Drei Endspiele, sechs Teams, sechs Nationen: Die Final-Paarungen von Champions League, Europa League und Conference League versprechen Großes.
1996 brachte die britische Pop-Band The Beautiful South ihren Song „Rotterdam (or anywhere)“ heraus. Das Lied handelt von einer Bar in der bekannten Rotterdamer Shopping-Straße Lijnbaan, in der der Songwriter Paul Heaton gesessen hatte. Verkatert von der Nacht zuvor, kam er sich dort sehr fremd vor, und entschied, einen – wie er es selbst gegenüber dem Guardian ausdrückte – „bitchy“ Song über die Reichen und Schönen dieser Welt zu schreiben. Jene Klientel, die sich in eben dieser Bar ansammelte – ein Song über Leute, die Heaton als austauschbar empfand.
Im Refrain des Songs heißt es: „Rotterdam or anywhere, Liverpool or Rome“. Ganz so, als hätte die Band damals schon eine Vorahnung gehabt, welche Teams 2022 in den Europokal-Finals stehen würden. Im Unterschied zu den von Heaton verachteten Snobs sind die drei Final-Partien der europäischen Vereinswettbewerbe jedoch alles andere als austauschbar.
Feyenoord Rotterdam gegen AS Rom in der Conference League, FC Liverpool gegen Real Madrid in der Champions League, Eintracht Frankfurt gegen die Glasgow Rangers in der Europa League. Diese Finalpartien sind gleich aus mehreren Gründen fantastisch.
Zum Einen: Sechs Klubs aus sechs verschiedenen Ligen – Holland, Deutschland, Spanien, Italien, Schottland, England – spielen in drei Endspielen die Pokalsieger aus. Eine willkommene Abwechslung zu den in den vergangenen Jahren sehr häufig auftretenden länderinternen Finals. Und ein Inbegriff des Wortes „Europapokal“.
Zum anderen: Alle Klubs haben ihre ganz eigene Historie in den europäischen Pokalwettbewerben. Alle standen schon in einem Finale. Und alle wissen eine große Fanschar hinter sich. Auch wenn die Gruppe der Rom-Fans, die im vergangenen Oktober eine ziemlich lange Reise auf sich nahm – und eine bittere Niederlage schlucken musste, eher klein war.
166 AS-Rom-Dauerkarteninhaber waren es, die ihren Klub in den norwegischen Winter nach Bodø begleiteten – und damit eine Reise antraten, in der sie 2825 Kilometer Luftlinie überbrückten. In der eisigen Kälte, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, mussten die 166 Mitgereisten ein 1:6 ihrer Mannschaft gegen FK Bodø/Glimt mitansehen – eine unfassbare Blamage. Es war der dritte Spieltag der Conference-League-Gruppenphase. Später sollte die Roma im Viertelfinale ein drittes und viertes Mal gegen die Norweger antreten – und die Revanche gelang (1:2; 4:0). Als Dank für ihren Einsatz – und vielleicht als Entschädigung für den einen oder anderen abgefrorenen Finger – hat der Verein die 166 Fans nun mit Tickets fürs Finale belohnt.
Der Gegner der Roma im Finale, Feyenoord Rotterdam, hat zuletzt 2002 ein europäisches Finale bestritten. Damals gewann das Team um den niederländischen Mittelfeldstar Pierre van Hoojdonk den UEFA Cup gegen den BVB (3:2) – Feyenoords zweiter UEFA-Pokal-Triumph nach 1974.
Die Teams lieferten sich auf dem Rotterdamer Rasen ein rassiges Duell. Ein sehenswerter Treffer von BVB-Stürmer Jan Koller mit dem linken Fuß von außerhalb des Strafraumes in den Knick sowie ein Freistoßtor von van Hoojdonk setzten die spielerischen Höhepunkte.
Natürlich gab es danach auf den Rängen kein Halten mehr. Doch die Feyenoord-Fans sind nicht nur für ihre lautstarke Unterstützung bekannt. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen vonseiten der berüchtigten Rotterdamer Hooligans.
Auch Gegner Rom brennt auf das Finale. Für die Roma würde ein Sieg im Endspiel den ersten Europapokal-Triumph der Vereinsgeschichte bedeuten. 1991 standen die Giallorossi letztmals in einem UEFA-Pokal-Endspiel, dessen Finale zu der Zeit in Hin- und Rückspiel ausgetragen wurde. Damals scheiterte die Roma noch an Inter Mailand.
Was der Finaleinzug für die Mannschaft und die Stadt Rom vor diesem Hintergrund bedeutet, zeigten die Bilder nach dem 1:0‑Triumph im Halbfinale gegen Leicester City, den englischen Meister von 2016. Tammy Abraham sank auf die Knie und hielt sich die Hände vors Gesicht, Mourinho liefen die Tränen, 63.940 Zuschauer im Stadio Olimpico tobten.
Das Endspiel der Conference League wird am 25. Mai im Air Albania Stadium in Tirana, Albanien, steigen. Rund 22.000 Fans werden die beiden Mannschaften im ersten Conference-League-Finale der Geschichte anfeuern.
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