Seite 3: Argumentativ führen statt autoritär maßregeln

Schon als er 2000 aus dem Westen zu Hansa Ros­tock wech­selte, fühlte er sich da oben im Norden irgendwie einsam, weil dort Miss­erfolge viel schwerer wogen, als er es gewohnt war. Die guten Freunde waren weit weg: Da war nie­mand, mit dem ich dar­über reden konnte, wenn es nicht lief.“ Im Gegen­satz zu Kol­legen wie dem Burn­outversehrten Ralf Rang­nick ist es ihm aber gelungen, stets eine gewisse Distanz zum Job zu behalten. Er hat es sich nie nehmen lassen, an Län­der­spiel­wo­chen­enden für ein paar Tage auf Mal­lorca zu ent­spannen. Jour­na­listen mögen ihn, weil er zuver­lässig seine Quotes lie­fert, ande­rer­seits beißen sie sich an ihm die Zähne aus, weil seine Aus­sagen nie für eine Schlag­zeile taugen. 

Die Zeiten, in denen er nach einer Fehl­ent­schei­dung Das war Betrug“ in TV-Kameras schrie – fünf Mal musste er wegen sol­cher Ent­glei­sungen beim DFB-Sport­ge­richt vor­stellig werden – sind längst Geschichte. Kaum ein aktu­eller Coach wirkt aus­ge­gli­chener. Ich bin gesund geblieben“, sagt Funkel stolz. Es sind nicht immer nur die Titel, die Erfolg im Fuß­ball defi­nieren. Er hat Tech­niken ent­wi­ckelt, um die Fas­sung zu wahren. Nach dem Abpfiff geht er grund­sätz­lich nie zur Mann­schaft in die Kabine, son­dern schaltet im Coa­chingraum für Augen­blicke ab. Die Spieler sollen den Ärger dann unter sich regeln. Er weiß, dass in emo­tio­nalen Momenten eine affekt­hafte Aus­sage des Trai­ners viel Por­zellan zer­schlagen kann. Sein Ziel ist es, die Spieler nach Mög­lich­keit nicht auto­ritär zu maß­re­geln, son­dern argu­men­tativ zu führen. Funkel weiß: Heute muss ein Trainer viel mehr mit einem Spieler reden als früher.“ Gehört es doch zu seinen Qua­li­täten, schlin­gernde Mit­tel­klas­se­profis so zu bear­beiten, dass ein Verein auch ohne grö­ßere Inves­ti­tionen seine Plan­ziele erreicht.

Fried­helm, wenn du noch hier wärst, würden wir nicht absteigen.“

Am Ein­drucks­vollsten ist ihm dies in Frank­furt gelungen. Dort erlebte er seine erfolg­reichste und längste Amts­pe­riode. Als er die Ein­tracht nach dem Bun­des­li­ga­ab­stieg im Sommer 2004 über­nahm, ging der dezi­mierte Klub ohne große Ver­stär­kungen in die Saison. Den­noch gelang es ihm, den klammen Absteiger post­wen­dend zurück in die erste Liga zu führen und zwei Jahre später sogar ins Pokal­fi­nale. Vier Spiel­zeiten hielt er die Frank­furter genau dort, wo sie von ihrem Poten­tial her zu ver­orten waren. Eine Saison spielte der Klub sogar Europa League, ansonsten fris­tete man ein Dasein im grauen Nie­mands­land der Liga – und kam dort langsam wirt­schaft­lich wieder auf die Beine. Vor­stands­boss Bruch­hagen machte unmiss­ver­ständ­lich klar, dass es unter seiner Füh­rung keine Dis­kus­sion um den Trainer geben würde. Doch nach vier Jahren zwi­schen den Plätzen vier­zehn und neun, wurden die Stimmen der prä­ten­tiösen Kri­tiker im Umfeld schlicht zu laut. 

Funkel ver­ab­schie­dete sich pflicht­schuldig: Weil aus meiner Sicht die Mög­lich­keiten nicht aus­reichten, um die Ein­tracht zumin­dest auf den sechsten Platz zu führen.“ Er sollte recht behalten. Als die Ein­tracht zwei Jahre später abstieg, kämpfte er – obwohl längst in Bochum in Amt und Würden – mit den Tränen. Er konnte nicht ver­stehen, dass sich dieser gefes­tigte Klub statt im Bereich der Europa-League-Plat­zie­rungen nun in den Nie­de­rungen der Zweit­klas­sig­keit wie­der­fand. Als er beim letzten Heim­spiel gegen Köln im Ein­tracht-Sta­dion weilte, kamen aus­ge­rechnet seine einst größten Wider­sa­cher aus dem Auf­sichtsrat und sagten: Fried­helm, wenn du noch hier wärst, würden wir nicht absteigen.“ Er dachte, wie per­vers das Fuß­ball­ge­schäft doch sein kann. Doch kennt er es nicht anders. Sein Leit­spruch lautet: Wenn es dem Esel zu gut geht, will er aufs Glatteis!“

Seinen eisernen Prag­ma­tismus wendet Funkel des­halb auch auf die nega­tiven Begleit­um­stände seines Jobs an. Auf die Frage, woran ein Trainer merkt, dass seine Zeit abläuft, hat er mal geant­wortet: Wenn die Frau am Emp­fang der Geschäfts­stelle ver­gisst, den Trainer am Morgen beim Rein­kommen zu grüßen, weiß er, dass es langsam eng wird.“ Er klang dabei nicht ver­bit­tert, er sprach es, als sei es ein natür­li­cher Teil des Pro­zesses. Busi­ness as usual. Bei jeder neuen Ver­trags­un­ter­schrift sind die mensch­li­chen Ver­wer­fungen, wenn eine Zusam­men­ar­beit auf ihr Ende zuläuft, von ihm bereits mit ein­kal­ku­liert. Ein Trainerleben ist nun mal geprägt von Abschieden. Wer wüsste das besser als er.