Friedhelm Funkel geht in Rente. Niemand hat mehr Bundesligaspiele auf dem Buckel, sein Image als integrer Sportsmann ist makellos. Für die neue 11FREUNDE-Ausgabe #220 (jetzt am Kiosk) haben wir ihn in den ersten Tagen als Ruheständler begleitet. Vor acht Jahren gab uns der Coach schon einmal die Ehre. Lest das große Porträt aus Ausgabe #128 – wie hat Funkel sich verändert?
Ordnung muss sein, auch im Urlaub. Seit einer Woche ist Friedhelm Funkel in diesem Fünf-Sterne-Hotel im Nordosten Mallorcas. Einmal im Jahr trifft er sich mit alten Freunden zum Jungsurlaub. Fünf Herren in den besten Jahren, auch sein Bruder Wolfgang ist dabei. Doch auch ein Partyurlaub braucht Struktur. Morgens um zehn trifft sich also die Herrenrunde zum Frühstück, danach werden die Zeitungen durchforstet, nachmittags verausgabt man sich auf dem Tennisplatz, und nach dem Dinner schlendert die Runde mit lässig über die Schultern geworfenen Sommerpullovern hinunter auf die Amüsiermeile und trinkt Bier.
Kein Tag ohne Wettkampf
So weit ist es heute aber noch nicht. Soeben hat Funkel das vormittägliche Bad im schicken Hotelpool beendet und setzt sich in Shorts an einen Cafétisch. Für 13 Uhr ist die tägliche Skatrunde anberaumt. Friedhelm gibt, Wolfgang Funkel verdreht beim Abheben die Augen. Das Rheinische blüht und ist so breit wie die Hutkrempe eines Funkenmariechens. Nach den Spielen klatschen sich die Männer lautstark ab. So stellen sich Romantiker Geselligkeit unter Fußballprofis vor.
Im Leben von Friedhelm Funkel vergeht kein Tag ohne Wettkampf. Auch in diesen Wochen nicht, in denen er nach 21 Jahren als Bundesligacoach zum ersten Mal längere Zeit ohne konkrete Perspektive ist. Nach acht Trainerstationen im deutschen Profifußball, nach insgesamt 1127 Spielen als Spieler und Übungsleiter in der ersten und zweiten Liga, hat er nun schon seit Monaten Freizeit.* Eine harte Zäsur nach mehr als zwei Dekaden im Dauerstress. 21 Kader, mehr als 500 Spieler hat er betreut. Er atmet aus jeder Pore Bundesliga. Und doch steht er nicht mal ansatzweise für die glamouröse Fußballshow, die man aus den stakkatohaften Digital-TV-Trailern kennt. Er wirkt eher wie ein Relikt der analogen Ära, als Trainer in Ballonseide endlose Stunden auf dem Platz verbrachten und in Interviews nur kantige Aussagesätze bellten, anstatt medienkompatibel zu parlieren.
Bei Spitzenvereinen fällt er durchs Raster
Während die Kollegen aus seiner Generation, etwa Ottmar Hitzfeld oder Felix Magath, durch große Titel im Laufe ihrer Tätigkeit in den Rang von Edelmännern aufstiegen, blieb Funkel der blasse Pragmatiker, den Vereine heuerten, wenn für große Lösungen kein Geld da war. Heribert Bruchhagen, der ihn einst zu Eintracht Frankfurt holte, sagt: „Friedhelm holt aus jeder Mannschaft das Optimale raus.“ Mit anderen Worten: Wer Funkel holt, kriegt ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis. Er weiß selbst, dass er der Mann für die Konsolidierung ist, nicht der Fußballlehrer, dem die Vereine große Titel zutrauen. Nach fast 40 Jahren im Bundesligamilieu kennt er praktisch jeden Protagonisten – und jeder, der in einem Profiklub etwas zu sagen hat, kennt ihn. Ein Fluch und Segen zugleich. Einerseits hat er sich nie ernsthaft Sorgen um ein neues Engagement machen müssen, andererseits fällt er bei Spitzenvereinen kategorisch durchs Raster. Seine Entschuldigung: „Ich erzähle Vorständen immer die Wahrheit über ihren Klub – nicht das, was sie hören wollen.“ Sein Alleinstellungsmerkmal ist, dass er fast mathematisch genau berechnen kann, welche Möglichkeiten einem Etat und einem vorhandenen Kader innewohnen. Falsche Versprechungen macht er nicht und seine Voraussagen, was sportliche Ziele anbetrifft, hält er in der Regel ein. Sein Realismus wird geschätzt. Doch „Realist“ kann in einem Geschäft, das mit Träumen dealt, schnell zum Schimpfwort werden.
