren gemeinsam mit dem Dresdner Fanprojekt und weiteren Mitgliedern der Dynamo-Fanszene Hilfeleistungen für die Ukraine. Wie sehen die aus?
Wir haben uns auf drei Säulen der Hilfe spezialisiert: Zuerst einmal das Sammeln von Sachspenden für die Menschen in der Ukraine. Dann der Personentransport von Geflüchteten an der ukrainischen Grenze, den wir selbst organisieren. Zu guter Letzt sammeln wir natürlich auch Geldspenden, von denen wir notwendige Artikel beschaffen oder den Transport organisieren.
Über welche Summe reden wir?
Wir haben bisher knapp 45.000 Euro gesammelt. Außer dieser Summe, die sich auf jeden Fall sehen lassen kann, kommt natürlich einiges an Sachspenden zusammen. Unter anderem haben wir von dem Geld auch einen gebrauchten Krankentransporter gekauft. Auf diesen Bedarf hatten uns unsere Kontaktpersonen vor Ort aufmerksam gemacht. Wir sind gerade dran, noch einen Zweiten zu besorgen.
Mit welchen Personen arbeiten Sie dafür zusammen?
Organisiert wird die Aktion grundsätzlich von der Dresdner Support UA Gruppe in Zusammenarbeit mit dem Fanprojekt. An die Grenze fahren wir dann selbst und stehen in Kontakt mit Ansprechpartnern vor Ort. Die Verbreitung läuft hauptsächlich über Mundpropaganda. Natürlich versuchen wir auch, die Aktion über verschiedene Social-Media-Accounts zu teilen, dabei sind unsere Möglichkeiten als Einzelpersonen mit eher geringer Reichweite allerdings begrenzt. Dennoch sind wir hier sehr dankbar, das Fanprojekt an unserer Seite zu haben, da von deren Seite aus schon ein gewisser Einfluss in der Dynamo-Fanszene besteht. Wir haben gemerkt: Es geht hier vor allem um Vertrauen. Die Mitglieder der aktiven Fanszene wissen, dass sie sich auf das Fanprojekt verlassen können. Das erhöht die Spendebereitschaft. Die Leute wissen, dass mit ihrem Geld wirklich etwas Sinnvolles angestellt wird.
Gab es Unterstützung von Vereinsseite?
Die gab es tatsächlich. Einige Spieler und Mitarbeiter des Clubs haben sich zusammengetan und haben Geld für unser Projekt gesammelt. Ein paar davon unterstützen uns auch selbst aktiv. Einige wollen selbst an die ukrainische Grenze fahren oder bieten anderweitige Hilfe an. Gerade in dieser Zeit merken wir, wie groß der Einfluss von Profifußballern sein kann.
„Wir haben bereits 55 Menschen aus dem Kriegsgebiet mitnehmen können“
Wenn Sie vor Ort sind, organisieren Sie auch den Transport von Geflüchteten. Wie läuft das ab?
Insgesamt haben wir bereits etwa 55 Menschen aus dem Grenzgebiet mitnehmen können. Das war zu Beginn noch etwas schwierig, da viele die Entwicklung erst abwarten und nicht direkt weg wollten. Wir haben gemerkt: Es handelt sich immer noch um ihre Heimat. Mittlerweile sind es schon deutlich mehr Menschen, die dankbar für so eine Möglichkeit sind. Wir bringen die Geflüchteten dann entweder in verschiedene polnische Städte oder nehmen sie mit nach Dresden.
Wie geht es dort für sie weiter?
Viele haben bereits eine Anlaufstelle, an die sie sich wenden können. Entweder in Dresden selbst oder in einem anderen Teil von Deutschland, wohin sie dann von Dresden aus weiterreisen. Aktuell organisieren wir die Unterbringung noch privat über Freunde, Bekannte und Familie. Wir loten allerdings gerade verschiedene Möglichkeiten aus. Unter anderem gibt es Hotels, die in Zukunft eventuell Zimmer für Geflüchtete umsonst zu Verfügung stellen würden.
Sie halten die Hilfsaktion als Fotograf fest. Auf was achten Sie beim Fotografieren besonders?
Ehrlich gesagt ist es mir wichtig, dass auf meinen Bildern keine Gesichter zu sehen sind, davor habe ich Hemmungen. Vor Ort gibt es mehr und mehr Fotografen, die Bilder gehen um die ganze Welt. Da muss ich mit meinen Bildern nicht das persönliche Schicksal von Einzelpersonen zeigen. Ansonsten will ich einen Einblick in unsere Hilfsaktion und die Situation vor Ort verschaffen. Damit zeigt man den Menschen auch, dass ihre Spende wirklich ankommt.
Gibt es ein Bild, welches Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, das gibt es tatsächlich, eines taucht immer wieder in meinem Kopf auf. Das Bild, das ich von der ukrainischen Grenze gemacht habe, als wir zum ersten Mal dort angekommen sind. Da haben wir erst so richtig realisiert: Ein paar Meter weiter herrscht Krieg.
Wie können Interessierte Ihre Hilfsaktion unterstützen?
Grundsätzlich natürlich mit Spenden. Das geht unter https://www.betterplace.me/support-ua-hilfe-aus-dresden. Für sonstige Informationen über Sachspenden oder den Personentransport ist die Website des Fanprojekts (www.fanprojekt-dresden.de) der richtige Ort. Natürlich freuen wir uns auch über jeden, der unsere Aktion über Social Media teilt und verbreitet.