Andres Iniesta und Gianluigi Buffon haben übergroße Vermächtnisse hinterlassen. Fernando Torres tut das nicht. Er war stets zur falschen Zeit am falschen Ort. Oder?
Atléticos Spieler warteten darauf, dass ihr Kapitän den Pokal in die Höhe stemmen würde. Doch statt vor die Kollegen zu treten, lief Gabi durch die Traube an Spielern geradewegs auf Fernando Torres zu und drängte ihn nach vorn. Zusammen rissen sie die Europa-League-Trophäe in die Luft. Konfettiregen. Laute Musik. Grenzenloser Jubel. „El Nino“ gewann im letzten Spiel für Atlético seine erste Trophäe mit dem Klub seiner Jugend. Es ist der romantische Schlusspunkt unter der Karriere des Fernando Torres.
Zehn Tage
Eine Karriere, in der der Spanier unheimlich erfolgreich war. Stellvertretend dafür, sind zehn Tage im Mai 2013. Am 15. findet in Amsterdam das Europa-League-Finale statt. Chelsea spielt gegen Benfica Lissabon. Der FC Chelsea gewinnt das Spiel mit 2:1, Torres schießt für die Blues den Führungstreffer. Das Finale der Königsklasse findet erst am 25. statt. Dort wird der Nachfolger des FC Chelsea ermittelt, weshalb sich Fernando Torres zehn Tage lang als amtierender Champions-League- und Europa-League-Sieger, Europa‑, sowie Weltmeister vorstellen darf.
Torres’ Laufbahn ist geprägt von Gegensätzen. Die genannten Titel gewinnt er mit dem FC Chelsea und der spanischen Nationalmannschaft, wirklich aufblühen kann der 110-malige Nationalspieler im Trikot des FC Liverpool, und im Dress von Atlético Madrid. Dass er in der Nationalmannschaft nie eine der ganz prägenden Figuren werden kann, so wie Iniesta, Xavi, Carles Puyol oder Sergio Ramos, liegt auch daran, dass die Entwicklung des spanischen Spielstils sich irgendwann von ihm wegbewegt hat.
Keine falsche Neun
Denn es ist kein Zufall, dass er im Alter von 24, nach einer fantastischen Saison für den FC Liverpool, im Finale der EM 2008 das Siegtor schießt. Es ist ein Treffer der exemplarisch ist für das Spiel des Fernando Torres. Xavi spielt einen Ball in den Strafraum, der eigentlich zu lang ist. Doch Spaniens Nummer Neun sprintet los, arbeitet sich an Philipp Lahm vorbei und überlupft den herausstürzenden Jens Lehmann. Spanien ist Europameister.
Die „Furia Roja“ und ihr Star mit den vielen Sommersprossen, der als Kind im Tor spielen wollte bis der Ball ihm einen Zahn ausschlug, passen gnadenlos gut zueinander. Torres ist explosiv im Antritt, verfügt über eine saubere Ballannahme und braucht oft nur einen oder zwei Kontakte um abzuschließen. Wäre er fünf Jahre früher geboren, die WM 2002 hätte sein Durchbruch werden können. Er stünde heute eventuell auf einer Stufe mit Stürmern wie Ronaldo oder Thierry Henry.