Die Klubs, die das große Abenteuer suchen, machen einen Bogen um Friedhelm Funkel. Sein Image entspricht dem eines penibel mülltrennenden Sozialkundelehrers. Anständig, moralisch einwandfrei, aber langweilig. Zu Beginn seiner Trainerzeit ließ er sich noch einen lustigen Rauschebart stehen, was das Jesuslatschen-Klischee noch unterstrich. („Furchtbar, ich sah furchtbar aus.“) Um bei einem Klub ein Feuerwerk zu entfachen – so die landläufige Meinung – fehlt es ihm schlicht an Flair. Ihm liegt weder die Rolle des urviechhaften Motivators, fein abgeschmeckt mit dieser Prise Sonnyboy, die Jürgen Klopp gerne gibt, noch das gediegene Maßanzugding, auf das sich Jupp Heynckes oder Felix Magath eingelassen haben. Für einen Sprücheklopfer vom Typ Peter Neururer ist er zu faktisch, für einen manischen Professor wie Ralf Rangnick zu abgeklärt. Und so blieb er sein Trainerleben lang … Feuerwehrmann.
„Ich führe“, entgegnet Friedhelm Funkel, „ein wunderbares Leben.“ Nie hätte er geglaubt, dass er eines Tages der Mann mit den meisten Bundesligaspielen sein würde. Sein Angebot als klassischer Mittelbauer im Bundesligageschäft hat dafür gesorgt, dass er nie vom Karussell fiel. Während die Nörgler in den Klubs nach der Konsolidierung bald wieder seine pragmatische Taktik und das sicherheitsorientierte System, das er spielen ließ, anprangerten, hat er stets seine Maßstäbe gekannt. Funkel blieb der sympathische Handwerker, der auch nach dem Rausschmiss nie ein böses Wort über den Arbeitgeber verlor. So wenig nachvollziehbar ihm die Entscheidung der Bosse manchmal auch vorgekommen sein mag. Er blieb loyal, kassierte wortlos seine Abfindung, fuhr nach Mallorca in seine Finca, schaute aufs Meer – und schon rief der nächste hilfesuchende Verein an. Männer, die im überhitzten Fußballgeschäft nicht der Versuchung erliegen, nachzutreten, sind sehr, sehr selten. Funkels größte Stärke – unabhängig von seinen fachlichen Fähigkeiten – ist fraglos seine Integrität. Es gibt wohl keinen Bundesligatrainer, dem nach einer mehr als zwanzigjährigen Laufbahn einfallen würde zu sagen: „Die beste Mannschaft, die ich je trainiert habe, war Hertha BSC im Jahr des Abstiegs 2010.“
Bodenständiger Rhein-Ruhrgebietsfußball
Er stammt aus einfachen Verhältnissen. Drei Kinder, die Eltern mussten auf jeden Pfennig schauen. Das schönste Weihnachtsgeschenk, an das er sich erinnern kann, war ein Fußball, den er sich mit seinem Bruder teilen musste. Er weiß, wie man sich einschränkt. Fragt man andere Profitrainer, wer sie in ihrer Arbeit geprägt hat, kriegt man oft ausweichende Antworten. Vorbilder sind schlecht für den Marktwert, denn Vorstände mögen dieses Marketinggeplänkel über Systeme, Kreativität und die ureigene Handschrift. Dem 58-jährigen Funkel sind solche Schnörkel fremd. Er weiß gut, dass er aus seiner Schublade nicht mehr rauskommt und nennt gleich drei Vorbilder: Kalli Feldkamp, weil er es verstand, mit viel Lockerheit, einem überschaubaren Konzept und einer sehr relaxten Arbeitsauffassung, Mannschaften zu formen und Höchstleistungen aus den Spielern herauszukitzeln. Horst Buhtz, weil er stets ein Mensch blieb, der seine Spieler liebte und der bei Kritik, die er äußern musste, Schweißausbrüche bekam. Und last but not least Rolf Schafstall. Weil er eisenhart trainieren ließ und Spieler bis an die Grenzen des guten Geschmacks triezte – und ihm das Team dennoch treu ergeben war.
