Krämpfe in den Beinen, Blut im Gesicht, Tritte auf die Knochen. Bastian Schweinsteiger musste im Finale vieles einstecken. Er überzeugte trotzdem – mit einer Weltklasse-Leistung.
So zum Beispiel in der 109. Minute. Als der argentinische Stürmer Kun Agüero Schweinsteiger seinen Arm ins Gesicht schlug, die Wange aufplatzte und der Bayer am Spielfeldrand von Dr. Müller-Wohlfahrt behandelt wurde, stand bereits BVB-Spieler Kevin Großkreutz zur Einwechslung bereit. Schweinsteiger aber ließ seine Wunde vom Teamarzt tackern, stand auf und kehrte auf den Platz zurück. Dabei warf er den Gegenspielern Mascherano und Aguero jeweils einen vernichtenden Blick zu. Als wollte er sagen: Lasst uns spielen, mich kriegt ihr nicht klein.
In einem Spiel, das zwischenzeitlich ungemütlich für die deutsche Nationalmannschaft wurde, zeigte Schweinsteiger, dass er das Spiel ordnen und stabilisieren kann. Und darüber hinaus auch noch kleine Reizpunkte setzt. Würde man nur das gestrige Spiel sehen, wäre eine Typen-Debatte, wie sie wochenlang in Deutschland geführt wurde, fast so fehlplatziert wie ein Vegetarier im argentinischen Steinhaus.
Konnte er dieser Mannschaft überhaupt helfen?
Dabei hatten Schweinsteiger eine so starke Leistung bis zum Halbfinale gegen Brasilien nur die wenigsten zugetraut. Zu Beginn des Turniers wirkte er nicht fit, fand sich im ersten Spiel gegen Portugal sogar nur auf der Ersatzbank wieder. In den beiden weiteren Gruppenspielen gegen Ghana und die USA durfte der Mann mit der Nummer sieben zwar von Anfang an mitwirken, die Medien zweifelten trotzdem an ihm. War Schweinsteiger wirklich einsatzbereit? War die Nominierung überhaupt richtig? Und konnte er dieser Mannschaft wirklich helfen?
Er konnte. Schweinsteiger steigerte sich mit dem Turnierverlauf kontinuierlich. Als es nicht lief, meckerte er nicht oder stellte gar Forderungen, im Gegenteil: Er fokussierte sich auf seine Aufgabe, gab keine Interviews und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Er fand wieder zur alten Form zurück und krönte seine Leistungen in den zwei entscheidenden Spielen, Halbfinale und vor allem nun im Finale.
Lange nach der Pokalübergabe stand Schweinsteiger an jenem Sonntag in den Katakomben des Maracana-Stadions und plauderte noch mit einigen Journalisten. Er tat also genau das Gegenteil, das er bislang beim Turnier tat. Bei den Interviews trug er ein Trikot mit den Unterschriften ehemaliger deutscher Weltmeister, das vor dem Spiel als kleine Motivationsspritze in der Umkleidekabine gehangen hatte. „Wir haben nicht demokratisch abgestimmt, wer es bekommt. Ich fand es cool“, erklärte Schweinsteiger. Und wenn man ihn dabei beobachtete, schien er sich wie ein kleines Kind darüber zu freuen, dass auch er bald auf einem solchen Trikot zu finden sein dürfte.