Das englische Wunderkind Jude Bellingham wechselt zu Borussia Dortmund. Seine Entwicklung ist eine Lotterie. Aber seit wann geht es bei der Suche nach Talent darum, besonders vorsichtig zu sein?
Er ist ein Box-to-Box-Mittelfeldspieler, der ebenso hart verteidigen kann wie er den Ball über den Platz ins letzte Drittel des Feldes treibt. Bellingham ist das, was BVB-Trainer Lucien Favre so gerne „polyvalent” nennt. Er kann sowohl über den ganzen Platz verteilt spielen, als auch zentral die Räume beherrschen. Berichten zufolge ist Bellingham, der bereits 1,80 Meter misst, in dieser Saison stark gewachsen. Er besitzt trotz seines Alters eine erstaunliche Präsenz und gilt deshalb als geborener Athlet, der in der Lage ist, seinen Gegenspieler zurückzuverfolgen und präzise tacklen zu können, was die Dortmunder Defensivqualitäten stärken dürfte.
Und: Bellingham stammt aus einer guten Fußballfamilie. Sein Vater Mark, mittlerweile als Polizeisergeant im Einsatz, war ein äußerst produktiver Non-League-Stürmer, der für Teams wie Stourbridge, Leamington und die Bromsgrove Rovers über 700 Tore erzielte. Judes jüngerer Bruder Jobe spielt ebenfalls für Birmingham und war für Englands U15 nominiert.
Und trotzdem ist Jude Bellinghams Entwicklung für Borussia Dortmund eine Lotterie. Er spielt für den Tabellenneunzehnten der zweiten Liga – die 24 Teams umfasst – und trotz all seiner sportlichen Eigenschaften gibt es keinen endgültigen Beweis dafür, dass Bellingham ein tödlicher Offensivspieler oder ein einzigartig kreativer Spieler ist.
Auf der Insel werden Vergleiche zu Tottenhams Dele Alli gezogen, aber auf jeden Spieler wie Alli kommen großartige junge Talente wie der frühreife Tom Huddlestone, der nun zusammen mit Rooney bei Derby County spielt. Spieler wie Huddlestone lassen in jungen Jahren großes Können durchblicken, aber ihre Karrieren erreichen nie das höchste Level.
Ruben Loftus-Cheek vom FC Chelsea beispielsweise, der Bellingham nicht unähnlich ist, hatte früh sein Debüt für die Blues gefeiert, aber schaffte es viele Jahre lang nicht, sich einen Stammplatz zu erkämpfen. Die Probleme von Loftus-Cheek oder von Jesse Lingard, der bei Manchester United seinen Stammplatz immer wieder verlor, haben Bellingham möglicherweise davon überzeugt, sich für Dortmund zu entscheiden. Hier bieten sich größere Chance, um seine Karriere reibungslos fortzuentwickeln. Jadon Sanchos Weg dürfte darüber hinaus als Vorbild dienen.
Und auf dem Papier hat Bellingham alles, was man braucht, um in Dortmund zu bestehen. Kraft, Athletik, Intelligenz und Ruhe am Ball. Doch so einfach lässt sich Fußball nicht vorhersagen, und die Investition könnte sich für den BVB schon bald als das Verbrennen sehr vieler Banknoten herausstellen. Dortmund ist ein Glücksspiel eingegangen. Aber seit wann geht es bei der Talentsuche darum, besonders vorsichtig zu handeln?