Die Ex-DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach und Dr. Theo Zwanziger müssen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung vor Gericht. Ein Urteil könnte dafür sorgen, den getrübten Blick auf das Jahrhundertereignis „Sommermärchen“ zu korrigieren.
Vielleicht ist für alle, die das „Sommermärchen“ erlebt und in vollen Zügen genossen haben, jetzt der Zeitpunkt gekommen, einen klaren Schnitt zu machen. Einen Schnitt, der das Jahrhundertereignis von den Mauscheleien und Rechtsbrüchen im Hintergrund radikal trennt. Andernfalls dürfte es schwierig werden, jemals wieder ohne Bitterkeit auf den heißen Sommer des Jahres 2006 zu schauen. Sich mit wohligem Empfinden oder gar Gänsehaut der trötenden Kohorten Mexikaner in der Nürnberger Innenstadt zu erinnern, dem goldgelb funkelnden Meer aus Schweden-Fans unter der Berliner Siegessäule oder an David Odonkors Außenbahnsprint direkt in die Almanache des Fußballs.
Wer diese Erinnerungen in seinem Herzen trägt, sollte ihnen dort einen komfortablen, flauschig wattierten Platz einrichten, um die donnernden Eruptionen der Begleitumstände abzufedern. Diese netten Erinnerungen an ein gastfreundschaftliches Land in Friedenszeiten nach der Jahrtausendwende, in dessen Bevölkerung offenbar noch Einigkeit herrschte, den Menschen, die kamen, um Fußballspiele zu verfolgen, ein anderes, offeneres, herzlicheres Bild von Deutschland zu vermitteln, als es bis dato in der Welt bekannt gewesen war.
Die Schlinge zieht sich zu
Denn wer das nicht kann und allein mit dem Gerechtigkeitsempfinden eines aufrechten Demokraten auf die Ereignisse im Vorfeld des Turniers schaut, für den tun sich Abgründe auf, die das märchenhafte Andenken unwiederbringlich beschädigen. Mancher wird sagen, wussten wir doch immer, dass bei der Vergabe von Events dieser Art nichts auf legalem Weg abläuft. Und doch ließe sich entgegen, dass in einem Rechtsstaat, so lange nicht das Gegenteil bewiesen ist, die Unschuldsvermutung gilt. Und auch, wenn die Unschuldsvermutung bis auf weiteres von Bestand ist, scheint es, als würde sich langsam die Schlinge um den Hals der Verantwortlichen zuziehen.
Denn das Oberlandesgericht in Frankfurt hat entschieden, dass ein ausreichender Tatverdacht gegen die ehemaligen DFB-Bosse Dr. Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach vorliegt, sowie gegen den früheren DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt und vormaligen FIFA-Generalsekretär Urs Lindi, um die vier Herren anzuklagen. Ihnen wird zu einem noch festzulegenden Termin der Prozess gemacht. Das OLG revidiert damit eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt aus dem Oktober 2018, dass die Eröffnung eines Hauptverfahrens abgelehnt hatte. Nach vorläufiger Bewertung liegt ein hinreichender Verdacht dafür vor, dass die vier Angeklagten „im Zusammenhang mit der als Betriebsausgabe ›Kostenbeteiligung FIFA Gala 2006‹ bezeichneten Rückzahlung eines Darlehens an den Fußballer F.B. in Höhe von 6,7 Mio. Euro im Jahr 2006 eine Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung begangen haben“. So heißt es in der Erklärung des OLG.