Ribéry als Schulhofschläger und die Équipe Tricolore als Gesindel. Der Aufstieg des Front National und die Spaltung der französischen Gesellschaft. Fréderic Valin hat ein furioses Essay zur EM verfasst.
Finkielkraut hat damit den Ton vorgegeben, wie zukünftig über die Mannschaft gesprochen wird. Alles an der Identität der Spieler wird in Frage gestellt: ihr Geld, ihre ethnische Herkunft, ihre soziale Herkunft, ihre Intelligenz.
Der Soziologe Stéphane Béaud stellt in seiner Analyse „Traîtres à la nation?“ fest, die Spieler seien einer überwältigenden Mehrheit der Presse als Vaterlandsverräter dargestellt worden. Man habe immerzu die Rädelsführer des Streikes gesucht – und was man gefunden hat, waren nur Schwarze und Ribéry, der zum Islam konvertiert ist. „Im Großen und Ganzen“, sagt Béaud in einem Interview mit Libération, „hat man gesagt oder durchschimmern lassen: Die Anführer kommen aus der Banlieue. Und für viele gilt: Banlieue = Schwarze = Araber.“
Klassenunterschiede zwischen Fußballspielern und Sportjournalisten
Béaud verweist auf die Klassenunterschiede zwischen jungen Fußballspielern und Sportjournalisten. Die einen stammen meist aus armen Familien, aus den Vorstädten, haben eine ungenügende Schulbildung und sind sehr schnell zu sehr viel Geld und Ruhm gekommen. Die anderen, mit hohem kulturellen Kapital ausgestattet, sind Abgänger von Journalistenschulen, gebildet und weltgewandt, meistens aus dem Bürgertum stammend und immer auf der Suche nach dem „bon client“, dem guten Kunden; also einem Spieler, der sich in der Zeitung verkaufen lässt.
Das ist bei dieser französischen Nationalmannschaft ein Problem. Karim Benzema trägt öffentlich die Schüchternheit eines Teenagers mit sich herum; Franck Ribéry verfügt über die rhetorischen Fähigkeiten eines bayerischen Ministerpräsidenten, selbst in München gibt er kaum Interviews; wenn es nach William Gallas ginge, bestünde Sprache aus zwei Worten, „ja“ und „nein“, alles andere scheint er als Kokolores zu empfinden. Ihre Unfähigkeit, sich angemessen – das heißt nach den Regeln der Presse – zu artikulieren, spiegelt das Unvermögen ihrer Generation, sich Gehör zu verschaffen.
„Wenn’s nur einer ist, geht’s noch“
Die Medien zeigen ein Zerrbild einer Gesellschaft, die – so die Moral von Knysna – nicht funktionieren kann: eine voller Einwanderer, unterentwickelten Schulabbrechern, Leuten, die in den Straßenschluchten der Banlieues abhängen. Zur gleichen Zeit sagt – zu einem anderen Anlass – Innenminister Hortefeux über Araber: „Wenn’s nur einer ist, geht’s noch. Wenn es viele werden, gibt’s Probleme.“