DFB-Pokal, das bedeutet auch immer: Flutlichtatmosphäre. Eine Atmosphäre, die ohne einen britischen Schuhmacher namens John Tasker nicht möglich gewesen wäre. Denn es war ein langer und steiniger Weg, bis das Flutlicht deutsche Fußballplätze erhellte.
Dieses Geschäftsmodell – sein Stadion unter der Woche mit Spielen gegen exotische Gegner zu füllen – machte bald auch in Deutschland Schule. Am 18. Juli 1956, einem Mittwoch, läutete Kickers Offenbach beim 1:1 gegen Wacker Wien die neue Ära ein. Die Flutlichtanlage hatte 100 000 Mark gekostet und stammte aus den Siemens-Schuckertwerken (dem Nachfolger jener Firma, der schon John Tasker vertraut hatte). Sie bestand aus vier Masten, jeweils 22 Meter hoch. Dieser Hinweis ist aus zwei Gründen nötig. Erstens war, wie das „Sportmagazin“ fünf Tage später erwähnte, offenbar etwas ganz anderes in Planung gewesen: „Man ist von der Methode, Lampen an quer über das Spielfeld hängenden Drähten aufzuhängen, völlig abgegangen.“ Zweitens rühmte sich das Stadion am Bieberer Berg lange eines Flutlichtes, das von nur zwei Masten kam. Diese Anlage wurde allerdings erst später, nämlich 1968, in Betrieb genommen.
Die Offenbacher waren so begeistert von ihren Tiefstrahlern, dass Kickers-Vorsitzender Ludwig Mohler ein Jahr später eine neue Trophäe stiftete: den Flutlichtpokal. Der ist heute ein Steckenpferd der Fußballnerds, weil er nur zweimal ausgespielt wurde und seltsame Regeln hatte (bei Punkt- und Torgleichheit entschied das Eckenverhältnis). Dabei war es damals nötig, in den Sommermonaten bei irgendwelchen Turnieren zu spielen, um Einnahmen zu haben. So nahm Fortuna Düsseldorf von Mai bis Juni 1957 nicht nur am Flutlichtpokal teil, sondern spielte auch noch wie 23 andere Mannschaften in der sogenannten Toto-Runde.
„Die Spieler schwitzten sich halbtot“
Außerdem waren solche Flutlichtpokale nicht auf Deutschland beschränkt. So kämpften Mannschaften aus London und Südengland von 1955 bis 1960 um den „Southern Professional Floodlit Cup“, aus dem später der Ligapokal wurde. Und 1972/73 trugen sechs holländische Klubs die „Kunstlichtcompetitie“ aus, eine sehr bizarre Veranstaltung. Einer der Vereine, Sparta Rotterdam, hatte überhaupt kein Flutlicht und musste seine Heimspiele auswärts austragen. Für einen Sieg mit drei oder mehr Toren Differenz gab es einen Punkt extra, bei zwei Gelben Karten in einem Spiel einen Punkt Abzug. Es kamen so wenig Zuschauer, dass der Wettbewerb mittendrin abgebrochen wurde.
Der wahre Flutlichtpokal war aber der Europacup. In den ersten Jahren fanden zwar noch viele Spiele nachmittags statt, da die Klubs ihre Stadien erst nach und nach umrüsteten, doch bald waren Flutlichtspiele geradezu ein Synonym für den wichtigsten Vereinspokal. An solchen Feiertagen des Fußballs musste man natürlich entsprechend gekleidet sein. Als Borussia Dortmund im Pokal der Landesmeister 1956 zu Manchester United reiste, besorgte der BVB-Zeugwart bei Watson & Mitchells in der Newton Street einen Satz glänzender Hemden, wie sie einst Wolverhampton getragen hatte. Dortmund lief noch bis weit ins folgende Jahrzehnt in solchen Flutlichttrikots auf. Werder Bremen hingegen nutzte ähnliche Hemden nur 1958/59 und mottete sie dann hastig ein. Wie eine Zeitung schrieb: „Die silberschillernde Kluft wurde bald wieder abgeschafft, weil sie ziemlich luftundurchlässig war. Die Spieler schwitzten sich halbtot.“ Angeblich brannte der Fummel auch wie Zunder.
„Die Eintracht ist die erfahrenere Flutlicht-Mannschaft“
Trotz allem dauerte es lange, bis Flutlicht in Deutschland zur Normalität wurde. Kein einziges Endrundenspiel um die Meisterschaft fand je unter Kunstlicht statt, und als 1963 die Bundesliga eingeführt wurde, gab es um jedes einzelne Flutlichtspiel Diskussionen. Man glaubte nämlich, manche Teams oder Spieler wären unter diesen Bedingungen besser als andere.
So war Kaiserslauterns Trainer Günter Brocker überzeugt, dass sein Torwart Horst-Dieter Strich bei Kunstlicht schlechter spielte. Deswegen stellte Brocker die Nummer zwei, Wolfgang Schnarr, in den Kasten, wenn der FCK abends antreten musste. Und als der 1. FC Nürnberg am dritten Spieltag der neuen Liga unter Beleuchtung bei der Frankfurter Eintracht spielen sollte, klagte Gästetrainer Herbert Widmayer: „Die Eintracht ist die erfahrenere Flutlicht-Mannschaft. Doch der Gastgeber bestimmt. Dass jeder seinen Vorteil sucht, kann man ihm nicht verübeln.“ (Nürnberg gewann 3:2.)