Nach ihrem furiosen Husarenritt bis ins EM-Viertelfinale 2016 stürmen die Isländer nun die WM. Als kleinstes Teilnehmerland aller Zeiten. Was auch damit zu tun hat, dass sich der Trainer vor jedem Heimspiel mit den Fans in einer Kneipe trifft.
Eigentlich ist es bereits eine Sensation, dass die Isländer überhaupt eine Fußball-Nationalmannschaft zusammenbekommen. Die unwegsame Vulkaninsel hat nämlich nur 330.000 Einwohner – ein paar Tausend weniger als die Stadt Bielefeld. Damit unterbietet Island auch das bisher kleinste WM-Teilnehmerland Trinidad & Tobago um Längen. Auch die klimatischen Bedingungen hoch oben im Nordatlantik sind alles andere als fußballfreundlich: Bis zu zehn Monate im Jahr tobt der Winter. Nicht zuletzt deshalb spielen die meisten der rund 160.000 männlichen Isländer lieber Handball oder Basketball. Und doch hat das Fußballteam um Everton-Legionär Gylfi Sigurdsson (28) mal eben die Qualifikation zur WM 2018 in Russland gepackt, als Gruppenerster vor Teams wie Kroatien und der Ukraine. Wie das gelang? Indem die Isländer die nötigen Voraussetzungen geschaffen haben:
1. Die vorbildliche Trainerausbildung
Island hat die höchste Dichte an ausgebildeten Fußballcoaches weltweit. Das ist die Folge einer breit angelegten Offensive, die der nationale Verband KSI bereits gegen Ende des vergangenen Jahrtausends in die Wege geleitet hatte. Rund 800 Insulaner sind aktuell Inhaber eines Trainerscheins, die meisten von ihnen besitzen die UEFA-A- oder UEFA-B-Lizenz, für die man jeweils rund 100 Seminarstunden absolvieren muss. Die hohe Trainerdichte sorgt für eine exzellente Qualität in der Jugendarbeit, denn anders als in Deutschland werden U9-Kicker auf Island nicht von irgendeinem Papa betreut, der gerade Zeit hat, sondern von qualifizierten Übungsleitern. Der Lohn ist eine profunde Basis-Ausbildung der Jüngsten, die maßgeblich mit dafür verantwortlich zeichnet, dass Islands Fußballaufschwung von Dauer bleibt.
2. Die exzellente Nachwuchsförderung
Islands „Goldene Generation“ um Sigurdsson, Birkir Bjarnason (29), Alfred Finnbogason (28) oder Kolbeinn Sigthorsson (27), die schon 2016 mit der EM-Viertelfinal-Teilnahme beeindruckte, ist kein Zufallsprodukt. Sie soll auch nicht die letzte bleiben. So verpasste die vom Ex-Herthaner Eyólfur Sverrisson (49) trainierte isländische U21-Auswahl nur aufgrund einer unglücklichen Pleite gegen die Ukraine im letzten Quali-Spiel das Ticket zur jüngsten U21-EM in Polen. Auch die jüngeren U‑Teams der Vulkaninsel spielen in Europa eine respektable Rolle. Und das, obwohl Islands Fußballverband unentwegt mit der Handball- und der Basketball-Föderation um die besten Ballsport-Talente kämpfen muss. Prominentes Beispiel: Deutschlands ehemaliger Handball-Bundestrainer Dagur Sigurdsson (44), der sieben Spiele für Islands U17-Fußball-Nationalteam absolvierte, ehe er sich für die warme Halle entschied. Doch Handballer, Fußballer und Basketballer arbeiten auch eng zusammen – etwa, wenn es um die sportmedizinische Betreuung oder den reibungslosen Austausch neuester trainingswissenschaftlicher Erkenntnisse geht.