Während der BVB und der 1. FC Köln mit grotesken Vorstellungen am letzten Spieltag den Wettbewerb verzerren, geben Union Berlin, Sandhausen, Kiel und Bielefeld alles, um die Glaubwürdigkeit der Liga wiederherzustellen. Eine Ode auf die Gewinner der Goldenen Ananas!
„Gestern hätte jeder Trainer auf der Welt das Spiel verloren, weil es an der Mannschaft lag und nicht am Trainer“, entschuldigte Hans Joachim Watzke im TV-Talk „Doppelpass“ die eklatante 0:4‑Niederlage der Dortmunder daheim gegen Hoffenheim. Die Mannschaft habe den Schalter nicht mehr umgelegt bekommen. Wie auch, wenn es um nichts mehr gehe und das Saisonziel erreicht sei. Nur ein ausverkauftes Stadion hätte eventuell dafür sorgen können, so Watzke sinngemäß, dass die Borussia noch zur Gegenwehr fähig gewesen wäre.
Es waren bemerkenswerte Sätze, die der BVB-Geschäftsführer da von sich gab. Schließlich bagatellisierte er nicht weniger, als dass etliche Angestellte eines Unternehmens, für dessen wirtschaftlichen Erfolg Watzke verantwortlich zeichnet, sich am Samstag eine exorbitant bezahlte Auszeit genommen hätten – und damit die TSG Hoffenheim locker in die Europa League durchmarschieren ließen. Bei einem Sieg der Dortmunder hätte sich der VfL Wolfsburg auf direktem Weg fürs internationale Geschäft qualifiziert. Man hätte gern Watzkes Reaktion erlebt, wenn VfL-Manager Jörg Schmadtke bei umgedrehter Konstellation derlei Sätze gesprochen hätte. Echte Liebe, so das pathetische Klubmotto des BVB, doch von wirklicher Zuneigung zum Fußball und seinem Fairnessgedanken war am Samstag im Westfalenstadion nichts zu erkennen.
Nicht weniger desinteressiert präsentierten sich derweil die Profis des 1. FC Köln bei ihrem sportiven Ausflug ins Weserstadion. Wie ein opferbereites Tönnies-Schwein ließen sich die Rheinländer von einer aufgedrehten Werder-Mannschaft zerlegen, die von ihrem Trainer offenbar nur einen Auftrag bekomme hatte: das Spiel zu gewinnen, die Hausaufgaben zu erledigen, damit zumindest eine theoretische Restchance auf den Verbleib in der Liga bestehen blieb. Hätte Milot Rashica nicht einen kurzzeitigen Aussetzer gehabt und einen Rückpass direkt in die Füße von Dominick Drexler gespielt, der FC wäre mit einer 0:6‑Klatsche nach Hause gefahren. Gegen einen Klub, der seit Wochen daheim nicht mehr gewinnen konnte. Arbeitsverweigerung ist ein Begriff, der im Fußball oft inflationär gebraucht wird. In Bezug auf den 1. FC Köln gibt es jedoch nichts, was die Vorstellung exakter beschreiben könnte. Und dass Timo Horn, ein Keeper, der vor zwei Jahren noch beim BVB und in der Nationalelf im Gespräch war, beim 2:0 X‑Beine wie ein C‑Jugend-Torwart macht, wirft auch kein gutes Licht auf das Ehrempfinden der Kölner. Zumal Horn noch vor geraumer Zeit geäußert hatte, dass er der Fortuna durchaus den Abstieg wünsche.
Nach diesem denkwürdigen Wochenende wird wie nach jedem letzten Spieltag hitzig über die Erfolge und Blamagen in den neuralgischen Tabellenregionen diskutiert. Alles in Sieger und Besiegte unterteilt. Am Sonntagabend rief die Bild bereits den „peinlichsten HSV aller Zeiten“ aus. In den sozialen Netzwerken wurde die Häme über die armselige 1:5‑Heimniederlage der Hanseaten kübelweise ausgeschüttet. Einer stellte die berechtigte Frage, ob Dinosaurier womöglich aus Dummheit ausgestorben seien.
Düsseldorfer Fans beweinten derweil ihr ewiges Schicksal, einem Naturgesetz gleich in Alles-oder-Nichts Situationen stets der Unterlegene zu sein. Und „Club“-Anhänger fragten, wieso sich ausgerechnet der Lokal-Rivale aus Fürth in der zweiten Halbzeit gegen den KSC, den einzigen Konkurrenten um den Relegationsrang in der zweiten Liga, eine kleine Verschnaufpause gönnte. Während der Gegner der Nürnberger, Holstein Kiel, nach der Pause noch einmal aufdrehte.
The Winner takes it, the loser standing small, sangen ABBA. Aber so einfach sollten wir es uns am Ende dieser eigenartigen Saison nicht machen. Scheiß auf Sieger und Besiegte, es zählen die Aufrechten. Der Fußball hat nicht zuletzt durch sein Pochen auf Privilegien zu Beginn der Viruskrise und sein kreischendes Beklagen der wirtschaftlichen Probleme trotz jahrzehntelanger Prosperität und Milliardeneinnahmen, zuletzt viel von seiner Glaubwürdigkeit in der öffentlichen Wahrnehmung verspielt. Die Liga jedoch hat durch ihr tragfähiges Hygienekonzept gezeigt, dass der Spielbetrieb möglich ist. Die Teams hatten eine lange Zwangspause, es wäre also das Mindeste gewesen, die Saison aufrecht und ohne negativen Beigeschmack zu Ende zu spielen.