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Andreas Beck, spre­chen Sie gerne über Politik?
Natür­lich mache ich mir Gedanken über bestimmte Gescheh­nisse und Ent­wick­lungen. Trotzdem gibt es für Pro­fi­sportler ange­neh­mere Dinge, als in der Öffent­lich­keit dar­über zu spre­chen. Momentan komme ich aber nicht drum herum.
 
Alleine 2016 gab es sieben grö­ßere Anschläge in der Türkei. Zuletzt das Attentat auf den rus­si­schen Bot­schafter in Ankara und das Bom­ben­at­tentat direkt am neuen Bes­iktas-Sta­dion. Haben Sie nie an einen Wechsel gedacht?
Zuge­geben: Wenn so etwas pas­siert, hat man schon kurz ein mul­miges Gefühl. Aber man darf nicht glauben, dass die Ter­ror­an­schläge das Leben in Istanbul zum Still­stand bringen und die Leute sich in ihren Woh­nungen ver­bar­ri­ka­dieren. Die Anschläge sind fürch­ter­lich und machen traurig, aber sie über­la­gern nicht alles. Die Leute sind wei­terhin positiv, sie strahlen eine große Lebens­freude und Herz­lich­keit aus. Das ist ein wich­tiger Aspekt bei der Beur­tei­lung einer Lebens­si­tua­tion. Für mich einer der wich­tigsten.
 
Wie haben Sie vom Bom­ben­an­schlag neben dem Bes­iktas-Sta­dion am 10. Dezember erfahren?
Wir spielten an jenem Abend gegen Burs­aspor. Die Partie endete um kurz vor neun, und ich ver­ließ das Sta­dion etwa 40 Minuten später. Unser Dol­met­scher nahm mich mit, ich wohne nur drei Kilo­meter vom Sta­dion ent­fernt, mitten im Stadt­teil Bes­iktas. Kurz nachdem ich dort ange­kommen war, hörten meine Frau und ich die Deto­na­tion.
 
Waren noch Mit­spieler im Sta­dion?
Glück­li­cher­weise nicht. Noch am Abend habe ich über unsere Bes­iktas-Whats-App-Gruppe erfahren, dass es allen gut geht. Aber das Wissen, dass nach einem Spiel von uns so viele Men­schen getötet oder ver­letzt wurden, ist sehr beklem­mend. Die Stim­mung am nächsten Morgen in Kabine war daher nicht gut. Aber wir spra­chen dar­über, und uns war schnell klar, dass es wei­ter­gehen muss.
 
Wie erlebten Sie den Putsch­ver­such auf Erdogan und seine Regie­rung im Juli?
Ich muss jeden Tag über die Bos­porus-Brücke, denn unser Trai­nings­ge­lände liegt auf der asia­ti­schen Seite. Kurz bevor die Brücke abge­rie­gelt wurde, hatte ich sie auf dem Weg nach Hause über­quert. Später konnten wir die Düsen­jäger hören und sehen. Danach haben mich viele Leute gefragt, wie sicher es hier noch ist. Ich finde, man sollte den Gesamt­kon­text sehen, Es geht in dieser ganzen Dis­kus­sion ja nicht nur um Istanbul. Momentan kann es überall auf der Welt Anschläge geben. Wir mussten es leider gerade in Berlin erleben.
 
Mario Gomez hat die Türkei im Sommer wegen der poli­ti­schen Situa­tion ver­lassen. War das ein vor­ge­scho­bener Grund?
Glaube ich nicht. Letzt­lich muss jeder selbst ent­scheiden, wie sehr ihn die Ver­hält­nisse belasten. Sport­lich hätte er zumin­dest keine Gründe gehabt, den Verein zu wech­seln. Wir waren gerade Meister geworden und hatten uns für die Cham­pions League qua­li­fi­ziert. Er war außerdem Tor­schüt­zen­könig geworden.

