Fußball im KZ? In fast allen Konzentrationslagern der Nazis gab es organisierten Sport. Der Österreicher Ferdinand Hackl war einer der wenigen, die im KZ Dachau gegen den Ball traten. Über eine Ambivalenz zwischen unvorstellbarem Grauen und der Freude am Kicken.
Ferdinand Hackl erinnert sich an den Appellplatz als einen Ort, „an dem Häftlinge bis zum Umfallen schikaniert und auch sehr oft zu Tode gequält wurden, und von wo so viele, um von ihrem schrecklichen Schicksal erlöst zu werden, in den angrenzenden elektrisch geladenen Stacheldraht liefen“. Der Österreicher verband zeit seines Lebens allerdings noch etwas anderes mit dem großen Platz vor den Baracken, auf dem die Häftlinge jeden Morgen und Abend zum Zählappell aufmarschieren mussten. An arbeitsfreien Sonntagen verwandelte sich der kahlgraue Appellhof zu einem Fußballplatz. Auf einer Seite des Platzes wurden feste Tore mit Netzen aufgestellt. Zwar gab es keinen Rasen, aber den Boden zierte das Muster eines Spielfeldes. Hackl war es gestattet, auf dem harten Boden des Appellplatzes Fußball zu spielen.
Ferdinand Hackl kam 1918 in Wien zur Welt und wuchs in einem armen Arbeiterhaushalt auf. Freunde nannten den jungen Mann mit den etwas längeren, locker nach hinten gekämmten Haaren nur „Ferdl“. Mit 19 Jahren meldete sich der überzeugte Kommunist als Freiwilliger, um mit den internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg gegen die Franco-Faschisten zu kämpfen. Ausgerechnet, weil seine Eltern eine Vermisstenanzeige aufgegeben hatten, verhaftete die Gestapo Ferdinand Hackl im Januar 1941. Nach Inhaftierungen in mehreren Internierungslagern in Frankreich sperrte ihn die Schutzstaffel (SS) am 6. Juni 1941 als politischen Häftling ins Konzentrationslager Dachau.
75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers war Ferdinand Hackl im August in Dachau auf Plakaten zu sehen. In der Stadt nördlich von München hat der Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit anlässlich des Jahrestags der Befreiung die Plakataktion „Für eine Zeit Dachauer“ ins Leben gerufen. Dafür werden monatlich wechselnd die Porträts von Menschen aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Biographien in der Stadt aufgehängt. Hackl könnte stellvertretend für die wenigen Männer stehen, die als KZ-Häftlinge Fußball spielen durften.
Ferdinand Hackl bei einem Besuch in der KZ-Gedenkstätte Dachau. Dem Ort, an dem er von 1941 bis 1945 inhaftiert war.
Hackl gehörte zu den etwa drei Prozent der Häftlinge, die an arbeitsfreien Sonntagen Fußball spielen durften. Trotz primitiver Ausrüstung hätten die Spiele auf dem harten Boden des Appellplatzes den Häftlingen geholfen, „ihr Leid und den Hunger einige Stunden zu vergessen“, wie Hackl in einem Bericht schreibt, der im Archiv der Gedenkstätte des KZ Dachau liegt.
Nicht nur in Dachau, sondern in nahezu allen Konzentrationslagern der Nationalsozialisten gab es organisierten Sport. Die Historikerin Veronika Springmann veröffentlichte hierzu 2019 ein Buch mit dem Titel „Gunst und Gewalt“. Springmann sagt: „Sport wurde in Konzentrationslagern oft als Mittel zur Gewaltausübung genutzt. Dabei mussten die Häftlinge zum Beispiel bis zur absoluten körperlichen Erschöpfung im Kreis laufen, Kniebeugen oder Liegestützen machen.“
Und die Gunst? In diese Kategorie fällt der Fußball in Konzentrationslagern. Die Häftlinge, die Fußball spielen konnten, durften mit Begünstigungen durch die Aufseher rechnen. „Die Häftlinge bekamen zum Teil größere Lebensmittelrationen oder wurden leichteren Arbeitskommandos zugeteilt“, sagt Springmann, fügt aber hinzu: „All das natürlich immer im Kontext der Gewaltförmigkeit der Konzentrationslager.“ Für Ferdinand Hackl zählte sogar der Fußball selbst zu einer der Begünstigungen, weil er dabei für kurze Zeit die schrecklichen Lebensbedingungen vergessen konnte. Er berichtet, dass die SS mit dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion begann, „im Interesse der Kriegswirtschaft mit den Häftlingen des Konzentrationslagers Dachau etwas rationeller umzugehen“.