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Seite 2: „Wir werden sicherlich überwacht“

Gibt es Repres­sionen gegen die Ange­klagten?
Nicht kon­kret, aber man spürt die Beob­ach­tung. Früher kam es schon mal vor, dass das Ord­nungsamt bei­spiels­weise ein Lokal über­prüfte, heute wird das aller­dings vier- oder fünfmal in Folge getan.

Werden immer noch die Tele­fo­nate abge­hört?
Ich denke ja. Wir werden sicher­lich über­wacht. Es kann sogar sein, dass heute Abend jemand hier in Berlin-Neu­kölln zuhört.

Warum sind Sie dann hier?
Weil die Men­schen außer­halb der Türkei davon erfahren müssen. Wir brau­chen kein Geld, wir brau­chen Öffent­lich­keit.

Hat der Pro­zess für Sie per­sön­lich Folgen?
Ich habe vorher viele Unter­nehmen ver­treten. Zwei Drittel meiner Man­danten sagen mir nun: Wir mögen dich, aber wir können nicht mehr mit dir zusammen arbeiten.“

Wie ver­hält sich eigent­lich der Verein?
Anfangs war Fikret Orman (Ver­eins­prä­si­dent, d. Red.) das alles ziem­lich egal. Momentan ver­sucht er aber, gute Stim­mung bei Recep Tayyip Erdogan zu machen. Neu­lich erst hieß es von Ver­eins­seite, dass Erdogan den Sta­di­on­neubau so toll unter­stützt habe – was schlichtweg gelogen ist. Aber so muss sich Orman nicht recht­fer­tigen, dass er keine Partei für die Fans ergreift.

Wird Carsi von anderen Fans unter­stützt?
Einige Gala­ta­saray- und Fener­bahce-Anhänger sind bei der ersten Haupt­ver­samm­lung erschienen. Aller­dings gibt es bei den Ver­einen auch eine Viel­zahl von Erdogan-Anhän­gern und Carsi-Geg­nern.

Wie ist es bei den Bes­iktas-Spielen?
Da bekommen sie Unter­stüt­zung von unseren Fans. Es hängen wei­terhin Carsi-Banner, und es ertönen wei­terhin Sprech­chöre. Alle Bes­iktas-Fans haben das Gefühl, dass sie gemeinsam auf der Ankla­ge­bank sitzen.

Es soll aber auch Erdogan-Anhänger unter den Bes­iktas-Fans geben. Im Sep­tember 2013 kam es beim Derby gegen Gala­ta­saray zu einem Platz­sturm, für den die Fan­gruppe 1453 Kar­tallari“ ver­ant­wort­lich gemacht wurde. Ein Spre­cher dieser Gruppe sagte in der Zei­tung Sabah“: Es hat uns gestört, dass Carsi poli­tisch so in den Vor­der­grund gedrängt ist.“
Diese Gruppe exis­tierte maximal zwei oder drei Wochen. Das legt zumin­dest den Ver­dacht nahe, dass das keine Bes­iktas-Fans waren, son­dern Schergen von Erdogan. Diese Gruppe sollte Stim­mung gegen uns machen. Sie sollte den Anschein erwe­cken, dass es bei uns auch eine starke rechte Fan­szene gibt.

Carsi wurde also unter­wan­dert?
Richtig. Uns wurden künst­liche Blumen in die Kurve gelegt.

Herr Kaya, ist an diesem Freitag bereits mit einem Urteils­spruch zu rechnen?
Der Staats­an­walt soll sein Schluss­plä­doyer direkt nach der Ver­hand­lung halten. Wir werden als Ver­tei­diger in jedem Fall um einen Frist­auf­schub bitten, um unsere Plä­doyers zu halten.

Glauben Sie, dass die jüngsten Wahlen in der Türkei einen Ein­fluss auf den Pro­zess haben könnten?
Das weiß man nicht, in jedem Fall haben sich die Macht­ver­hält­nisse geän­dert, Erdo­gans AKP hat nicht mehr die Mehr­heit. Es ist mög­lich, dass sie sich durch einen Frei­spruch dadurch schmü­cken wollen, wie unab­hängig die Justiz doch ist.

Gehen Sie denn von einem Frei­spruch aus?
Dieses gesamte Ver­fahren ist sowieso schon ein Skandal. Doch eine Ver­ur­tei­lung wäre die tür­ki­sche Dreyfus-Affäre. Wenn meine Man­danten ver­ur­teilt werden, dann ist das der tat­säch­liche Beweis, dass wir in der Türkei keine unab­hän­gige Justiz haben. Wenn das so ist, dann können wir alles ver­gessen, dann müssen wir raus aus dem Land.