Spre­chen wir über Fuß­ball. Bes­iktas liegt momentan auf dem zweiten Platz der Süper Lig. Tabel­len­führer ist Istanbul Basak­sehir. Über­rascht Sie das?
Basak­sehir hat einen guten Kader, außerdem spielte die Mann­schaft schon in der ver­gan­genen Saison einen guten Fuß­ball und wurde Vierter.
 
Trotzdem machen in Fan­kreisen die ersten Ver­schwö­rungs­theo­rien die Runde. Basak­sehir ist schließ­lich der Lieb­lings­verein von Prä­si­dent Recep Tayyip Erdogan.
Über so etwas mache ich mir keine Gedanken. Solche Theo­rien gab es teil­weise auch schon in der letzten Saison. Am Ende wurden wir aber Meister.

Was haben Sie nach dem 0:6 in der Cham­pions League gegen Kiew gedacht?
Eine ähn­liche Geschichte. Da denkst du auch, dass das alles nicht wahr sein kann. So viele Ent­schei­dungen gegen uns! Aber du darfst dich als Profi nicht mit so etwas auf­halten. Man sollte sich auf das eigene Spiel kon­zen­trieren.
 
Was lief gegen Kiew falsch? 
Da kam einiges zusammen. Es gab unter anderem einige unglück­liche Schieds­richter-Ent­schei­dungen. Etwa die Rote Karte gegen mich, die keine war. Ich habe mir die Situa­tion noch ein paar Mal ange­schaut. Der Gegen­spieler drückt mich weg, ich falle, und er stürzt über mich. Der Schieds­richter hatte eine ideale Sicht auf die Szene, aber er ent­schied auf Not­bremse und Elf­meter. Danach bra­chen wir ein. Als Vin­cent Abou­bakar in der zweiten Halb­zeit auch runter musste, war das Spiel gelaufen.


 
Der ehe­ma­lige Gala­ta­saray-Trainer Reiner Holl­mann erzählte, dass er nach herben Nie­der­lagen nicht vor die Tür ging. Wie war das bei Ihnen nach der Klat­sche gegen Kiew?
Unsere Fans haben das Spiel richtig ein­ge­ordnet und uns mit Applaus emp­fangen. Wir hatten bis dahin eine tolle Cham­pions-League-Saison gespielt. In einer Gruppe mit dem SSC Neapel, Ben­fica Lis­sabon und Dynamo Kiew waren wir bis zu diesem Spiel unge­schlagen geblieben. Wir sind nur wegen dieser einen Nie­der­lage aus­ge­schieden.
 
Und ganz gene­rell: Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?
Istanbul ist extremer als Deutsch­land. Als Fuß­ball­profi wirst du ständig ange­spro­chen und umla­gert. Für mich ist es nahezu unmög­lich, uner­kannt zu bleiben. Mich erkennt man zu leicht an meinen Haaren. Ich gehe daher oft mit Mütze und Son­nen­brille raus.
 
Als Sie nach Ihrem Wechsel am Istan­buler Flug­hafen ankamen, erkannten die Fans Sie kaum.
Sie spielen auf das Foto an, auf dem ich alleine mit einem Roll­koffer zu sehen bin. Es ist nun mal so, dass Offen­siv­spieler viel fre­ne­ti­scher emp­fangen werden als Abwehr­spieler. Aber glauben Sie mir: Es waren bei meiner Ankunft auch ein paar Leute vor Ort. Man sieht sie nur nicht auf dem Foto. (Lacht.)
 
Dafür waren Sie bei den Mit­spie­lern umso beliebter. Zumin­dest rufen die bis heute ständig Ihren Nach­namen.
Bek heißt über­setzt Ver­tei­diger“ oder zurück“. Anfangs habe ich mich im Trai­ning oft gewun­dert, dau­ernd riefen die Jungs: Bek, Bek, Bek. 
 
Mein Name fiel ver­mut­lich auch häu­figer.
Was bedeutet der?
 
Bok heißt Scheiße“.
(Lacht.)