Everton-Legende Neville Southall schießt gegen Politiker, wie es wohl noch nie ein Fußballer getan hat. Vor allem auf Premierminister Boris Johnson ist er, vorsichtig ausgedrückt, sauer. Über einen, der kein Blatt vor den Mund nimmt.
Auf ein Schuldeingeständnis des im April selbst schwer an Corona erkrankten „Brexit-Boris“ hofft Southall jedoch nicht: „Johnson wird wie immer nach einer Entschuldigung suchen. Genau wie Trump schert er sich um nichts. Schauen Sie, was er im Moment beispielsweise mit Europa macht (Boris Johnson hat vorgeschlagen, gegen das Völkerrecht zu verstoßen, indem man einen Teil des Brexit-Abkommens mit der EU einfach einseitig neu formuliert; d. Red.). Wenn Sie eine bestimmte Art von Politiker sind, scheint es akzeptabel zu lügen und zu betrügen. Sie können behaupten, was Sie wollen, und die Leute werden sagen: ‚Oh, so ist er eben. Hat Boris seine Sache ansonsten nicht gut gemacht?‘ Was hat er denn gut gemacht? Mir fällt nichts ein.“
Stattdessen, so Southall, habe Johnson „versucht, Asylsuchende als Feinde darzustellen, um alle von Covid abzulenken. Jedes Mal, wenn er eine Krise hat, sagt er, dass jemand anderes schuld ist. Er scheint immer ein Opfer zu sein, anstatt etwas Hilfreiches zu tun.“ Laut Southall bedürfe es deshalb einer politischen Kehrtwende im Vereinigten Königreich: „Wir brauchen eine Regierung für alle Menschen, nicht nur für die Reichen, und ich würde gerne eine angemessene Debatte über Rassismus, Einwanderung, Geschlecht und Sexarbeiter sehen. (…) Eine Regierung sollte in der Lage sein, eine breite Palette von Themen zu diskutieren, und es sollte dabei nicht um die Umfragewerte gehen. Es sollte darum gehen, was für alle das Beste ist.“
„Man versucht zu verhindern, dass alle träumen dürfen“
Dabei ruft Neville Southall insbesondere zu mehr Chancengleichheit in der tief gespaltenen britischen Klassengesellschaft auf – für ärmere Kids aus Arbeiter- und Migrantenfamilien, aber auch für Homosexuelle, Transsexuelle und andere gesellschaftliche Randgruppen, die Diskriminierung erfahren: „Wir alle haben unsere Träume. Aber in diesem Land versucht man zu verhindern, dass wirklich alle träumen dürfen. Das ist das Schlimmste, was man tun kann, denn in unseren Träumen finden wir Hoffnung. Wir sollten alle unsere Ambitionen haben dürfen und unser Leben in vollen Zügen leben können, ganz einfach.“
Auch Neville Southall hat noch Ziele: „Ich möchte als Ersthelfer bei einer Selbstmord-Hotline arbeiten“, verrät er. „Ich denke, ich wäre ziemlich gut darin. Ich habe schon einige Telefonseelsorger kennengelernt, und ich finde, sie verstecken oft ihre Persönlichkeit. Das möchte ich nicht. Ich möchte meine Persönlichkeit behalten und nicht die klassische Sprache der Seelsorger verwenden. Ich denke, die Leute wollen schlichtes Zeug hören. Ich möchte zu ihnen sagen: „Na dann, gucken wir mal, was wir tun können, um Ihnen zu helfen.“