Friedhelm Funkel geht in Rente. Niemand hat mehr Bundesligaspiele auf dem Buckel, sein Image als integrer Sportsmann ist makellos. Für die neue 11FREUNDE-Ausgabe #220 (jetzt am Kiosk) haben wir ihn in den ersten Tagen als Ruheständler begleitet. Vor acht Jahren gab uns der Coach schon einmal die Ehre. Lest das große Porträt aus Ausgabe #128 – wie hat Funkel sich verändert?
Die Klubs, die das große Abenteuer suchen, machen einen Bogen um Friedhelm Funkel. Sein Image entspricht dem eines penibel mülltrennenden Sozialkundelehrers. Anständig, moralisch einwandfrei, aber langweilig. Zu Beginn seiner Trainerzeit ließ er sich noch einen lustigen Rauschebart stehen, was das Jesuslatschen-Klischee noch unterstrich. („Furchtbar, ich sah furchtbar aus.“) Um bei einem Klub ein Feuerwerk zu entfachen – so die landläufige Meinung – fehlt es ihm schlicht an Flair. Ihm liegt weder die Rolle des urviechhaften Motivators, fein abgeschmeckt mit dieser Prise Sonnyboy, die Jürgen Klopp gerne gibt, noch das gediegene Maßanzugding, auf das sich Jupp Heynckes oder Felix Magath eingelassen haben. Für einen Sprücheklopfer vom Typ Peter Neururer ist er zu faktisch, für einen manischen Professor wie Ralf Rangnick zu abgeklärt. Und so blieb er sein Trainerleben lang … Feuerwehrmann.
„Ich führe“, entgegnet Friedhelm Funkel, „ein wunderbares Leben.“ Nie hätte er geglaubt, dass er eines Tages der Mann mit den meisten Bundesligaspielen sein würde. Sein Angebot als klassischer Mittelbauer im Bundesligageschäft hat dafür gesorgt, dass er nie vom Karussell fiel. Während die Nörgler in den Klubs nach der Konsolidierung bald wieder seine pragmatische Taktik und das sicherheitsorientierte System, das er spielen ließ, anprangerten, hat er stets seine Maßstäbe gekannt. Funkel blieb der sympathische Handwerker, der auch nach dem Rausschmiss nie ein böses Wort über den Arbeitgeber verlor. So wenig nachvollziehbar ihm die Entscheidung der Bosse manchmal auch vorgekommen sein mag. Er blieb loyal, kassierte wortlos seine Abfindung, fuhr nach Mallorca in seine Finca, schaute aufs Meer – und schon rief der nächste hilfesuchende Verein an. Männer, die im überhitzten Fußballgeschäft nicht der Versuchung erliegen, nachzutreten, sind sehr, sehr selten. Funkels größte Stärke – unabhängig von seinen fachlichen Fähigkeiten – ist fraglos seine Integrität. Es gibt wohl keinen Bundesligatrainer, dem nach einer mehr als zwanzigjährigen Laufbahn einfallen würde zu sagen: „Die beste Mannschaft, die ich je trainiert habe, war Hertha BSC im Jahr des Abstiegs 2010.“
Bodenständiger Rhein-Ruhrgebietsfußball
Er stammt aus einfachen Verhältnissen. Drei Kinder, die Eltern mussten auf jeden Pfennig schauen. Das schönste Weihnachtsgeschenk, an das er sich erinnern kann, war ein Fußball, den er sich mit seinem Bruder teilen musste. Er weiß, wie man sich einschränkt. Fragt man andere Profitrainer, wer sie in ihrer Arbeit geprägt hat, kriegt man oft ausweichende Antworten. Vorbilder sind schlecht für den Marktwert, denn Vorstände mögen dieses Marketinggeplänkel über Systeme, Kreativität und die ureigene Handschrift. Dem 58-jährigen Funkel sind solche Schnörkel fremd. Er weiß gut, dass er aus seiner Schublade nicht mehr rauskommt und nennt gleich drei Vorbilder: Kalli Feldkamp, weil er es verstand, mit viel Lockerheit, einem überschaubaren Konzept und einer sehr relaxten Arbeitsauffassung, Mannschaften zu formen und Höchstleistungen aus den Spielern herauszukitzeln. Horst Buhtz, weil er stets ein Mensch blieb, der seine Spieler liebte und der bei Kritik, die er äußern musste, Schweißausbrüche bekam. Und last but not least Rolf Schafstall. Weil er eisenhart trainieren ließ und Spieler bis an die Grenzen des guten Geschmacks triezte – und ihm das Team dennoch treu ergeben war.
Die Männer, die Funkel geprägt haben, stehen für bodenständigen Rhein-Ruhrgebietsfußball. Einen Fußball, den es so nur noch in der Erinnerung von Traditionalisten gibt. Doch ihm selbst ist es auf rätselhafte Weise gelungen, trotz der Rekordbilanz im globalisierten Bundesligabetrieb seiner Heimat nur sehr selten untreu zu werden. Bis auf zwei kurze Episoden in Rostock und Berlin hat der gebürtige Neusser nie außerhalb seines gewohnten Lebensumfeldes gearbeitet. Selbst seine längste Station, das Engagement in Frankfurt, lag nur eine gute Stunde mit dem ICE entfernt. Er braucht seine Heimat, die Freunde, seine Familie, um zu funktionieren. Auch diese Eigenschaft lässt ihn öffentlich eher bieder erscheinen. Seit Kindheit ist er aktives Mitglied im Neusser Schützenverein „Bomelante“, und wenn es die Zeit und der Tabellenplatz seines jeweiligen Arbeitgebers erlauben, fährt er im Kölner Karneval gerne auf dem Wagen der „Braunsfelder“ mit, denen er seit seiner Tätigkeit beim FC angehört. Funkel pflegt die rheinische Gemütlichkeit, dieses heimelige Beisammensein. In einer Zeit, in der jeder abgehalfterte Proficoach zum Ende der Laufbahn noch einmal das große Geld im Nahen oder Fernen Osten machen möchte, lässt ausgerechnet er, der Pragmatiker, keine Missverständnisse aufkommen: „Eine Trainerstation außerhalb von Mitteleuropa tue ich mir sicher nicht mehr an.“