Friedhelm Funkel geht in Rente. Niemand hat mehr Bundesligaspiele auf dem Buckel, sein Image als integrer Sportsmann ist makellos. Für die neue 11FREUNDE-Ausgabe #220 (jetzt am Kiosk) haben wir ihn in den ersten Tagen als Ruheständler begleitet. Vor acht Jahren gab uns der Coach schon einmal die Ehre. Lest das große Porträt aus Ausgabe #128 – wie hat Funkel sich verändert?
Fünf Mal in seiner Laufbahn bekam er vorzeitig seine Papiere. Doch in der zurückliegenden Saison erlebte er die Höchststrafe: Nach dem 7. Spieltag wurde er beim Tabellenvorletzten der zweiten Liga, VfL Bochum, gefeuert. Nur wenige Tage später heuerte er beim Schlusslicht in Aachen an, wo man ihm nach dem 28. Spieltag ebenfalls den Laufpass gab. Funkels Team hatte achtmal in Folge nicht gewonnen. Das Prozedere in dieser schicksalhaften Spielzeit aber überraschte ihn auf seine alten Tage. Zunächst weil ihm nie in den Sinn gekommen wäre, dass ihn die Bochumer so früh in der Saison feuern. Denn er hatte es allen VfL-Entscheidern vorgerechnet, wie schwer die Hinrunde wird. Aufgrund der Relegationsspiele fehlten der Mannschaft zwei Wochen Vorbereitung. Mit Antar Yahia hatte Funkel seinen zentralen Mann in der Abwehr verloren. Er sagt: „Jeder im Vorstand wusste, dass wir es in den ersten Wochen der Saison schwer haben werden.“ Geschenkt. Als am Tag nach der Niederlage in Dresden VfL-Manager Jens Todt gegen 21.30 Uhr anrief und um ein Treffen in Düsseldorf bat, schwante es ihm. Die Begründung lautete, der Aufsichtsrat hätte sich gegen den Trainer ausgesprochen. Das kannte Funkel aus seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt anders. Dort war Heribert Bruchhagen, den er in freundschaftlicher Verbundenheit bis heute „Heri“ nennt, dreimal gegen die Forderung des Aufsichtsrates angegangen und hatte ihn im Amt belassen. In Bochum folgte die Geschäftsführung den Aufsichtsräten. Funkel versteht es nicht: „Die Beurlaubung in Bochum war unnötig. Hätte Werner Altegoer noch im Aufsichtsrat gesessen, wäre ich nie entlassen worden.“
„Mir fiel erst nach Amtsantritt auf, dass wir überhaupt keine Offensivqualitäten hatten“
Der Rauch um seine Entlassung hatte sich noch nicht verzogen, da rief Funkels Ex-Spieler aus Uerdinger Zeit an, Eric Meijer. Der Manager von Alemannia Aachen bearbeitete ihn mit all seiner Überzeugungskraft. Die Versuchung war zu groß. Funkel glaubte, nicht viel verlieren zu können. Beim kurzen Blick auf den Kader fiel ihm nichts gravierend Negatives auf. Eine solide Zweitligastation, ein Traditionsklub. Dazu die Nähe zu seinem Wohnort in Krefeld. Keine Wartezeit bis zum nächsten Job. Seine Lebensgefährtin fand das Angebot ebenfalls schlüssig. „Doch da bin ich wohl etwas zu voreilig an die Sache herangegangen und habe nicht gut genug überlegt“, sagt er rückblickend. Denn die Infrastruktur bei den Aachenern mit nur einem einzigen Trainingsplatz ließ arg zu wünschen übrig.
In der Viererkette verletzten sich drei wichtige Spieler. „Außerdem fiel mir erst nach Amtsantritt auf, dass wir überhaupt keine Offensivqualitäten hatten.“ Im Angriff stand mit Benjamin Auer zwar noch die Galionsfigur, aber mit Zoltan Stieber, Marco Höger und Tolgay Arslan war dem Klub die gesamte Kreativabteilung verlustig gegangen. Der flüchtige Blick auf den Kader rächte sich. Funkel gelang es nicht, die Trendwende zu schaffen. Der Druck stieg. Angestellte der Geschäftsstelle klopften an seine Tür, um sich nach den Chancen des Klassenerhalts zu erkundigen. „Wenn ich in die Gesichter blickte, sah ich, wie die Menschen um ihren Job fürchteten.“ Am 1. April 2012 saß er im Auto auf dem Parkplatz der Galopprennbahn in Köln-Weidenpesch, als wieder sein Telefon klingelte. Einige Reporter hatten ihn schon behelligt. Nun war Erik Meijer dran und teilte ihm direkt mit, dass sich die Alemannia von ihm trennen werde. Funkel reagierte ungewohnt erzürnt über dieses Verhalten: „Enttäuschend, dass so was am Telefon passiert. Normalerweise trifft man sich und setzt sich zusammen. Aber so ist es nun mal …“
„Ich will noch einmal in die Bundesliga“
Auf der Terrasse im mallorquinischen Nobelhotel legt Friedhelm Funkel den Skat beiseite und blickt prüfend in sein Blatt. Mit 58 gehört ein Trainer noch nicht zum alten Eisen, aber im Westen hat er langsam aber sicher alle Mittelklasseklubs gehabt. Dass ihm die beiden jüngsten Entlassungen geschadet haben, kann er sich nicht vorstellen. Dafür hat er zu lange solide gearbeitet und sich nichts zuschulden kommen lassen. „Die Eingeweihten wissen alle, was ich kann und was sie von mir bekommen. Die machen sich keine Gedanken über mein Image.“ Ein konkretes Angebot liegt bis jetzt aber noch nicht vor. Den Sommer über wird er von einem Clubhotel ins nächste reisen und an Fußballtalks teilnehmen. Was wünscht sich einer wie er, der seit 40 Jahren nichts anderes als deutschen Profifußball gesehen hat? Weltreisen, Zeit zum Angeln, einen Spitzenklub? Friedhelm Funkel sagt: „Ich will einmal noch in die Bundesliga. Das ist das Geilste.“ Die Karten werden noch mal neu gemischt.
*Dieser Text erschien erstmals 2012 in 11FREUNDE