Er wurde vom gleichen Scout entdeckt wie Mario Kempes, nun trägt Paulo Dybala Zidanes Trikot und ist Juventus‘ Fixpunkt. Dass er es so weit schaffte, lag auch an Gennaro Gattusos Blutgrätschen.
Vertragsverhandlungen in Italien können eine zähe Angelegenheit sein. Vereinspräsidenten nehmen zu den Gesprächen gern schon mal ihre Bodyguards mit. Nur für den Fall, dass die Gegenseite zu sehr auf dem eigenen Standpunkt beharrt. Spieleragenten, Mittelsmänner und Sportdirektoren, die alle das eine wollen und etwas anderes sagen, ergeben in ihrem bizarren Zusammenspiel eine entscheidungsunwillige Masse. In dieser toxischen Atmosphäre ist schon so mancher Deal geplatzt.
Nicht so im Fall von Paulo Dybala. Exakt 90 Minuten, so lange wie ein Fußballspiel dauert, haben die Verantwortlichen von Juventus Turin, Dybala und US Palermo gebraucht, um den Wechsel des Stürmers zum italienischen Rekordmeister perfekt zu machen, erzählt Gustavo Dybala, Paulos Bruder und Berater. „Das ging alles ganz schnell, ganz problemlos.“ Ablösesumme: 32 Millionen Euro, eventuelle Bonusnachzahlungen: 8 Millionen Euro. Vertragslaufzeit fünf Jahre. Fertig.
„Paulo war schon speziell“
Juventus wollte den 22 Jahre alten Argentinier unbedingt und war bereit, viel Geld für ihn auszugeben. Selbst in Zeiten astronomischer Ablösesummen waren insgesamt 40 Millionen Euro ein stolzer Preis für einen, der sogar in Italien eher einem Fachpublikum als der breiten Masse etwas sagte. In Europa kannte ihn kaum jemand. Das hat sich inzwischen geändert. Dybala, dessen Opa während des zweiten Weltkriegs aus Polen nach Argentinien kam, hat nach Gonzalo Higuain und Carlos Bacca die drittmeisten Tore in der Serie A geschossen (13), wettbewerbsübergreifend kommt er auf 16 Tore und acht Vorlagen. Er ist der neue Fixpunkt im Spiel von Juventus Turin, der gefährlichste Angreifer der Italiener und derjenige, auf den der FC Bayern im Achtelfinale der Champions League vermutlich am meisten achtgeben muss. Für Mario Mandzukic und Alvaro Morata geht es seit Wochen nur noch darum, wer neben Dybala spielen darf. Der Neue ist gesetzt.
„Die Dinge nehmen jetzt ihren natürlichen Lauf“, sagt Santos Turza. Die Verbindung ist schlecht, aber seine Überzeugung in der Stimme dringt auch so durch Telefon. Turza, den sie „El Gordo“, den Dicken nennen, arbeitet seit über 40 Jahren als Spielerbeobachter für den Klub Instituto Atletico Central de Cordoba. Ein Mann mit einem verlässlichen Gespür für Talente. Mario Kempes hat er einst entdeckt und noch einige andere, die später ihr Geld in Argentinien und Europa verdienten. „Aber Paulo war schon speziell.“
„Paulo macht instinktiv immer das Richtige“
Was Turza meint: Dybalas Fähigkeit ein Spiel zu lesen und die Freigeistigkeit, mit der er sich über den Platz bewegte. Der Junge war überall zu finden. Auf links oder rechts, im Mittelfeld oder ganz vorne – Dybala tauchte immer dort auf, wo das Geschehen gerade tobte. Mal als Mittelstürmer, mal als Außen, mal als Spielmacher. So spielt er heute noch, auch bei Juventus genießt er alle Freiheiten. Im taktisch geprägten Fußball Italiens eine Seltenheit. Die Verantwortlichen haben ihm das Trikot mit der Nummer 21 gegeben – die trugen bei Juve zuvor Andrea Pirlo und Zinedine Zidane. „Paulo macht instinktiv immer das Richtige“, sagt Turza.
Als Scout bekam er früh einen Eindruck von Dybalas Willensstärke. „Mir genügten wenige Augenblicke, um sein Talent zu erkennen und wir forderten sofort seinen Pass von Newell’s an.“ Sein alter Klub schickte die Formulare innerhalb von drei Tagen zu, aber Dybala, 10 Jahre alt, weigerte sich ins Internat nach Cordoba zu ziehen. Die Familie aufzugeben kam für ihn nicht infrage. Das ist bis heute so geblieben, auch in Turin wohnt er zusammen mit seiner Mutter und den zwei Brüdern in einem Haus.
Lieber fuhr er mit Vater Adolfo stets die 55 Kilometer pro Strecke von seinem Heimatort Laguna Larga in die große Stadt. Auf ihren Fahrten träumten die beiden den gemeinsamen Traum vom Profifußball. Der Vater hatte es nie bis ganz nach oben geschafft, aber er wusste, welch außergewöhnliche Begabung sein Sohn war. Adolfo Dybala sah ihn nie in der ersten Liga spielen. Er starb, als Paulo gerade 15 Jahre alt war. Ein entscheidender Moment in der Karriere des Sohnes. Er entschied sich, doch ins Internat zu ziehen und setzte nun alles daran, Profi zu werden. Mit 17 debütierte er in der ersten Mannschaft von Instituto, die zu diesem Zeitpunkt in der zweiten Liga spielte. Mit 19 folgte der Wechsel zu US Palermo, mit 21 zu Juventus Turin. Eine Karriere wie am Reißbrett. „Paulo bringt nichts aus der Ruhe, er fügt sich überall schnell ein. Keine Ahnung von wem er das hat, wir anderen sind nicht so“, sagt sein Bruder Gustavo.
Grätschen von Gattuso
Selbst von den Unstimmigkeiten bei seinem Transfer von Argentinien nach Italien ließ er sich nicht ablenken. Palermo zahlte 12 Millionen US-Dollar, Instituto erhielt aber nur 3, ein dubioser Zwischenhändler hatte sich die Rechte an Dybala gesichert. Auch die harte Schule seines ersten Trainers in Europa, Gennaro Gattuso, machte ihm nichts aus. Milans ehemaliges Raubein senste den 1, 77 Meter kleinen und nur 70 Kilo leichten Neuzugang bei jedem Trainingsspiel persönlich um, damit dieser sich schneller an die Härten des europäischen Fußballs gewöhnt.
Palermos Präsident Maurizio Zamparini zeigte sich beeindruckt von Dybalas Lernwillen und tönte: „Er kann sich in einen 30-Millionen-Euro-Spieler verwandeln, so talentiert ist er.“ Das war als Kompliment gemeint, auch wenn es sich aus heutiger Sicht so anhört, als hätte er Dybala unterschätzt.