Unter Alexander Nouri schien Werder Bremen wieder Partys feiern zu können. Wie viel ist von der anfänglichen Euphorie geblieben?
Die Flutlichter im Bremer Weserstadion versprühen eine ganz eigene Faszination. Solche Masten werden heutzutage ja gar nicht mehr gebaut, sie sind sehr selten geworden im deutschen Profifußball. In Bremen ragen sie noch ins Stadion, und wer vom Osterdeich kommend Richtung Stadion geht, der wird von diesen gigantischen Lampen angezogen wie die Motte von der Schreibtischleuchte. Apropos: Werders Flutlichtmasten konnte man vor Jahren sogar als Miniversion für das eigene Zuhause käuflich erwerben, Bremens Vorzeigefan Arnd Zeigler hat die Dinger auf seiner allseits bekannten Arbeitsplatte ausgestellt.
„Nouri, Nouri!“
Auch Alexander Nouri scheint der fluoreszierenden Faszination erlegen zu sein. Als der 37-jährige Fußball-Lehrer bei seinem Heimspiel-Debüt am 24. September seine neue Mannschaft dabei beobachten durfte, wie sie mit zwei Toren in den letzten Minuten einen 0:1‑Rückstand in einen 2:1‑Sieg umwandelte, stürmte Nouri auf den Rasen – und tanzte. Da stand er nun, dieser vielen Fans bislang eher unbekannte Mann, angestrahlt von den vier mächtigen Masten, die schon so viel strahlendere Werder-Teams beleuchtet hatten, und tanzte. Fußball ist ein Spiel der großen Emotionen und der schnellen Verdrängung. Die Bremer kreischten vor Freude („Nouri, Nouri!“), vergessen war der Saisonstart mit drei Niederlagen in drei Spielen, 2:12 Toren, dem letzten Tabellenplatz und einem Trainer, der vermutlich nicht mal dann anfangen würde zu tanzen, wenn man ihn mit Waffengewalt dazu zwingen würde. Viktor Skripnik war Vergangenheit, Alexander Nouri die Gegenwart. Und in der sollte wieder alles besser werden. „Jahre voller Frust“, singen sie in Bremen vor jedem Spiel, „doch Werder wir komm´ wieder.“
Das war vor sechs Wochen. Nach sieben Punkten aus den ersten vier Partien unter Nouri (hoffnungsfrohe Statistiker vermeldeten sogleich, dass ein gewisser Otto Rehhagel 35 Jahre zuvor genauso erfolgreich in seinem Debüt-Monat gewesen sei), hat Werder die vergangenen beiden Spiele gegen Leipzig und Freiburg jeweils mit 1:3 verloren. Platz 15, sieben Punkte aus neun Spielen, 24 Gegentore. Werder, ihr kommt wieder? Nun ja. Vor dem Auswärtsspiel bei Schalke 04 ist die Stimmung eher Theke als Tanzfläche. Mit einem Barkeeper, der nur noch Wasser ausschenkt: ernüchternd.
Guter Mann? Oder fiel den Machern keine bessere Lösung ein?
Alexander Nouri hat noch nicht verraten, ob ihm diese alte neue Normalität in die Karten spielt oder nicht. Sein Tänzchen gegen Wolfsburg dürfte der Trainer eher bereut haben, er weiß ja selbst, wie in dieser doch eigentlich so nüchternen Hansestadt die Emotionen hochkochen, wenn es um den geliebten SVW geht. Von 1994 bis 2001 spielte er hier in der Jugend und bei den Amateuren, 2014 kehrte er an der Seitenlinie zurück, zunächst als Co-Trainer, später als Chefcoach der U23. Nach der Beurlaubung von Viktor Skripnik Mitte September übernahm er Interimsmäßig dessen Trainerposten, inzwischen ist er auch offiziell Cheftrainer bei den Bremern. Weil er ein Trainertalent ist, einer der „akribisch ist, sehr ehrgeizig, alles für den Fußball gibt“ wie es der Mainzer Manager Rouven Schröder, letzte Saison noch in Bremen, nach der 1:2‑Niederlage in Nouris erstem Spiel, zu Protokoll gab? Oder ein Notnagel, weil den Werder-Verantwortlichen um Geschäftsführer Frank Baumann und den Aufsichtsratsvorsitzenden Marco Bode keine bessere Lösung einfiel?