Die Männer, die Funkel geprägt haben, stehen für bodenständigen Rhein-Ruhrgebietsfußball. Einen Fußball, den es so nur noch in der Erinnerung von Traditionalisten gibt. Doch ihm selbst ist es auf rätselhafte Weise gelungen, trotz der Rekordbilanz im globalisierten Bundesligabetrieb seiner Heimat nur sehr selten untreu zu werden. Bis auf zwei kurze Episoden in Rostock und Berlin hat der gebürtige Neusser nie außerhalb seines gewohnten Lebensumfeldes gearbeitet. Selbst seine längste Station, das Engagement in Frankfurt, lag nur eine gute Stunde mit dem ICE entfernt. Er braucht seine Heimat, die Freunde, seine Familie, um zu funktionieren. Auch diese Eigenschaft lässt ihn öffentlich eher bieder erscheinen. Seit Kindheit ist er aktives Mitglied im Neusser Schützenverein „Bomelante“, und wenn es die Zeit und der Tabellenplatz seines jeweiligen Arbeitgebers erlauben, fährt er im Kölner Karneval gerne auf dem Wagen der „Braunsfelder“ mit, denen er seit seiner Tätigkeit beim FC angehört. Funkel pflegt die rheinische Gemütlichkeit, dieses heimelige Beisammensein. In einer Zeit, in der jeder abgehalfterte Proficoach zum Ende der Laufbahn noch einmal das große Geld im Nahen oder Fernen Osten machen möchte, lässt ausgerechnet er, der Pragmatiker, keine Missverständnisse aufkommen: „Eine Trainerstation außerhalb von Mitteleuropa tue ich mir sicher nicht mehr an.“
Schon als er 2000 aus dem Westen zu Hansa Rostock wechselte, fühlte er sich da oben im Norden irgendwie einsam, weil dort Misserfolge viel schwerer wogen, als er es gewohnt war. Die guten Freunde waren weit weg: „Da war niemand, mit dem ich darüber reden konnte, wenn es nicht lief.“ Im Gegensatz zu Kollegen wie dem Burnoutversehrten Ralf Rangnick ist es ihm aber gelungen, stets eine gewisse Distanz zum Job zu behalten. Er hat es sich nie nehmen lassen, an Länderspielwochenenden für ein paar Tage auf Mallorca zu entspannen. Journalisten mögen ihn, weil er zuverlässig seine Quotes liefert, andererseits beißen sie sich an ihm die Zähne aus, weil seine Aussagen nie für eine Schlagzeile taugen.
Die Zeiten, in denen er nach einer Fehlentscheidung „Das war Betrug“ in TV-Kameras schrie – fünf Mal musste er wegen solcher Entgleisungen beim DFB-Sportgericht vorstellig werden – sind längst Geschichte. Kaum ein aktueller Coach wirkt ausgeglichener. „Ich bin gesund geblieben“, sagt Funkel stolz. Es sind nicht immer nur die Titel, die Erfolg im Fußball definieren. Er hat Techniken entwickelt, um die Fassung zu wahren. Nach dem Abpfiff geht er grundsätzlich nie zur Mannschaft in die Kabine, sondern schaltet im Coachingraum für Augenblicke ab. Die Spieler sollen den Ärger dann unter sich regeln. Er weiß, dass in emotionalen Momenten eine affekthafte Aussage des Trainers viel Porzellan zerschlagen kann. Sein Ziel ist es, die Spieler nach Möglichkeit nicht autoritär zu maßregeln, sondern argumentativ zu führen. Funkel weiß: „Heute muss ein Trainer viel mehr mit einem Spieler reden als früher.“ Gehört es doch zu seinen Qualitäten, schlingernde Mittelklasseprofis so zu bearbeiten, dass ein Verein auch ohne größere Investitionen seine Planziele erreicht.
