Manuel Neuer erinnert an einen Frührentner, Joshua Kimmich an einen Bond-Nebendarsteller und Marcel Halstenberg überrascht. Das ist die Einzelkritik zum EM-Sieg gegen Portugal.
Erlebte einen Abend wie ein Frührentner in Sagres. Gutes Wetter, recht entspannt, ein paar nette Portugiesen um einen herum. Aber auch sonst wie der Abend eines Frührentners in Sagres: Zwischendurch scheppert’s. Zum Glück ohne Kopfschmerzen am nächsten Morgen.
Motiviert und pusht seine Teamkollegen dermaßen, dass Jürgen Höller mit sorgenvoller Miene die unerwartete Konkurrenz beobachtet. Rüdiger muss auch sonst aufpassen, dass das ganze nicht an einen Motivationscoach erinnert – mit wenig eigener Leistung.
Nach den Eigentoren von Raphael Guerreiro und Ruben Dias ist klar: Mats Hummels hat in München einen Trend gesetzt. Führt diese Kategorie nun familienintern an.
Spielte wie wir Geschenke einpacken: Man versteht schon, was es sein soll, besonders elegant sieht’s trotzdem nicht aus. Immerhin, nicht blamiert und am Ende freuen sich die Richtigen.
Über Robin Gosens wurde in den letzten Stunden viel geschrieben. Es war schließlich sein Spiel gegen Portugal. Worüber mal wieder nicht berichtet wird: Dass dieser Robin Gosens auch Probleme mit sich bringt, organisatorischer Natur. Zur Stunde beraten Oliver Bierhoff und mehrere Luftfahrtunternehmen, wie Gosens zum Spielort eines möglichen Achtelfinals gebracht werden könnte. Wahrscheinlich übernimmt Lufthansa Cargo – die sind auf den Transport von Maschinen spezialisiert.
Toni Kroos ist Weltmeister, vierfacher Champions-League-Sieger, Weltstar und bei der Nationalmannschaft für den Rhythmus zuständig. Wirkt dabei manchmal, als hoffe der Dirigent, dass sich das Orchester in der Offensive nicht spontan für Trap Rap entscheidet. Gegen Portugal aber wie ein Streichorchester ohne Tonprobleme: aufeinander abgestimmt.
Wenn in wenigen Wochen die Olympischen Spiele in Tokio beginnen, dürfte unter Gewichthebern die Warnung ausgesprochen werden, nicht versehentlich den „Gündogan“ zu machen. Was bedeutet, dass man sich auf dem Gelände nicht verirren sollte, um plötzlich inmitten eines Sportgymnastikturniers zu stehen. Denn auch dann ist man Teilnehmer großen Sports, kann aber die eigene Stärke nicht ausspielen.
Wechselte mit seinen langen Bällen auf Gosens häufiger die Seiten als ein Doppelagent in James-Bond-Filmen. Auch sonst wie ein sehr guter Nebendarsteller. Nicht der Publikumsliebling, aber an allen wichtigen Szenen beteiligt.
Eigentlich gibt es für Thomas Müller nach der Karriere nur zwei mögliche Berufsoptionen. Erstens: Hausmeister. Weil er klaglos aufräumt, arbeitet, die Technik unkonventionell beherrscht, und vor allem: Räume öffnet. Oder aber er wird sogleich Spielertrainer der deutschen Nationalmannschaft. Mit lockeren Sprüchen, irgendwie auch noch Teil dieser Truppe, steht er dann in Copa Mundial an der Seitenlinie. Klar, er will was entwickeln, so ist das mit dem Präsidenten abgesprochen, und das bedeutet auch, den Jüngeren eine Chance zu geben. Aber in der 65. Minute wird dann klar: Alles muss man selber machen. Dann zieht er sich die Trainingsjacke aus, wechselt sich selbst ein und ackert wieder. Schön wird das.
Ist seit gestern der jüngste deutsche Torschütze der EM-Geschichte. Gute Strafraumbesetzung, torgefährlich. Trotzdem wünscht man sich, dass über seine Einsätze der Verband deutscher Planetarier wachte. Wie bei einer Sternschnuppe, macht es Sinn, wenn man schon im Vorfeld weiß, ob der Stern leuchtet. Bevor man 90 Minuten mit Warten verbringt. Im Fall des zweiten Gruppenspiels muss es aber heißen: Schöner Abend.
Ist in München bekannt für seinen extravaganten, aber passenden Klamottenstil. Daher eher eine Überraschung, dass Gnabry ohne Kapitänsuniform auftrat. Keine Schulterklappen, keine Schiebermütze. Dabei suchte der Mann gegen Portugal erfolgreich die Tiefe. Nebeneffekt: Tauchte ab und an auch ab.
Kaum zu glauben, dass er schon wieder spielen konnte, nachdem sich Lukas Klostermann gerade erst einen Muskelfaserriss zugezogen hatte.
Wurde eingewechselt und spielte erst in der Innenverteidigung, wechselte dann auf die Sechs und hätte wohl auch Rechts- oder Linksverteidiger spielen können. Wirkte variabel, auch was seine individuelle Leistung anging. Can ist für die Nationalmannschaft das Schweizer Taschenmesser. Blöd allein, dass es eine Eiche zu zersägen gilt.
Wie eine Packung Taschentücher, die man sich als Allergiker vor dem Spaziergang einsteckt. Das Tempo könnte später noch wichtig werden.
Für die DFB-Elf gilt, was für jeden Deutschen bei Fußballspielen unter diesen Temperaturen gilt, wenn die ganze öde Verwandtschaft zu Gast ist und nach dem Grillen nun in der zweiten Halbzeit auf Flüssignahrung umstellt, der Gastgeber also schwitzend, keuchend in die Garage eilt und hofft, noch ein paar Minuten Fußball zu sehen: Es ist nie verkehrt, einen verlässlichen Kühlschrank hinten drin zu haben.
Wer Leroy Sané aktuell in der Nationalmannschaft beobachtet, fühlt sich unweigerlich an Patrick Friesacher im Minardi-Cosworth erinnert. Fährt meist nur für ein paar Minuten mit und ist auch dann immer hinten dran.