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Er öffnet die Tür – und auf einen Schlag bin ich wieder sieben. Da steht er nun vor mir. Mit weit auf­ge­ris­senen Augen schaut er mich an, stau­nend, etwas ver­är­gert, finde ich. So als sei ich ein läs­tiger Staub­sauger­ver­treter oder bet­telte um Fut­ter­geld für Zir­kus­tiere.

Hallo, Herr Tön­nies“, sage ich und denke: Wahn­sinn, der Tön­nies!

Ja, komm’n Sie rein“, sagt er. Ganz freund­lich.

Er schoss den MSV zurück in die Bun­des­liga

Rund zwei Jahre ist das nun her. Wir haben uns zu einem Inter­view ver­ab­redet. Es wird der Auf­takt einer ganzen Reihe von Treffen sein, die dazu führen, dass ich schließ­lich ein Buch über sein bewegtes Leben schreiben werde. Anfangs soll es nur um den MSV Duis­burg gehen, der damals nach dem Lizenz­entzug vor dem Absturz in den Ama­teur­fuß­ball steht. Die Hoff­nung heißt Dritte Liga. Es wäre ein tiefer Fall, aber keine Kata­strophe. Denn so tief war der MSV schon einmal Ende der 80er Jahre, als Tön­nies nach Duis­burg kam. Das ewige Talent und der abge­stürzte Tra­di­ti­ons­verein – das passte. Mit seinen Toren schoss er den MSV zurück in die Bun­des­liga. In dieser Zeit, am 27. August 1991, hat mich mein Vater zum ersten Mal ins Wed­au­s­ta­dion mit­ge­nommen. MSV Duis­burg gegen den Karls­ruher SC.

Mein Vater hat mich nicht zu seinem Lieb­lings­verein gedrängt. Nur eines hat er mir damals gesagt: dass es viel besser sei, für die Außen­seiter zu sein. Für Bayern kann jeder sein“, sagte er. Um zu den Kleinen zu halten, muss man stark sein.“ Und weil sie so klein seien, müssten sie den Großen die Siege klauen, so wie Robin Hood. Damit hatte er mich, denn Robin Hood war mein Held. Ein Räuber mit Herz. Einer, der die Rei­chen beklaute, um die Beute den Armen zu geben. Und diese Duis­burger Mann­schaft erschien mir wie eine ganze Räu­ber­bande, mit ihren Vokuhila-Fri­suren und Schnurr­bärten. In ihren blau-weiß-gestreiften Tri­kots sahen sie aus wie die Lego­pi­raten in meinem Kin­der­zimmer. Und der Aller­kühnste von ihnen war Michael Tön­nies. Der Tor­jäger. Ein Mann mit zwei Spitz­namen. Tor­nado“, nannten sie ihn oder auch: Dicker“. Wer ihn jemals spielen sah, weiß, dass das kein Wider­spruch war.

Drei Tore gegen einen jungen Keeper namens Kahn

Es war an diesem August­abend, als das Schicksal es wollte und KSC-Ver­tei­diger Dirk Schuster es zuließ, dass Michael Tön­nies das Spiel seines Lebens machte. In fünf Minuten schoss er drei Tore gegen einen jungen, kaum bekannten Tor­wart namens Oliver Kahn. Drei Tore in fünf Minuten – bis heute ist es der schnellste Hat­trick der Bun­des­li­ga­ge­schichte. Tön­nies traf noch zweimal und berei­tete einen wei­teren Treffer vor. Am Ende gewann der MSV mit 6:2. Der Dicke“ und seine Bande hatten alles mit­ge­nommen. Die Kleinen hatten gewonnen. Und ich war dabei gewesen. Ich gehörte zu ihnen.