„Friedhelm, wenn du noch hier wärst, würden wir nicht absteigen.“
Am Eindrucksvollsten ist ihm dies in Frankfurt gelungen. Dort erlebte er seine erfolgreichste und längste Amtsperiode. Als er die Eintracht nach dem Bundesligaabstieg im Sommer 2004 übernahm, ging der dezimierte Klub ohne große Verstärkungen in die Saison. Dennoch gelang es ihm, den klammen Absteiger postwendend zurück in die erste Liga zu führen und zwei Jahre später sogar ins Pokalfinale. Vier Spielzeiten hielt er die Frankfurter genau dort, wo sie von ihrem Potential her zu verorten waren. Eine Saison spielte der Klub sogar Europa League, ansonsten fristete man ein Dasein im grauen Niemandsland der Liga – und kam dort langsam wirtschaftlich wieder auf die Beine. Vorstandsboss Bruchhagen machte unmissverständlich klar, dass es unter seiner Führung keine Diskussion um den Trainer geben würde. Doch nach vier Jahren zwischen den Plätzen vierzehn und neun, wurden die Stimmen der prätentiösen Kritiker im Umfeld schlicht zu laut.
Funkel verabschiedete sich pflichtschuldig: „Weil aus meiner Sicht die Möglichkeiten nicht ausreichten, um die Eintracht zumindest auf den sechsten Platz zu führen.“ Er sollte recht behalten. Als die Eintracht zwei Jahre später abstieg, kämpfte er – obwohl längst in Bochum in Amt und Würden – mit den Tränen. Er konnte nicht verstehen, dass sich dieser gefestigte Klub statt im Bereich der Europa-League-Platzierungen nun in den Niederungen der Zweitklassigkeit wiederfand. Als er beim letzten Heimspiel gegen Köln im Eintracht-Stadion weilte, kamen ausgerechnet seine einst größten Widersacher aus dem Aufsichtsrat und sagten: „Friedhelm, wenn du noch hier wärst, würden wir nicht absteigen.“ Er dachte, wie pervers das Fußballgeschäft doch sein kann. Doch kennt er es nicht anders. Sein Leitspruch lautet: „Wenn es dem Esel zu gut geht, will er aufs Glatteis!“
Seinen eisernen Pragmatismus wendet Funkel deshalb auch auf die negativen Begleitumstände seines Jobs an. Auf die Frage, woran ein Trainer merkt, dass seine Zeit abläuft, hat er mal geantwortet: „Wenn die Frau am Empfang der Geschäftsstelle vergisst, den Trainer am Morgen beim Reinkommen zu grüßen, weiß er, dass es langsam eng wird.“ Er klang dabei nicht verbittert, er sprach es, als sei es ein natürlicher Teil des Prozesses. Business as usual. Bei jeder neuen Vertragsunterschrift sind die menschlichen Verwerfungen, wenn eine Zusammenarbeit auf ihr Ende zuläuft, von ihm bereits mit einkalkuliert. Ein Trainerleben ist nun mal geprägt von Abschieden. Wer wüsste das besser als er.
Fünf Mal in seiner Laufbahn bekam er vorzeitig seine Papiere. Doch in der zurückliegenden Saison erlebte er die Höchststrafe: Nach dem 7. Spieltag wurde er beim Tabellenvorletzten der zweiten Liga, VfL Bochum, gefeuert. Nur wenige Tage später heuerte er beim Schlusslicht in Aachen an, wo man ihm nach dem 28. Spieltag ebenfalls den Laufpass gab. Funkels Team hatte achtmal in Folge nicht gewonnen. Das Prozedere in dieser schicksalhaften Spielzeit aber überraschte ihn auf seine alten Tage. Zunächst weil ihm nie in den Sinn gekommen wäre, dass ihn die Bochumer so früh in der Saison feuern. Denn er hatte es allen VfL-Entscheidern vorgerechnet, wie schwer die Hinrunde wird. Aufgrund der Relegationsspiele fehlten der Mannschaft zwei Wochen Vorbereitung. Mit Antar Yahia hatte Funkel seinen zentralen Mann in der Abwehr verloren. Er sagt: „Jeder im Vorstand wusste, dass wir es in den ersten Wochen der Saison schwer haben werden.