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Seite 2: Hoffentlich liest du das, Kevin!

Zehn Jahre später habe ich mich damit abge­funden, dass ich Fuß­ball zwar liebe, aber auf dem Platz eine Nulpe bin. Die Eier­kneifer-Tortur ist trotzdem nicht spurlos an mir vorbei gegangen, das Klei­dungs­stück habe ich seit jeher aus meiner Schub­lade ver­bannt.

In einem Foto­ar­chiv dann fand ich es: Das Bild, das mir meinen Unter­wä­sche-Kom­plex ein für alle mal nehmen sollte. Die ulti­ma­tive Legi­ti­ma­tion des Eier­knei­fers.

Udo Lattek, erfolg­reichster deut­scher Ver­eins­trainer, Erfinder der modernen Defen­sive und Wahr­heits­ma­schine. Auf einem Balkon in Zypern, 1982. Lässig lehnt er am Geländer und prä­sen­tiert seinen Körper. Die Arme ver­schränkt, die Beine gekreuzt.

Sommer, Sonne, kata­la­ni­scher Wurstein­topf

Nur ein Hauch von weißem Nichts umschmei­chelt seine pri­va­teste Kör­per­re­gion. Der Rest ist blank. Eng schneidet der Saum seines Schlüp­fers in seine Hüfte und formt ein Wohl­stands­bäu­chen, das nach Lattek wohl nie­mand außer Paul Gas­coigne so schön getragen hat. Schwarze Haare zir­keln sich um seinen Bauch­nabel und bilden einen Hell-Dunkel-Kon­trast. Yin und Yang, dieser Bauch strahlt Frieden aus. 

Ledrig-gebräunt fällt seine Haut wie ein knitt­riges Tuch über die Mus­keln. Bedeckt werden sie von Lipid­pols­tern, die wohl einst kata­la­ni­scher Wurstein­topf waren. Auf Lat­teks rechte Gesichts­hälfte scheint das medi­ter­rane Son­nen­licht, ruft so einen Glanz auf den Wangen hervor, der den Schein von der sil­berner Arm­banduhr und dem grauen Haupt­haar kom­ple­men­tiert. Der Mann braucht keinen Hei­li­gen­schein, nur ein Hotel­zimmer am Mit­tel­meer.

Auf seinen Ober­armen zeichnet sich noch ein weiß­li­cher Abdruck eines T‑Shirts nach, mit dem Lattek den Ein­hei­mi­schen sym­bo­li­siert, dass er keiner von ihnen ist. Dass er gene­rell keiner von irgendwem ist – son­dern Udo Lattek.

Arro­ganz, Erotik und Ver­ach­tung

So blickt er nieder, von seinem Balkon, mit einem Gesichts­aus­druck, der sich auf dem schmalen Grad zwi­schen Arro­ganz, Erotik und Ver­ach­tung bewegt. Als wolle er gleich beginnen zu regieren. Ein König­reich für den Eier­kneifer.

Als wolle er dem Betrachter sagen: Du wirst nie erfahren, was im Zimmer hinter mir pas­siert ist. Aber sei dir gewiss: Es wird dir für immer ver­gönnt sein. Dir, dessen Unter­wä­sche mehr als die Lenden bedeckt.“ Lieber Kevin, ich hoffe du liest das hier. Und du siehst dieses Bild. Und du schämst dich dafür, Boxer­shorts zu tragen. Genau wie ich es nun tue.