“ Geschenkt. Als am Tag nach der Niederlage in Dresden VfL-Manager Jens Todt gegen 21.30 Uhr anrief und um ein Treffen in Düsseldorf bat, schwante es ihm. Die Begründung lautete, der Aufsichtsrat hätte sich gegen den Trainer ausgesprochen. Das kannte Funkel aus seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt anders. Dort war Heribert Bruchhagen, den er in freundschaftlicher Verbundenheit bis heute „Heri“ nennt, dreimal gegen die Forderung des Aufsichtsrates angegangen und hatte ihn im Amt belassen. In Bochum folgte die Geschäftsführung den Aufsichtsräten. Funkel versteht es nicht: „Die Beurlaubung in Bochum war unnötig. Hätte Werner Altegoer noch im Aufsichtsrat gesessen, wäre ich nie entlassen worden.“
„Mir fiel erst nach Amtsantritt auf, dass wir überhaupt keine Offensivqualitäten hatten“
Der Rauch um seine Entlassung hatte sich noch nicht verzogen, da rief Funkels Ex-Spieler aus Uerdinger Zeit an, Eric Meijer. Der Manager von Alemannia Aachen bearbeitete ihn mit all seiner Überzeugungskraft. Die Versuchung war zu groß. Funkel glaubte, nicht viel verlieren zu können. Beim kurzen Blick auf den Kader fiel ihm nichts gravierend Negatives auf. Eine solide Zweitligastation, ein Traditionsklub. Dazu die Nähe zu seinem Wohnort in Krefeld. Keine Wartezeit bis zum nächsten Job. Seine Lebensgefährtin fand das Angebot ebenfalls schlüssig. „Doch da bin ich wohl etwas zu voreilig an die Sache herangegangen und habe nicht gut genug überlegt“, sagt er rückblickend. Denn die Infrastruktur bei den Aachenern mit nur einem einzigen Trainingsplatz ließ arg zu wünschen übrig.
In der Viererkette verletzten sich drei wichtige Spieler. „Außerdem fiel mir erst nach Amtsantritt auf, dass wir überhaupt keine Offensivqualitäten hatten.“ Im Angriff stand mit Benjamin Auer zwar noch die Galionsfigur, aber mit Zoltan Stieber, Marco Höger und Tolgay Arslan war dem Klub die gesamte Kreativabteilung verlustig gegangen. Der flüchtige Blick auf den Kader rächte sich. Funkel gelang es nicht, die Trendwende zu schaffen. Der Druck stieg. Angestellte der Geschäftsstelle klopften an seine Tür, um sich nach den Chancen des Klassenerhalts zu erkundigen. „Wenn ich in die Gesichter blickte, sah ich, wie die Menschen um ihren Job fürchteten.“ Am 1. April 2012 saß er im Auto auf dem Parkplatz der Galopprennbahn in Köln-Weidenpesch, als wieder sein Telefon klingelte. Einige Reporter hatten ihn schon behelligt. Nun war Erik Meijer dran und teilte ihm direkt mit, dass sich die Alemannia von ihm trennen werde. Funkel reagierte ungewohnt erzürnt über dieses Verhalten: „Enttäuschend, dass so was am Telefon passiert. Normalerweise trifft man sich und setzt sich zusammen. Aber so ist es nun mal …“
„Ich will noch einmal in die Bundesliga“
Auf der Terrasse im mallorquinischen Nobelhotel legt Friedhelm Funkel den Skat beiseite und blickt prüfend in sein Blatt. Mit 58 gehört ein Trainer noch nicht zum alten Eisen, aber im Westen hat er langsam aber sicher alle Mittelklasseklubs gehabt. Dass ihm die beiden jüngsten Entlassungen geschadet haben, kann er sich nicht vorstellen. Dafür hat er zu lange solide gearbeitet und sich nichts zuschulden kommen lassen. „Die Eingeweihten wissen alle, was ich kann und was sie von mir bekommen. Die machen sich keine Gedanken über mein Image.“ Ein konkretes Angebot liegt bis jetzt aber noch nicht vor. Den Sommer über wird er von einem Clubhotel ins nächste reisen und an Fußballtalks teilnehmen. Was wünscht sich einer wie er, der seit 40 Jahren nichts anderes als deutschen Profifußball gesehen hat? Weltreisen, Zeit zum Angeln, einen Spitzenklub? Friedhelm Funkel sagt: „Ich will einmal noch in die Bundesliga. Das ist das Geilste.“ Die Karten werden noch mal neu gemischt.
*Dieser Text erschien erstmals 2012 in 11FREUNDE